Im Juni in Braunau und im Innviertel: Das Festival der Regionen 2025 lädt ein, „realistisch zu träumen“
OÖ/BRAUNAU/INNVIERTEL/SIMBACH. Nach umfangreichen und langen Vorarbeiten ist es bald so weit: Von Freitag, 13. bis Sonntag, 22. Juni, wird das Innviertel mit Hauptaustragungsort Braunau zehn Tage lang bunter, diverser und kreativer Schauplatz des Festivals der Regionen 2025. Das Festival ruft mit vielfältigem Programm bei freiem Eintritt auf, „realistisch zu träumen“.

Schon seit über 30 Jahren, seit 1993, bringt das Festival der Regionen zeitgenössische künstlerische Perspektiven auch in ländliche Regionen. Die 17. Ausgabe im Innviertel umfasst 24 Spielorte mit dem Festivalzentrum und Festivalbüro „BüroREAL“ in Braunau und zehn weitere Schauplätze in Ried im Innkreis, Schärding, Obernberg am Inn, Ostermiething und Ranshofen. Auch grenzüberschreitend findet das Festival heuer statt und bezieht Simbach in Bayern mit ein.
Treffpunkt „Treffik“
Das Festivalzentrum, die „Treffik“, gestaltet von Studierenden der Kunstuni Linz, findet sich in der Linzer Straße in der Braunauer Altstadt. Dort gibt’s Infos, einen täglichen Mittagstisch zur Begegnung, den Hundsgraben zur Entspannung, Abendveranstaltungen und vieles mehr.
165 Kunstschaffende sind beteiligt, davon zwei Drittel Frauen oder nichtbinäre Personen. Über 40 Projekte und Kooperationen, davon drei Viertel mit regionaler Beteiligung oder Bezug zur Region, laden zum Mitmachen und Mitgestalten ein.
Zudem warten über 50 Workshops mit Fokus auf Kinder und Jugendliche. In Summe aus 100 Veranstaltungen können Interessierte wählen.
„Realistische Träume“
Thematisch steht das Festival unter dem Motto „Realistische Träume“. „Träumen soll nicht ‚illusorisch‘, schon gar nicht ‚unmöglich‘ bedeuten. Gerade angesichts der aktuellen Realität, die von düsteren Zukunftsbildern und Verunsicherung geprägt ist, fordern wir auf, das Fantastische ins Leben zu holen“, so Festival der Regionen-Geschäftsführer Otto Tremetzberger.
Den Festivalort Braunau soll man mithilfe des Festivals mit anderen Augen sehen, weg vom einseitigen Bild des Geburtsorts Adolf Hitlers. „Wir möchten über dieses einseitige Bild hinausdenken.“
Schön sei, so die Festivalmacher, dass das Team schon in den Vorbereitungen die Braunauer Bevölkerung als sehr offen und viel Energie in der Region erlebt hätten.
Experimentieren, neu denken, erinnern
Fassbar wird das umfangreiche Programm durch fünf Begriffe: „Probiergarten“, „Zusammenspannwerk“, „Gedächtnisluckn“, „Mischmaschinn“ und „Patriarchat albträumen“.
„Das Festival ist ein Spielfeld zum Experimentieren, um lokale Gegebenheiten neu zu denken; wir wollen unterschiedliche Zugänge zusammenbringen, es geht um Erinnerungsarbeit in den Regionen mit Blick auf verdrängte Geschichte, es geht um ein kreatives Durcheinander und ein cooles, queeres, feministisches Programm, das wir gerade auch im ländlichen Raum aufzeigen wollen“, erläutert die Obfrau des Festivals und Mitglied im Programmboard Fina Esslinger.
Fulminanter Eröffnungstag in Braunau und Simbach
Dass auch geografische Grenzen überschritten werden, zeigt zum Beispiel, dass die Eröffnung am 13. Juni auch in Simbach stattfindet. Die Eröffnung ist dabei den ganzen Tag über als Parcours angelegt. Gestartet werden kann schon ab Linz mit der Performance „Deep Rest“ von Jacqueline Kaiser-Böhm auf der Zugfahrt nach Braunau.
Um 13 Uhr wird in Braunau zum Mittagstisch geladen, dazu musiziert der Demokratische Chor Braunau. Am Nachmittag findet eine Tour zu den zentralen künstlerischen Arbeiten statt, um 16 Uhr gibt’s das Theaterstück „Der Koch, eine Wurst und das verrückte Huhn“ für alle ab 4 Jahren im Festivalzentrum. Am Bahnhof Simbach wartet um 17 Uhr Eröffnungsfeierlichkeiten, um 20.30 Uhr gibt’s den „Brückentanz“ auf der Innbrücke, vor dem Hitlerhaus wartet um 21.45 Uhr die Performance „Die Testamentsverlautbarung“, um 23.30 Uhr eine Dragshow im Festivalzentrum, bevor ab 0.30 Uhr im Reiterkeller zur Party mit DJ geladen wird.
Zehn Tage volles Programm – ein Auszug
Schon vor offiziellem Festivalstart am 7. Juni findet die „INN4/PRIDE“ in Ried statt, veranstaltet vom KIK in Ried im Innkreis. Ab 13.30 Uhr wird die Pride Parade durch die Rieder Innenstadt ziehen, zum Abschluss gibt’s eine Kundgebung mit Musik und Poetry-Slam am Marktplatz.
Hannah Shakti Bühler und Simon Mayer erfinden für das Festival das Tanzdorf, ein mobiler, offener Ort für zeitgenössischen Tanz.
Die Ausstellung „Marmorplatte & Scheibe mit Ente“ im öffentlichen Raum hinterfragt den politisch motivierten Umgang mit dem historisch belasteten Ort in der Salzburger Straße 15, in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte.
Ein literarisches Festmahl wird das „Bankett am Bankett“ am 15. Juni, zum 10. Jahrestag des „Sommers der Migration“. Die Innbrücke verwandelt sich dabei vom Symbol der Grenzkontrollen zum Ort der Begegnung. Im Mittelpunkt steht die dreisprachige Publikation „Der lange Winter der Migration“ mit Texten von Schriftstellenden, die 2015 aus Syrien, Afghanistan und Iran nach Europa gekommen sind – ein Buch als Hommage an den verstorbenen Schriftsteller Jad Turjman – es wird am 16. Juni auch im ZIMT präsentiert.
Der feministische „Zechnziaga“ der „Zeche Hinterfotzing“ zieht durch die Braunauer Wirtshäuser und lädt alle ein, mitzukommen. Humorvoll und rebellisch weht ein Hauch von Anarchie dabei durch Braunau.
Das Poetry Slam-Projekt „Road to the Festival“ unter anderem mit Katharina Wenty wartet, großgeschrieben wird die Kunstvermittlung, etwa im Kinderatelier oder im Traumraum „Somnarium“. Mit Yasmo & die Klangkantine gibt’s eine Text- und Musikwerkstatt.
Tägliche Rundgänge unter dem Titel „This Way, Dreamers!“ eröffnen Erwachsenen neue Perspektiven.
Zu einer Friedenswanderung von Braunau nach Schärding laden Jazzposaunist Paul Zauner und Fotograf Andreas Mühlleitner. Drei Tage lang wird in sieben ein- bis dreistündigen Etappen gewandert, dabei musiziert, gesungen und vorgetragen. Interessierte können sich der ganzen Etappe, einzelnen Abschnitten oder nur den Programmpunkten bei den Stationen anschließen.
Die Braunauer Stadtnäherin Lydia Waldhör verarbeitet am Stadtplatz von der Bevölkerung mitgebrachte Textilie zu einem Patchwork.
Künstlerin Marianne Gogg zeigt eine gemeinsam mit Innviertlerinnen entwickelte Arbeit – großformatige Cyanotypie-Stoffbahnen als Installation entlang der Stadtmauer.
Beim Projekt „Ein Fingerhut voll Utopien“ befassen sich Rosanna Graf und Lisa Klosterkötter gemeinsam mit den Goldhauben Braunau mit Tradition und Zukunft.
Ein „Exotischer Provinz Frühschoppen“, die Intervention „Stern*INNen“, das mobile Büro für (un)realistische Träume, ein Bust Talk von Thomas Geiger mit Franz Stelzhammer in Ried, ein Workshop mit dem Theaterfestival für junges Publikum Schäxpir im Gugg und vieles mehr stehen am Programm.
Auch das „Fest der Begegnung“ fällt in den Festivalzeitraum: am Samstag, 21. Juni, ab 15 Uhr am Oberen Stadtplatz Braunau wartet ein Fest für alle Sinne voller Musik, Tanz und mehr.
Angebot für Anreise per Öffi, keine Eintrittspreise
Um eine klimafreundliche Anreise zu ermöglichen, wurde in Zusammenarbeit mit dem OÖ Verkehrsverbund die FdR*Travelcard (ab 10 Euro) aufgelegt, mit der mit Bus und Regionalzügen aus ganz OÖ angereist werden kann. Erhältlich ist die Card via kupfticket und am Festival-Info-Point in Braunau. In Braunau ist das Angebot fußläufig erreichbar. Teils werden auch Sonderzüge angeboten.
Es gibt zudem keine Eintrittspreise, „um den Besuch möglichst allein zugänglich zu machen“, so Tremetzberger. Es gilt das Credo „Pay as you wish“, jeder entscheidet selbst, wie viel er für eine Veranstaltung, einen Workshop oder eine Performance hergeben möchte.
„Festival, das Dialog fördert“
Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) dankt den Festivalmachern für das riesige, ansprechende Programm. „Das Festival der Regionen bietet die Möglichkeit, durch das vielfältige kulturelle Angebot verschiedene Regionen zu verbinden. Heuer gelingt das sogar grenzübergreifend, von Braunau bis ins bayrische Simbach. Die Vielfalt wird aber nicht nur Interessierte aus der Region anlocken, sondern aus einem viel größeren Radius. Und so gelingt der Brückenschlag von Braunau, vom Innviertel bis in den Zentralraum. Dadurch können Impulse sowohl vor Ort als auch regionenübergreifend gesetzt werden. Das Festival der Regionen ist ein Katalysator, um Weiterentwicklungen in den verschiedensten Bereichen zu beschleunigen“, freut er sich, dass das Festival ausgelegt ist, um „vor allem den Dialog zu fördern“.
Für Kulturdirektorin des Landes OÖ Margot Nazzal zeige gerade die heurige Festivalausgabe, dass Braunau „keine Grenzstadt sondern einen Brückenstadt“ sei, das Festival beweise auch heuer wieder, dass Kultur überall stattfinde.
Emotionaler Rückblick auf 2015
Braunaus Bürgermeister Johannes Waidbacher findet es „einfach nur genial, dass das Festival der Regionen 2025 ins Innviertel und nach Simbach kommt. Die Reise bisher war sehr spannend und ich freue mich nun auf das große Finale, die zehn Tage bei uns in Braunau. Wenn ich mir das Programm so anschaue, weiß ich nicht, wann ich da schlafen werde“, lacht er.
Emotional erinnert er bei der Programmpräsentation in Linz aber auch an das Jahr 2015, auf das die Veranstaltung „Bankett am Bankett“ auf der Innbrücke Bezug nimmt. „Das war für mich eine sehr berührende Zeit. Wir hier leben ja in einem Paradies, wir haben Frieden, wirklich alles, was wir brauchen. Und dann kommen da Menschen, die gar nichts mehr haben. Und ich kann mich noch erinnern: Ich war in meinem Büro, unten ist eine Familie mit zwei Kindern vorbeigegangen. Und ich schaue runter und da ist ein kleiner Junge gewesen, mit einem Teddybären in der Hand. Er hat in diesem Augenblick raufgeschaut. Und ich habe mir gedacht: Das könnte mein Kind sein. Ich glaube, das müssen wir einfach bedenken, auch wenn aktuell sehr viel Unsicherheit da ist“, schildert er emotional.
Und er habe wirklich einen großen Traum: „Dass wir einmal eine Zeit erleben, in der es weltweit keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt. Das wäre mein größter Wunsch. Und vielleicht können wir mit dem Festival einen kleinen Beitrag dazu leisten.“
Beteiligt ist natürlich auch die Initiative Lebensraum Innviertel, Andrea Eckerstorfer: Wir haben mehr als 200 Vereine, Institutionen, Kollektive im Innviertel. Eines unserer Ziele: eine eigene Kulturvernetzungsstelle für die Region, bei der sich kulturrelevante Themen bündeln. 'Kuki' ist Kooperationspartner für das Festival. Wir vernetzen, schaffen Sichtbarkeit und setzen Akzente, die im ganzen Innviertel wirken“. Sie verweist dabei auch auf die schon im Vorfeld zum Festival eröffnete Ausstellung „traum:+haft“ im Kunsthaus Burg Obernberg, die Pride in Ried und die Friedenswanderung von Braunau nach Schärding.
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