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Sternenkinder: Wenn das größte Glück im Bauch wächst, aber nicht verweilen darf

Olivia Lentschig, 09.10.2024 09:46

NAARN. Sternenkinder - ein wunderschöner Begriff, der doch viel Traurigkeit in sich trägt. Als Sternenkinder werden Babys bezeichnet, die noch während der Schwangerschaft, bei oder kurz nach der Geburt versterben. Für alle Beteiligten ist dieses Schicksal geprägt von Trauer und Schmerz. Als Trauerbegleiterin begleitet Beatrix Buchinger aus Naarn Eltern nach Fehlgeburten und Kindstod. Motivation für diese Aufgabe war das eigene Schicksal.

  1 / 3   Ein Ritual zum „Himmelsgeburtstag“ kann der gesamten Familie Trost sein. (Foto: stock.adobe.com/marina)

Mit Gatte und Kindern lebt die 45-Jährige in Au/Donau. „Zwei Kinder an der Hand und Oliver fest in meinem Herzen“, so erklärt die Leiterin vom Teddyhaus Linz (Herzkinder Österreich) ihre Familie. Selbst betroffen von dem unsagbar schweren Verlust eines Kindes, ist sie dank unzähliger Ausbildungen auch in der psychosozialen Beratung, der Betreuung von verwaisten Eltern und in der Aufklärungsarbeit tätig.

Dem Auge fern, dem Herzen nah

Am „Tag der Sternenkinder“ wird alljährlich am 15. Oktober derjenigen Kinder und Familien gedacht, die sich zu früh voneinander verabschieden mussten. „Ein schönes Ritual, dennoch darf dieses Thema in unserer Gesellschaft noch viel mehr Platz haben“, so Beatrix Buchinger, „denn leider passiert es zu oft, dass ein Kind verstirbt.“

Die Frage, die sie sich oft stellt ist auch: Wer ist ein Sternenkind? „Natürlich gibt es da eine genaue Definition dafür, doch was ist mit den Eltern, die ihr Kind zu einem späteren Zeitpunkt verloren haben? Für mich sind Sternenkinder all jene Kinder, die bei den Sternen wohnen“, so die Naarnerin.

Tips: Seit wann sind Sie als Trauerbegleiterin tätig, welche Motivation steckt dahinter?

Beatrix Buchinger: Die Ausbildung zur Trauerbegleiterin habe ich schon vor einigen Jahren gemacht. Seit 2016 mache ich die Trauerbegleitung beim Verein Herzkinder Österreich und seit 2023 bin ich selbstständige Trauerbegleiterin. Wie so oft steckt die eigene Geschichte als Motivation dahinter. Leider weiß ich ganz genau wie es Eltern und Familie nach solch einem Verlust geht. Im Sommer 2011 stand für mich, meine gesamte Familie und alle Freunde die Welt plötzlich still. Unser Sonnenschein Oliver hat entschieden, seinen Weg zu den Engeln anzutreten. Auf einen Schlag war nichts mehr, wie es einmal war. Es lag ein Scherbenhaufen voller Träume vor unseren Füßen. Gefühle und Emotionen spielten alle Farben und ich fühlte mich, als hätte ich meinen eigenen Körper verlassen. Doch wir kämpften uns als Familie wieder in das Leben zurück, denn wir entschieden uns für das Leben! Es war ein harter Weg mit vielen Tiefen, doch hoffnungsvollerweise waren auch immer wieder ein paar Höhen mit dabei. Leider passiert es immer wieder, dass ein Erdenkind uns viel zu früh verlässt und zu einem Sternenkind wird, wie unser Oliver. Wir sind sehr dankbar, dass wir ihn 14 Monate bei uns hatten und ihn ein Stück seines Weges begleiten durften! Jeder Augenblick und jeder Moment mit ihm war ein großes Geschenk.

Tips: Welche Funktion übernimmt eine Trauerbegleiterin?

Beatrix Buchinger: Jede Trauerbegleitung ist anders, teilweise darf ich die Familien begleiten, beim Versterben des Kindes und beim Abschiednehmen. Ich unterstütze die Eltern auch mit der Frage, wo und wie das Sternenkind bestattet werden soll. Die Eltern werden teilweise in den KH zwar Informiert, doch zu diesem Zeitpunkt haben die Eltern gar keinen Kopf für diese Infos und man darf sich dafür Zeit nehmen, sich alles zu überlegen. Ich hatte vor Corona eine Trauergruppe für verwaiste Eltern/Sternenkindeltern. Es ist wichtig, einen Austausch zu haben mit anderen Betroffenen. Gespräche mit mir allein als Mama oder Papa oder als Paar gemeinsam sind auch sehr wichtig. Einfach darüber zu reden. Die Geschwisterkinder darf man auch nie vergessen, denn sie haben auch ihr kleines Geschwisterchen verloren. Hier hilft eine Trauerbegleitung auch bei den Betroffenen zuhause, wo vielleicht eventuell auch die Großeltern dabei sein können.

Tips: Seit Kurzem sind Sie auch zertifizierte Seelensport®Trainerin. Was versteht man darunter?

Beatrix Buchinger: Beim SeelenSport® liegt das Hauptaugenmerk auf den Gefühlen und Emotionen, diese zu erkennen und auch zeigen dürfen. Leider ist es in unserer Gesellschaft üblich, keine Tränen zu zeigen bzw. nicht zu zeigen, wie es einem wirklich geht. Wenn man aber immer eine Maske im Gesicht trägt, werden sich die aufgestauten Gefühle und Emotionen anderswo im Körper zeigen. Mit dem SeelenSport® bringt man die Trauer in Bewegung und alle Gefühle und Emotionen, die da sind, dürfen sein. Es ist ein gefühlsgerichtetes Bewegungskonzept, das darauf abzielt, Training und Gefühle zu verbinden, um den Körper in seiner Gesamtheit zu stärken. Die Übungen werden mit dem eigenen Körpergewicht durchgeführt, bringen dem Trauernden seiner Gefühlswelt näher und kräftigen gleichzeitig dessen Muskulatur. Durch die Verknüpfung positiver Affirmationsgeschichten in der Bewegung lernt der Trauernde einen gesunden Umgang mit den Gefühlen, auch im Alltag! Der SeelenSport® richtet sich auch an Menschen, die täglich stressigen Situationen ausgeliefert sind, denn bei diesen sind oftmals ebenso intensivere Gefühlswahrnehmungen zu spüren. Jeder Mensch hat Gefühle, doch kaum einer weiß, damit umzugehen. Alle Gefühle haben ihre Berechtigung! Sie wollen gefühlt und ausgedrückt werden, nicht unterdrückt und verdrängt!

Tips: Wie kann man als Außenstehender für die trauernde Familie Stütze sein? Oft dominiert die Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun……

Beatrix Buchinger: Einfach da zu sein, ist schon mal richtig. Solange man keine Floskeln sagt wie „Das wird schon wieder“, „Hast eh noch ein Kind“, „Vielleicht wäre es sehr krank gewesen“, „Bist ja noch jung, könnt's ja noch Kinder kriegen“..... ist alles richtig. Man kann sich nach dem Empfinden erkundigen - aber nur, wenn man es wirklich wissen möchte. Ich frage mittlerweile immer sehr bewusst noch ein zweites Mal nach, denn oft behaupten Betroffene, es gehe ihnen gut. Am besten verhält man sich wie sonst auch immer, auch wenn es schwerfällt. Kleine Gesten, wie etwa dem Sternenkind mit einer Kerze zu gedenken und dies den Eltern auch mitzuteilen, kann Wertschätzung und Teilnahme vermitteln.

Tips: Gibt es etwas, dass Sie trauernden Sternenkind-Eltern gerne mitgeben möchten?

Beatrix Buchinger: Jeder Trauerweg ist anders. Holt euch Unterstützung - aus eigener Erfahrung weiß ich, wie gut es tut, mit außenstehenden Personen darüber zu reden. Nehmt euch die Zeit und den Raum, den ihr braucht. Weint, wenn es euch danach ist. Trauer kann man nicht wegschieben, man muss mit ihr leben lernen, sie in Bewegung bringen und in das Leben integrieren. Außerdem ist es wichtig und hilfreich, dem Kind einen Namen zu geben.

Kontaktdaten Beatrix Buchinger
Tel.: 0660 5808051
E-Mail: info@trauerzeitraum.at
www.trauerzeitraum.at
Facebook, Instagram und Linked: unter Trauerzeitraum zu finden
Weitere Hilfsangebote für Betroffene
• www.mein-sternenkind.net • www.rainbows.at • www.seelensport.at • www.krisenhilfeooe.at • Trauerbegleitung der Diözesen • zertifizierte Trauerbegleiter • Gedenkandachten und Gottesdienste (z.B. im Linzer Dom am 7.12. um 16 Uhr) • Gedenkstätten für Sternenkinder

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