Fachkräftemangel durch "bessere Willkommenskultur" begegnen
OÖ/LINZ. „Standort stärken – Lebensqualität sichern“: Unter diesem Motto beging die OÖVP am Montag in Linz ihren wirtschaftspolitischen Jahresauftakt 2024. Die Wirtschaftsexperten vor Ort waren sich einig: Vor allem um die nötigen Fachkräfte aus dem Ausland nach Oberösterreich zu ziehen, sei eine bessere Willkommenskultur nötig. Aber auch die Themen Digitalisierung und Forschung sowie Energie sind weiter große Themen.
„Die Zeiten sind sehr herausfordernd, Oberösterreich hat 2023 mit einem Minus beim Wachstum abgeschlossen, auch die Erwartungen sind mit nur einem leichten Plus überschaubar. Wir wollen aber Wirtschaftsmotor bleiben“, so OÖVP-Chef, Landeshauptmann Thomas Stelzer. „Auch ohne internationale Verwerfungen stehen wir als Industriestandort vor der Riesen-Challenge der Transformation.“
„Nur mäßige Wachstumsaussichten, dazu Hinweise auf strukturelle Wettbewerbsnachteile in Europa wirken sich natürlich auch auf Oberösterreich aus, wir sehen aber gute Chancen für Oberösterreich, haben Zuversicht“, ergänzt OÖVP-Landesgeschäftsführer Florian Hiegelsberger.
Wirtschaft in „Seitwärts-Bewegung“
Nicht nur die österreichische, die europäische Wirtschaft hat 2023 stagniert, etwas an Fahrt werde sie 2024 wieder aufnehmen, wenn auch nur gering, sieht Holger Bonin, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) eine „Seitwärts-Bewegung“. Hinter den USA und Asien werde die Dynamik allerdings deutlich zurückliegen.
Der kommende Konjunkturaufschwung werde zudem stark vom privaten Konsum getragen, vom Export hingegen gebe es nur schwache Impulse. Daher brauche es „gut koordinierte Förderung von Forschung und Entwicklung auf allen Ebenen, Investitionen in die Infrastruktur, passende Bildung und Mobilitätspolitik zur Überwindung von Fachkräfteengpässen und attraktive lokale Produktions- und Investitionsbedingungen für Unternehmen“.
Zentral: Arbeitskräfte-Sicherung und Gewinnung
Bis 2030 würde am Standort Oberösterreich laut Arbeitskräfte-Monitor die Arbeitskräfte-Lücke von aktuell 94.000 unbesetzten Stellen auf 172.000 vergrößert, wenn keine Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Daher werde Oberösterreich 2024 wieder einen Schwerpunkt auf Weiterbildung und Qualifizierung setzen, so Stelzer.
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Es brauche aber auch österreichweite Initiativen, um bestehende Potenziale zu heben: bei Frauen in Teilzeitbeschäftigung und bei Migranten. „Wir investieren 2024 deutlich in den Ausbau der Kinderbetreuung“, verweist Stelzer auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ebenso brauche es aber stärkere nationale Programme zur Fachkräftegewinnung aus dem Ausland, die Verbesserung der Rot-Weiß-Rot-Karte sei ein vielversprechender Schritt. „Wir fordern aber auch mehr Anreize vom Bund, damit sich Vollzeit-Arbeit auszahlt.“
„Bessere Willkommenskultur nötig“
Sok-Kheng Taing, Mitbegründerin des Linzer Vorzeige-Technologie-Unternehmens Dynatrace und Expertin für Standort-Internationalisierung und -Attraktivierung, weiß, worauf es ankommt. „Diversität macht uns stärker.“ Es brauche daher einen Schulterschluss zwischen Unternehmen, Politik und Bevölkerung, damit Österreich noch attraktiver für internationale Fachkräfte werde. „Es braucht eine gute Willkommenskultur.“ Fachkräfte würden oft mit der Familie kommen – daher brauche es gute Kinderbetreuung, gute Schulen, Infrastruktur und Bedingungen, die die Integration erleichtern, verweist sie etwa auf die Sprache Englisch, die „auch in Oberösterreich zur Selbstverständlichkeit – bei allen Amtswegen, in der Straßenbahn, in öffentlichen Einrichtungen – werden muss“.
Mehr FH-Plätze für Oberösterreich gefordert
Um beim Thema Digitalisierung und Forschung nicht das Nachsehen zu haben, sei eine spürbare Aufstockung der Fachhochschul-Plätze in Oberösterreich nötig. Eine neue Chance eröffnete die neue Digitalisierungs-Uni IT:U, die sich im Aufbau befindet, ist Stelzer überzeugt.
Energie: Gas als Brücken-Technologie sichern
Oberösterreich benötigt laut Statistik Austria am meisten Erdgas in Österreich, 79 Prozent davon für die industrielle Produktion. „Der Umstieg auf Erneuerbare geht stetig voran, zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft muss aber zur Überbrückung trotzdem weiter Gas strömen.“ Gerade vor diesem Hintergrund sei die Finanzierung der geplanten zweiten Gas-Pipeline „WAG Loop 1“ zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden sicherzustellen, nimmt er den Bund in die Pflicht, langfristig auch für den Transport von Wasserstoff.
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Angesichts des Strompreises dürften höhere Preise in Österreich – auch im Vergleich zum Nachbar Deutschland nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen. „Wenn es dort weitere Unterstützung gibt, muss es auch bei uns eine geben.“
Im Wahljahr: „Keine unüberlegten Wahlzuckerl“
Stelzer Appell an „alle politischen Kräfte“ angesichts des heurigen Groß-Wahljahres: Große Themen und notwendige Reformen weiter vorantreiben, auf „teure, unüberlegte Wahlzuckerl“ verzichten.
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