„Jeder, der sich impfen lassen kann, hat auch eine Verantwortung“
RIED. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass sich bei Virusvarianten, 3G oder 2G, Impfverweigerern und Impfquoten kaum noch jemand auskennt. Tips sprach mit dem Ärztlichen Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Ried, Johannes Huber, über den aktuellen Wissensstand.
Tips:Wie gefährlich ist Delta? Ist es in Österreich schon die dominierende Variante?
Huber: Die Delta-Variante ist ansteckender, allerdings beobachten wir Gott sei Dank keine steigenden Patient*innenzahlen im Krankenhaus. Laut Info aus unserem Labor ist die Delta-Variante bereits die häufigste. Da nun die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist, und viele durch die durchgemachte Erkrankung immun sind, ist der Infektionsverlauf derzeit langsamer als vor den letzten Wellen.
Tips:In den letzten Wochen ist die Zahl der Infizierten (beziehungsweise positiv Getesteten) wieder gestiegen, aber die Zahl der Intensivpatienten und Todesfälle kaum. Ist das auf die Impfungen zurückzuführen?
Huber: Einerseits auf die Impfung, andererseits auch darauf, dass es zunehmend jüngere Menschen trifft, die Covid-19 etwas leichter wegstecken. Die Symptome der Erkrankung sind die gleichen.
Tips:Gibt es Unterschiede in der Wirksamkeit bei den Impfstoffen?
Huber: Aus meiner persönlichen Beobachtung nicht. Für eine fundierte Aussage braucht es noch Studien.
Tips:Wie wahrscheinlich ist es, dass bei uns in Europa eine Epsilon-Variante entsteht, wenn die Impfquoten nicht bald steigen?
Huber: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist sie bereits im Anflug.
Tips:Kann man davon ausgehen, dass mit Sicherheit in den nächsten ein oder zwei Jahren eine Mutante aus irgendeiner Weltgegend daherkommt, in der kaum geimpft wurde?
Huber: Grundsätzlich ja, wobei ich nach wie vor überzeugt bin, dass laufend immer mehr Menschen geimpft werden und somit die Pandemie auch wieder endet.
Tips:Derzeit haben nicht einmal 50 Prozent der Bevölkerung den kompletten Impfschutz, manche Virologen rechnen mit einer vierten Welle im Herbst. Was kann man tun, um mehr Leute dazu zu bewegen, sich impfen zu lassen?
Huber: Das geht nur mit Aufklärung und vielen Gesprächen. Hilfreich sind auch alternative Impfangebote, wie zum Beispiel in der Weberzeile oder die Impfbusse.
Tips:Müsste die Regierung nicht ihre Informationskampagne umstellen und sich – auch mit medizinischer Aufklärung – mehr an die jungen Leute wenden? Bisher ging es ja fast nur um die Älteren.
Huber: Das läuft ja bereits, aber es gehört halt intensiviert.
Tips:In den „sozialen“ Medien werden die seltsamsten Theorien über das angeblich „ungefährliche“ Virus und die angeblich „gefährliche“ Impfung verbreitet. Was sagen Sie als Arzt dazu? Woher kommt dieses Misstrauen gegenüber der Wissenschaft?
Huber: Persönlich glaube ich, dass alle coronamüde sind und sich somit nur noch negative Meldungen durchsetzen, weil alles andere schon so oft gesagt wurde. Die Ärzteschaft wird aber nicht müde, gegen die Fake News anzukämpfen.
Tips:Impfgegner stellen gerne die Frage: „Warum soll ich mich impfen lassen, wenn eh die meisten anderen geimpft sind?“
Huber: Weil das nur in einem sehr geringen Prozentsatz stimmt, nämlich erst wenn 90 bis 95 Prozent geimpft sind. Davon sind wir noch weit entfernt und jeder, der sich impfen lassen kann, hat auch eine Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen.
Tips:Auch Geimpfte können das Virus unwissentlich weiter verbreiten. Weiß man, wie hoch dabei die Virenlast ist? Sind Geimpfte als „Superspreader“ eventuell sogar gefährlicher als Ungeimpfte?
Huber: Aus heutiger Sicht scheint es nicht so zu sein. Die Studien dazu werden laufend publiziert. Ich sehe es optimistischer, weil wir zum Beispiel seit der Impfung keine Patient*innen mehr aus den Altenheimen oder ältere Menschen haben, wo die Durchimpfungsrate hoch ist.
Tips:Vor allem in sozialen Netzwerken behaupten immer noch viele, dass die mRNA-Impfstoffe in das Erbgut eingreifen und dass die Impfung bei Männern und Frauen zu einer erhöhten Unfruchtbarkeit führt.
Huber: Es gibt dafür keinen Hinweis, auch sind inzwischen viele geimpfte Paare schwanger. Hier finden sich in den Untersuchungen keine Auffälligkeiten. Dieses „Gerücht“ wird so lange halten, bis einfach viele gesunde Kinder auf der Welt sind, deren Eltern geimpft sind.
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