Sichere Probezeit, Zuschuss für Unternehmen: Wie Inklusion am Arbeitsplatz in Oberösterreich besser gelingen soll
OÖ/LINZ. Land OÖ und Wirtschaftskammer (WK) OÖ wollen Menschen mit Beeinträchtigung besser in den 1. Arbeitsmarkt bringen. Dazu werden gemeinsam neue Angebote geschaffen: ein Arbeitskräfteüberlassungs-Modell, ein Inklusionszuschuss für Unternehmen, ein Service-Center für Unternehmen und auch eine gebündelte Beratungsstelle für Angehörige und Betroffene.
Die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Arbeitsmarkt birgt vielfältige Chancen für die Betroffenen und für die Wirtschaft. Daher haben das Land OÖ und die WKOÖ 2023 den Beteiligungsprozess „Inklusion und Arbeit“ gestartet. Am Montag wurden im Linzer Landhaus konkrete Maßnahmen vorgestellt, von Landeshauptmann Thomas Stelzer, Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (beide ÖVP) und WKOÖ-Vizepräsidentin Angelika Sery-Froschauer.
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Sicherheit geben und motivieren
Unternehmen sollen motiviert werden, Menschen mit Beeinträchtigungen einen Arbeitsplatz zu bieten. Sowohl Menschen mit Beeinträchtigung als auch Unternehmen wolle man mit den Maßnahmen Sicherheit geben, für den Fall, dass die Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt nicht funktioniert, so Landeshauptmann Stelzer. „Ich bin sehr froh, dass wir heute Schritte zur Umsetzung präsentieren können. Denn Arbeit unter Kollegen ist sinnstiftend, bringt Freude, vermittelt Wertschätzung und trägt auch zum Einkommen bei.“ Stelzer sieht ein „spürbares Signal, dass wir es ernst meinen mit Miteinander und Inklusion.“
Aktuell beziehen in Oberösterreich 6.727 Beeinträchtigte Leistungen nach dem Chancengleichheitsgesetz im Bereich Arbeit (fähigkeitsorientierte Aktivität, geschützte Arbeit, beruflicher Qualifizierung). Der Prozess „Inklusion und Arbeit“ verfolge laut Sozial-Landesrat Hattmannsdorfer zwei Ziele: Den Anteil jener, die in integrativer Beschäftigung sind, zu erhöhen, und zweitens mehr Menschen in den 1. Arbeitsmarkt zu bringen.
Vier konkrete Neuerungen
Grundlage für die erarbeiteten Maßnahmen war eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien sowie ein darauf aufgebauter Beteiligungsprozess in Oberösterreich, gemeinsam mit WKOÖ, AMS und dem Sozialministeriumsservice. Rund 250 Personen waren beteiligt. „Daraus haben sich sechs Handlungsfelder mit insgesamt 25 Maßnahmen ergeben“, erläutert Hattmannsdorfer, „von verwaltungstechnischen Maßnahmen bis zu vier ganz neuen Angebote für Chancengleichheit.“
Neu geschaffen werden
- Ein Beschäftigungsmodell der „Arbeitskräfteüberlassung Inklusiv“ als sichere „Probezeit“ ohne Risiko für die Betroffenen und Unternehmen: Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten dabei für maximal ein Jahr direkt in einem Betrieb – mit dem Ziel der anschließenden Übernahme. Hattmannsdorfer: „Wir werden heuer im Herbst mit der Umsetzung beginnen, zuerst mit 20 Personen in der Überlassung, im Vollausbau im nächsten Jahr mit 50 Personen (Pilotphase) und dann mit dem Ziel, 50 weiterer Personen jährlich.“ Die Entlohnung erfolge nach Anwendung des Kollektivertrags.
- Ein eigener Oö. Inklusionszuschuss für Unternehmen zu den Lohnkosten, als Anreiz Menschen mit Beeinträchtigungen direkt im Betrieb, am 1. Arbeitsmarkt anzustellen; Dauer: befristet auf ein Jahr, Verlängerung möglich; die genaue Ausgestaltung werde aktuell mit dem Sozialministerium finalisiert. Geplanter Start ist ebenfalls im Herbst 2024.
- Ein Service-Center für Unternehmen, betrieben vom Land OÖ gemeinsam mit dem Sozialministeriumsservice. Das Center soll als zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Unternehmen dienen. „Das Center hat aber vor allem auch eine Akquise-Aufgabe, die Aufgabe gezielt auf Betriebe zuzugehen, zu begeistern, auch mit Best-Practice-Beispielen“, nennt Hattmannsdorfer etwa das Unternehmen Kellner & Kunz in Wels.
- Eine Oö. Inklusionsberatung als Anlaufstelle für Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Angehörigen mit der Bündelung aller Angebote; unter den Aufgaben ist auch, zu begleiten und zu ermutigen, Potenziale und Fähigkeiten zu erkennen und passende Stellen am 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln sowie in Betrieben einzuschulen.
„Potenzial und Stärken fördern“
WKOÖ-Vizepräsidentin Angelika Sery-Froschauer sieht die Wirtschaftskammer OÖ als „Brückenbauer zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und Unternehmen.“ Es gehe vor allem auch darum, jene Stärken zu fördern und herauszuarbeiten, die für Betriebe eine Bereicherung sind. „Menschen mit Autismus haben Schwächen, können aber vielleicht unglaublich strategisch arbeiten. Gehörlose Menschen lassen sich durch Lärm kaum aus der Ruhe bringen. Wir wissen aus Erfahrungsberichten von Unternehmen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen sehr positiv zum Betriebsklima beitragen.“
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SPÖ begrüßt Initiative
SPÖ Oberösterreich-Sozialsprecherin, Klubvorsitzende Sabine Engleitner-Neu, begrüßt in einer Aussendung „jede Initiative, die mehr beeinträchtigten Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht“. Gleichzeitig sieht sie im neuen Inklusionszuschuss eine „Belohnung“ für Betriebe, die teils der bestehenden Beschäftigungspflicht nicht nachkämen und Ausgleichstaxe zahlen müssten.
Hintergrund: Unternehmen ab 25 Beschäftigten müssen eine Person mit „begünstigter Behinderung“ (mindestens 50 Grad Behinderung) beschäftigen. Wird der Beschäftigungspflicht nicht nachgekommen, ist eine monatliche Ausgleichstaxe abhängig von der Größe des Betriebs zu zahlen (aktuell 320 bis 477 Euro).
26 Prozent der Unternehmen ab 25 Beschäftigten erfüllten mit Stand Ende 2022 in Oberösterreich die Beschäftigungspflicht. Eine Forderung aus Oberösterreich dazu an den Bund: Auch die Beschäftigungsformen der integrativen Beschäftigung auf die Ausgleichstaxe anzurechnen.
Grüne: Mehr inklusive Ausbildungsangebote schaffen
Die Grüne Arbeitsmarkt- und Behindertensprecherin Ulrike Schwarz verweist zum Thema auch auf die Notwendigkeit, den Fokus auf Bildung und Ausbildung Betroffener zu legen. „Wir brauchen erstens mehr inklusive Ausbildungsangebote nicht nur in der Lehre, sondern auch in den Berufsbildenden Schulen. Bedarfsorientiert, mit entsprechender Ausstattung und geschultem Personal. So können wir die Jobchancen für Menschen mit Behinderung weiter erhöhen.“
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