Kaineder: „Es gibt zwei Wege aus einer Wirtschaftskrise“
OÖ. Im Interview mit Tips sprach Landesrat Stefan Kaineder neben zentralen Wahlkampfthemen auch darüber, warum es in der kommenden Regierung eine grüne Mitwirkung brauche und wofür der grüne Spitzenkandidat besonders brennt.
Tips: Im kommenden Herbst sind Landtagswahlen. Wie sieht hier der Fahrplan aus Ihrer Sicht aus? Welche Themen stehen für die Grünen im Vordergrund?
Stefan Kaineder: Wir werden die nächsten dreieinhalb Monate nützen, um leidenschaftlich dafür zu kämpfen, dass der Klimaschutz in der nächsten Periode erste Priorität für diese nächste Landesregierung bekommt. Das ist heute wichtiger denn je. Die Erde erhitzt sich und es ist an der Zeit, dass wir diese Klimakrise mutig und entschlossen bekämpfen. In den letzten sechs Jahren hat Oberösterreich da sehr viel Zeit verloren aufgrund der Schwarz-Blauen Koalition. Sie hat die Klimaziele für OÖ nicht verschärft, sondern abgeschwächt. Am Ende muss sich die nächste Regierung darum kümmern, dass dieses Land klimaneutral wird.
Tips: Zu Zeiten von Rudi Anschober gab es zwei Themen, für die er gebrannt hat: Asyl und der Bienenschutz. Gibt es einen Bereich, für den Sie besonders brennen?
Kaineder: Ja, das ist der Bodenschutz. Das Thema, wofür ich wirklich brenne, ist die Frage: Wo wächst denn unser Essen im Land der Äcker, wenn wir jetzt alles zubetonieren? Wir wissen, dass wir ein riesiges Problem mit dem Flächenverbrauch haben. Es entsteht an jedem Kreisverkehr ein Supermarkt und riesige Parkplatzflächen. Da ist so viel Beton im Spiel, dass uns die fruchtbarsten Äcker verbaut werden. Und es gibt keinen politischen Willen, das zu unterbinden. Wir haben eine Raumordnungsnovelle in OÖ verhandelt, die zahnlos ist und die dem eben nicht Einhalt gebieten kann. Und ich glaube, dass die Menschen schon verstanden haben, dass man mit mehr Beton und mehr Asphalt nicht aus der Krise rauskommt, sondern es genau in die andere Richtung gehen muss. Wir müssen dafür sorgen, dass die Biodiversität geschützt wird, dass unsere Natur, unsere Heimat OÖ ein lebenswerter Naturraum bleibt.
Tips: Zum Thema Landwirtschaft und Natur: Speziell Rinder produzieren sehr viel CO2. Auf der anderen Seite sind wir aber landwirtschaftlich gesegnet. Was hat Priorität? Sollte man nicht die Regionalität – und natürlich auch die Rinderbauern – stützen oder ist der CO2-Ausstoß wichtiger?
Kaineder: Die Landwirtschaft kann nur Partnerin beim Weg zur Klimaneutralität sein. Aus meiner Sicht müssen wir stark fördern, dass die Bäuerinnen und Bauern auf biologische Landwirtschaft umstellen. Daran müssen wir in der Politik arbeiten. Die eigentliche Priorität ist eine andere: Es gibt zwei Wege aus einer Wirtschaftskrise. Der eine ist, mehr Beton, mehr Asphalt und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Das haben wir im letzten Jahrhundert ein paar Mal gemacht, das macht uns den Planeten kaputt. Wir würden einen grünen Weg gehen, nämlich mit dem Klimaschutz Arbeitsplätze schaffen. Wie geht das? Wir leben in einem Industrie-Bundesland. Das heißt, die energieintensive Industrie, die Stahl-, die Glas-, die Zement-, die Papier-, die Aluminium-Produktion, das alles gibt es in Oberösterreich. Die müssen wir klimaneutral machen. Das ist eine riesige Herausforderung, vor der wir stehen. Das Schöne ist, die Betriebe sind so weit. Ich habe die Vorstandsetagen der großen Betriebe besucht. Was die jetzt brauchen, ist eine Zukunftsregierung im Landhaus, die mit ihnen diesen Weg geht, die die Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung stellt.
Tips: Jetzt ist das Wort Klimaneutralität schon gefallen. Der von den Grünen – auf Initiative der Klima-Allianz – eingebrachte Antrag auf Klimaneutralität bis 2040 wurde von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt. Was sagen Sie zu der Entscheidung?
Kaineder: Mir ist wieder klargeworden, wie wichtig es ist, dass wir stärker werden. Letztlich sind die Grünen der Garant dafür, dass diese Klimaneutralität passiert. Wir werden das nicht alleine machen können, das wird in einer Koalition passieren, aber am Ende ist das große Ziel, dass wir mit dem Land in die Zukunft und Richtung Klimaneutralität marschieren. Ich glaube nicht nur, dass es notwendig ist, damit wir unseren Kindern einen funktionierenden Planeten übergeben können. Ich glaube auch, es ist eine Riesenchance, unseren Kindern eine funktionierende Wirtschaft zu übergeben. Denn wenn sich die ganze Welt Richtung Klimaneutralität aufmacht, dann muss irgendwo die Technologie dafür zuerst erfunden werden. Gerade bei diesen energieintensiven Prozessen.Und wenn wir da die Ersten sind, dann haben wir den Vorteil. Bei der Digitalisierung haben wir das in Europa ein bisschen verschlafen. Da läuft jetzt 85 Prozent der weltweiten Wertschöpfung in einem kleinen Teil der Vereinigten Staaten von Amerika, nämlich im Silicon Valley in Kalifornien. Bei der Klimaneutralität muss uns das gelingen.
Tips: Jetzt gibt es ja den Beschluss der Energiestrategie „Energie-Leitregion OÖ 2050“. Sind diese zehn Jahre zwischen 2040 und 2050 wirklich der Knackpunkt?
Kaineder: Ich glaube, dass es den Unterschied macht zwischen wir sind an der Technologiespitze und verkaufen weltweit Technologieprodukte oder wir kaufen diese Produkte zu und verlieren Geld. Das ist der Unterschied dieser zehn Jahre. Und das Spannende ist schon, diese Energie-Leitregion 2050 ist das abgeschwächte Energie-Konzept des Landes, das 2017 unter Schwarz-Blau gemacht wurde. Davor, unter Schwarz-Grün, hatten wir eines der ambitioniertesten Energiewendeprogramme Europas. Diese Ziele hat Schwarz-Blau massiv abgeschwächt und das können wir uns schlicht nicht leisten, dass wir hier Tempo verlieren. In einer Zeit, wo jede Region der Welt die Klimaziele verschärft, hat OÖ zwei Schritte zurück gemacht. Und das ist eine verdammt schlechte Nachricht für das Land. Und ich glaube, dass es eine nächste Regierung braucht, die sich die alten Ziele mindestens wieder vornimmt. Und vielleicht schaffen wir es sogar, noch einen Zahn zuzulegen und dieses „First-Mover-Advantage“. Diese Vorteile der ersten Bewegung, der Marktführer- und Techologieführerschaft, wenn wir das ausnützen können, dann sichern wir nicht nur Wohlstand, sondern schaffen neuen Wohlstand. Und das muss das Ziel sein.
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