Mariendom: "Geschichtsträchtige Bauten nicht als Last, sondern als große Chance sehen"
LINZ. Kalt und finster mag der Mariendom auf Manche auf den ersten Blick wirken. Aber nur auf den ersten Blick: Das weiß besonders Wolfgang Schaffer, seit 2005 Dombaumeister. Mit Ende des Jahres geht er in den verdienten Ruhestand, nun steht sein Nachfolger fest: Michael Hager folgt ihm Anfang 2023. Beiden ist es wichtig, den Dom in seiner ganzen Vielfältigkeit in den Mittelpunkt zu rücken.
Seit 2005 ist Schaffer Dombaumeister in Linz. Er ist, in Zusammenarbeit mit Domhüttenmeister Gerhard Fraundorfer grundsätzlich zuständig für die Erhaltung und die Ausstattung des Doms. „Wir haben den Mariendom von unseren Vorgängern bekommen und unsere Aufgabe ist es, auf ihn aufzupassen und ihn wieder gut an die nächste Generation weiterzugeben“, fasst Wolfgang Schaffer seine Aufgabe zusammen.
Viele Meilensteine
Das „Bauen im Bestand“ habe den 69-Jährigen sein ganzes Berufsleben begleitet. In seiner Zeit als Dombaumeister gab es natürlich einige Höhepunkte: Die Errichtung der Eremitenstube 2009 auf 65 Metern Höhe, die Neugestaltung des Altarraums 2017, „die Anforderungen der Liturgie in Gebautes zu bringen und Kunst und Architektur zu verbinden war eine spannende Geschichte.“
Der „Höhepunkt“ für den Architekten war dann die 2021 fertiggestellte Turmhelm-Sanierung (in rund 135 Metern Höhe), „höher geht es nicht“, schmunzelt er. „Man wird auch gemessen an den Arbeiten, bei der Turmhelmsanierung werde ich oft gefragt, ob das auch wieder 100 Jahre hält.“ Auch die Restaurierung und Digitalisierung (durch Ars Electroncia) der wertvollen Krippe im Dom nennt er als Meilenstein. „Damit wurde sie für die Zukunft dokumentiert und gesichert. Wenn man das in 3D anschaut – so toll kann man die Krippenfiguren eigentlich gar nicht sehen.“
„Man wächst an der Aufgabe“
Was Schaffer seinem Nachfolger Michael Hager weitergeben werde: „Man wächst in die Aufgabe hinein. Am Anfang habe ich mir auch gedacht: 'Ist der groß.' Wenn man am Dachboden geht, ganz alleine, dann hat das eine Mächtigkeit. Oder wenn man auf einer Galerie steht, das zeigt unsere Menschendimension.“
Mit Jahreswechsel wird Architekt Michael Hager übernehmen. Seit elf Jahren führt der 42-Jährige gemeinsam mit seiner Frau das Architekturbüro Moser und Hager Architekten ZT GmbH in Linz und Neuhofen/Krems.
„Keine Last, sondern Chance“
Sein Interesse und die praktische Auseinandersetzung mit Sakralarchitektur reicht in seinem Lebenslauf weit zurück, so durfte er unter anderem die Voestkirche „Treffpunkt Mensch und Arbeit – Seelsorgezentrum Voest“ betreuen und begleiten. Sein Schwerpunkt liegt in der Erhaltung und im Weiterbau. „Es geht mir um die Vielfältigkeit, das gesellschaftliche und soziale Potenzial von historischen Stätten. Es ist mir wichtig, dass geschichtsträchtige Bauten nicht als Last, sondern als große Chance gesehen werden. Bauen im historischen wertvollen Bestand bedeutet verantwortungsvolles und erkenntnisorientiertes Arbeiten, um beim Weiterbauen das Beliebige und das Zufällige zu vermeiden“, so Hager. Ihm sei bei historischen Bauten die Sicht nach hinten, aber mit der Perspektive nach vorne wichtig. Sein Leitgedanke: „Baugeschichte weiterschreiben, nicht umschreiben.“
Vermittlung großgeschrieben
Großes Anliegen sei ihm die baukulturelle Vermittlung, den Dom sieht er hier als Ermöglichungsort. „Der Dom ist Ort der Liturgie, aber nicht nur. Er ist auch Ort innerer Einkehr, Geistes- und Gedankenraum, Kunst- und Kulturraum, Vermittlungsraum, Ort des Austausches.“ Das sei genau die spannende Schnittstelle, freut er sich auf die kommende Herausforderung. 2024 kommt ihm da recht: In diesem Jahr wird 100-jährige Domweihe gefeiert.
Ebenfalls wichtig für ihr: Das Handwerk sichtbar machen, Baustellen nicht als „Verletzung oder Wunde zu sehen, sondern als Kommunikationsfläche, die etwas zeigt und erzählt.“
Handwerk um und auf
Was Schaffer und Hager gleichsam unterstreichen, ist die große Bedeutung der Handwerkskunst. Der Mariendom besitzt als einer der ganz wenigen in Europa eine eigene Dombauhütte – von der Unesco zum „immateriellen Kulturerbe“ erklärt.Unesco zum „immateriellen Kulturerbe“ erklärt.
„Die Dombauhütte ist eigentlich eine permanente Reparier-Werkstätte, die sich nach dem Baualter durch den Dom durcharbeitet“, so Schaffer. „Ich sehe die Handwerker immer gleichberechtigt mit dem Dombaumeister. Wir brauchen – und das ist in dieser Zeit immer schwieriger – Handwerker mit Leib und Seele und Feeling. Der Faktor Zeit ist beim Dom ein wesentlicher. Der Dom hudelt nicht, der ist einfach mit einer Ruhe und Gelassenheit da. Man muss nicht hektisch rennen. Aber er muss gepflegt werden.“
Hager: „Ich bin glücklich und sehr stolz, dass ich auf so einen unglaublichen qualitativen Bestand und eine solche Ressource zurückgreifen kann. Das Handwerk hat einen ganz großen Stellenwert.“
Laufende und kommende Herausforderungen
Unter Schaffer begonnen hat auch die aktuell laufende Restaurierung der großen Gemäldefenster – ein Zehn-Jahres-Projekt. Sein Nachfolger wird dies weiterführen. Schaffer: „Die Glasfenster sind ein Langzeitprojekt, mit vielen Geschichten aus Oberösterreich. Wir sind immer ganz erstaunt, wenn man die von Nahem sieht, was dafür Geschichte und Detail darauf ist. Unser Dom ist eine große Dia-Schau mit Mega-Fenstern.“
Ebenso sind die Altäre und Mosaike im Kapellenkranz zu restaurieren, der ältesten Teil des Mariendoms. Die Dombauhütte arbeitet zudem noch bis Ende 2023 an den Strebepfeilern an der Turmbasis.
Wichtiger Ort der Liturgie und Zentrum für Begegnung
Am Beispiel der Altarraumneugestaltung macht Dompfarrer Maximilian Strasser deutlich, wie wesentlich die Rolle des Dombaumeisters auch für die Liturgie ist. „Hier erleben wir, wie wichtig es für das Feiern ist, wie der Raum ausschaut und wie wir mit dem Raum umgehen. Es fasziniert mich, wie es gelungen ist, in die längsorientierte Wegkirche einen Zentralraum einzubauen.“
Bischofsvikar und Domkustos Johann Hintermaier: „Als der Dom vor rund 160 Jahren gebaut wurde, war das ein Statement und eine Botschaft. Es war sehr mutig, in der damaligen Zeit eine so große Kathedrale zu bauen. Und diesen Mut wünsche ich auch dem neuen Dombaumeister“. Es gehe um eine zukunftsorientierte und sorgsame Pflege des Bauwerkes, mit dem Hintergrund, den Dom nicht zu bearbeiten, sondern mit dem Dom zu arbeiten, mit ihm zu leben und mit ihm die Sakramente zu feiern.
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