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Sonderprüfung in SOS-Kinderdorf: „Vorfälle, wie diese, passieren in jeder geschlossenen Einrichtung.“

Tips Logo Baumgartner Anna, 06.11.2025 12:13

OÖ/LINZ. Die jüngsten Enthüllungen haben das Hilfswerk SOS-Kinderdorf in eine Krise gestürzt. Im Zentrum stehen Missbrauchs- und Gewaltvorwürfe. Auch in Altmünster soll es zu Übergriffen gekommen sein. Kinder- und Jugendschutz-Landesrat Martin Winkler (SPÖ) hat aus diesem Grund eine umfassende Vor-Ort-Sonderprüfung aller Standorte in Oberösterreich in Auftrag gegeben. Vorfälle, wie diese, würden in jeder geschlossenen Einrichtung passieren, so Udo Jesionek, Honorarprofessor an der JKU Linz.

Wichtig sei vor allem auch die regelmäßige Kontrolle und die Möglichkeit, dass Kinder sich aussprechen können, so Udo Jesionek, ehemaliger Präsident des Weißen Ring. (Foto: Screenshot Homepage SOS Kinderdorf)

„Die in den letzten Wochen bekannt gewordenen Vorfälle im SOS-Kinderdorf machen uns alle tief betroffen. Die jüngsten Medienberichte, die auch oberösterreichische Einrichtungen betreffen, verlangen von uns zusätzliche Vorsorgehandlungen. Wir müssen uns sicher sein, dass alle uns anvertrauten Kinder in einer geborgenen und sicheren Umgebung leben können“, so Kinder- und Jugendschutz-Landesrat Martin Winkler (SPÖ). 

Er habe der Kinder- und Jugendhilfe den Auftrag gegeben, eine zusätzliche Vor-Ort-Sonderprüfung an allen Standorten von SOS-Kinderdorf Oberösterreich durchzuführen.

Auf Anordnung der Oberstaatsanwaltschaft Linz hat die für Altmünster zuständige Staatsanwaltschaft Wels nun Ermittlungen eingeleitet, wie aus einem Bericht der OÖN hervorgeht.

Mehr lesen: Landesrat Winkler beauftragt Sonderprüfung zu SOS Kinderdorf.

Das Wichtigste sei Kontrolle, so Udo Jesionek, unter anderem ehemaliger Präsident des Jugendgerichtshofes Wien, langjähriger Präsident der Verbrechensopferhilfeorganisation Weißer Ring und Honorarprofessor für Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Johannes Kepler Universität Linz.

Geschlossene Einrichtungen bergen Risiko

Vorfälle, wie die, die nun bekannt wurden, würden in jeder geschlossenen Einrichtung, auch in den Kinderdörfern, passieren, so Jesionek im Gespräch mit Tips.

Man solle nicht generalisieren, es gebe viele Kinder in den Kinderdörfern, denen nichts passiere, die in guten Familien aufgewachsen würden, ein paar seien halt schlecht.

Mehr lesen: Leserbrief: Meine zweite Chance – ein Dank an das SOS-Kinderdorf.

„Sehr gut ist jetzt, dass es ans Licht kommt und dass es publik ist. Ich glaube,dass dadurch gewisse Potenzialtäter abgeschreckt werden, weil sie jetzt wissen, es wird nicht unter den Tisch gekehrt. Und man kommt drauf“, so der Jurist.

„Kinder sollen aussprechen können“

Wichtig sei vor allem auch die regelmäßige Kontrolle und die Möglichkeit, dass Kinder aussprechen können. „Das heißt, es ist wichtig, dass in jeder geschlossenen Einrichtung von Zeit zu Zeit jemand kommt, der mit den Kindern redet, unter Verschwiegenheitspflicht, und dass die Kinder sich ausdrücken können“, erklärt Jesionek im Gespräch mit Tips.

Neben diesen historischen Fällen sorgt auch ein aktuellerer Komplex für Empörung: Ein Großspender, der in den Medien unter den Initialen F. B. genannt wird, soll trotz bekannter pädophiler Neigungen Zugang zu Kindern erhalten haben. Ihm seien sogar Kinder anvertraut worden – teils im Rahmen von Auslandsprojekten, etwa in Nepal –, obwohl Verantwortliche innerhalb der Organisation über seine Neigungen informiert gewesen sein sollen, so eine Recherche des Falter. 

„Völlig untragbar ist es natürlich, dass man Großspender mit Kindern konfrontiert. Ich habe mit einer Mitarbeiterin vom Kinderdorf gesprochen. Die hat mir gesagt, dass selbst an sie herangetragen wurde, der Wunsch von Spendern, mit Kindern allein zu sein. Das ist natürlich überhaupt nicht möglich. Das ist total zu verwerfen. Aber das andere ist die Frage der Erzieher in den Kinderheimen selber. Man muss schauen, dass man ordentliche Leute aussucht. Vor allem die regelmäßige Kontrolle ist wichtig und die Möglichkeit, dass Kinder sich aussprechen können“, so Jesionek.

„Strafmaß erhöhen bringt nichts“

Das einzige, was etwas bringe, sei das Risiko, erwischt zu werden, so der langjährige Präsident der Verbrechensopferhilfeorganisation Weißer Ring.

„Das Strafmaß zu erhöhen, bringt nichts. Also wenn ich den Drang habe, ein Kind zu missbrauchen, ist es egal, was für Strafen drohen. Vor allem, wenn ich einigermaßen sicher bin, dass mir nichts geschieht. Also bei allen Suchtdelikten oder anderen Delikten, die Strafe zu erhöhen, bringt präventiv gar nichts. Wichtig ist natürlich, dass die Leute, wenn sie wirklich gefährlich sind, dann wegkommen, in psychische Einrichtungen oder Maßnahmenvollzug ansetzen.“

SOS-Kinderdorf reagierte mit der Ankündigung umfassender Aufarbeitung, interner Untersuchungen, Transparenz und personeller Konsequenzen. Dennoch bleibt das Vertrauen in die Organisation schwer erschüttert. 


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