Gefahr durch Ablenkung: Handy und Kopfhörer haben am Schulweg nichts verloren
OÖ/LINZ. Schnell das Video ansehen, schnell auf Snapchat oder Whatsapp antworten, schnell aber ist auch etwas passiert: Unachtsamkeit und Ablenkung ist nicht nur bei Schulwegunfällen wesentliche Ursache. Gerade jetzt, wo es zurück an die Schule geht, appelliert der Verkehrsclub ÖAMTC, Handy und Kopfhörer beiseite zu lassen.
Oberösterreich ist trauriger Spitzenreiter in der Statistik der Schulwegunfälle, auch wenn die Zahl erfreulicherweise rückläufig ist. In den letzten fünf Jahren wurden bundesweit 2.277 Kinder auf ihrem Weg zur oder von der Schule verletzt, sechs Kinder kamen ums Leben. In Oberösterreich waren es in diesem Zeitraum 430 verletzte Kinder, zwei Kinder kamen ums Leben. „Die meisten Unfälle sind zu Schulbeginn im September und Oktober zu verzeichnen, sowie im Juni, zwischen 7 und 9 Uhr“, weiß ÖAMTC OÖ-Landesdirektor Harald Großauer.
Unachtsamkeit und Ablenkung als wesentliche Ursache
„Wir haben das Handy mit, in der Hosentasche, es ist stumm geschaltet, weil sonst ständig ein Piepsen kommt, vor allem Snapchat. Da braucht man fünf bis zehn Sekunden zum Zurückschreiben“, erzählen jene fünf Kinder bei einem Besuch beim ÖAMTC-Stützpunkt in Linz, die als Experten zum Thema eingeladen wurden.
Mittlerweile knapp 60 Prozent der Zehn- bis Elf-Jährigen, knapp 80 Prozent der Zwölf- bis 13-Jährigen besitzen ein eigenes Handy.
Laut Unfallstatistik ist durchschnittlich jeder vierte Schulwegunfall auf Unachtsamkeit und Ablenkung einer am Straßenverkehr teilnehmenden Person zurückzuführen. Besonders problematisch ist die steigende Nutzung von Smartphones und Kopfhörern.
„In einer anderen Welt“
„Speziell Kinder unterschätzen die Risiken“, weiß Marion Seidenberger, ÖAMTC-Verkehrspsychologin. „Das Umherblicken, die Beobachtungsmöglichkeiten und das Antizipieren von Verkehrssituationen fallen weg, man sieht nichts außer dem Display. Schüler, die sich aktiv dem Handy widmen, gehen viel langsamer, sind wie eingeloggd, fast roboterhaft. Mit Kopfhörer gehen sie noch etwas langsamer, sie sind in einer anderen Welt, einer Musikblase“, erläutert die Verkehrspsychologin anhand einer durchgeführten Beobachtungsstudie.
Erwachsene sind Vorbilder
Immer müsse auch klar sein: Erwachsene sind Vorbilder, Kinder kopieren ihr Verhalten. Dass diese oft schlechtes Vorbild sind, zeigt eine weitere Beobachtungsstudie des ÖAMTC an innerstädtischen Kreuzungen in Wien: Über 1.600 abgelenkte Verkehrsteilnehmer wurden erfasst, vom Fußgänger über den Fahrrad- und E-Scooter-Fahrer bis zum PKW-Lenker.
Großauer verweist auf einen vom ÖAMTC gemeinsam mit der Landesverkehrsabteilung der Polizei OÖ und mit Unterstützung des Landes OÖ entwickelten Virtual Reality-Fahrsimulator, der bei Elternabenden auf die Gefahr durch Ablenkung am Steuer aufmerksam macht – Tips hat berichtet.
„Vielen ist nicht klar, dass man 28 Meter im Blindflug unterwegs ist, wenn man bei Tempo 50 den Blick für nur zwei Sekunden von der Straße abwendet“, so Großauer.
„Versuchen präventiv zu arbeiten“
Um die Gefahren weiß natürlich auch Oberst Johann Thumfart, stellvertretender Leiter der Landesverkehrsabteilung. „Bei der täglichen Arbeit stellen wir immer wieder fest, dass nicht nur Fahrzeuglenker die Vorschriften hinsichtlich Aufmerksamkeit im Straßenverkehr ignorieren, sondern zunehmend auch Kinder im Volksschulalter mit Handys auf dem Schulweg unterwegs sind.“
Der Schutz der Schwächsten hat besondere Priorität. „Wir verfolgen einen präventiven Ansatz, mit bewusstseinsbildenden Maßnahmen bei der Verkehrserziehung an den Schulen, wo wir das richtige Verhalten trainieren und auch Lehrausgänge machten“, erläutert er.
Richtiges Verhalten üben
Die Experten raten Eltern, mit den Kindern über die Gefahren zu sprechen. Ein praktischer Tipp: Das Handy am Schulweg in die Schultasche und nicht in die Hosentasche. Für Erwachsene: Das Handy auch mal auf Flugmodus oder stumm stellen. Denn nicht nur der Signalton am Smartphone lenkt ab, auch ständig erreichbar zu sein, könne Stress erzeugen und zu höherer Fehleranfälligkeit führen.
Kinder müssen besonders geschützt werden
Der Appell an alle gerade zu Schulbeginn: Kinder müssen im Straßenverkehr besonders geschützt werden, sie haben noch altersbedingte Schwächen, so Seidenberger. „Kinder haben eine längere Reaktionszeit, ein geringeres Gesichtsfeld und sehen Gefahren von der Seite schlechter, die Übersicht aufgrund ihrer Größe fehlt. Sie sind sich Gefahren wie einem Auto in zweiter Reihe nicht bewusst, es fällt noch sehr schwer, ein fahrendes von einem stehenden Auto zu unterscheiden.“
Als Fahrzeuglenker muss man diese Schwächen ausgleichen. „Gerade zu Schulbeginn muss auf die Sicherheit besonders geachtet werden, alle müssen Rücksicht nehmen, im Nahbereich von Schulen ist besondere Vorsicht walten zu lassen“, so Großauer.
Tipps für einen sicheren Schulweg hat der ÖAMTC auch hier zusammengefasst.
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