Mehr als 2.200 Kirchenaustritte im Bezirk: „Die Kirche muss Nähe zeigen“
INNVIERTEL. Die katholische Kirche in Oberösterreich steht vor der Herausforderung steigender Austrittszahlen, die trotz eines leichten Rückgangs von 16.505 Austritten im Jahr 2022 auf 15.155 im Jahr 2023 weiterhin hoch bleiben. Im Bezirk Ried kehrten im vergangenen Jahr 690 Personen (1,6 Prozent der Mitglieder) der Kirche den Rücken, im Innviertel waren es 2.252. (Korrektur: In der Überschrift muss es natürlich 'im Innviertel' heißen.)
Der Rieder Stadtpfarrer Rupert Niedl bemerkt diese Entwicklung natürlich, nennt aber auch eine gewisse „Laxheit im Glauben“ als einen weiteren Grund für die sinkende Zahl der Gläubigen: „Es geht nicht nur um die Kirchenaustritte. Viele Kinder werden gar nicht mehr getauft und auch nicht zum Religionsunterricht angemeldet, weil häufig schon beide Eltern ausgetreten sind. Da heißt es oft: ‚Das Kind soll später selbst entscheiden, ob es in die Kirche eintreten will‘, aber wie soll sich ein Kind für etwas entscheiden, das es nicht kennt?“
Dazu komme, dass teilweise so wenige katholische Kinder in den Klassen sind, dass es nur noch eine Religionsstunde pro Woche gibt. Das sei bedauerlich, meint Niedl: „Der Religionsunterricht ist ja auch eine Wertevermittlung und eine Vorbereitung fürs Leben.“
Nicht zuletzt sei die Überalterung ein Problem: „Ich sehe es ja bei den Gottesdiensten. Wer stirbt, wird nicht mehr ersetzt.“
Ein kleiner Lichtblick seien die Eintritte in die Kirche: „Das geschieht etwas häufiger als vor einigen Jahren.“
„Nähe zeigen“
Für die Kirche sei es nicht leicht, diesem Trend etwas entgegen zu setzen. Niedl: „Die Kirche muss Nähe zeigen, bei den Leuten sein. Das ist in der Stadt schwerer als auf dem Land, wo man sich auch bei Festen trifft und nicht nur bei Taufen und Begräbnissen.“
Taufen seien oft die einzige Gelegenheit, junge Leute kennen zu lernen. Bei Begräbnissen könne man Trost spenden, was aber wegfalle, wenn Begräbnisse von freien Rednern ohne kirchliche Elemente gestaltet werden.
Nicht zuletzt müsse die Kirche auf die „Eventgesellschaft“ reagieren. Niedl: „Da müssen wir punktuell Akzente setzen. Die jungen Leute wollen, dass es Spaß macht, dass es Action gibt, dass es cool ist.“ Niedl setzt da Hoffnungen auf den neuen Jugendbeauftragten Nico Sperl, der im Mai seinen Dienst angetreten hat und vorher Wortgottesdienstleiter in Eberschwang war.
Sicht der Diözese
In der „Zentrale“ ist man besorgt über die hohe Zahl der Kirchenaustritte. Michael Münzner, Leiter des Bereichs Verkündigung und Kommunikation der Diözese Linz, sagt: „Jeder Austritt ist schmerzlich, da persönliche Erfahrungen dahinterstehen, die die Zugehörigkeit zur Kirche in Frage stellen.“
Die Ursachen seien vielfältig. „Oftmals sind es negative Erfahrungen mit Personen der Kirche, Missverständnisse in Bezug auf kirchliche Positionen oder schlichtweg eine über Jahre lockerer gewordene oder zerbrochene Verbindung zur eigenen Pfarrgemeinde.“
Einen genauen Überblick über die Austrittsmotive gibt es nicht, da der Austritt bei staatlichen Behörden ohne Angabe von Gründen erfolgt. Generell sei aber die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, Teil der Kirche zu sein, gesunken.
Auch innerkirchliche Krisen wie Missbrauchsskandale oder das Unverständnis für manche kirchlichen Positionen spielen eine Rolle. Die Höhe des Kirchenbeitrags wird von einigen ebenfalls als Grund für den Austritt genannt.
Maßnahmen
Die Kirche reagiert auf diese Entwicklung mit vielen Maßnahmen. Besonders wichtig ist ihr, im Alltag der Menschen präsent zu bleiben. „Die neue Pfarrstruktur zielt darauf ab, dass die Kirche in den Pfarrteilgemeinden lebendig bleibt,“ betont Münzner. Neben der klassischen Seelsorgearbeit spielt auch die Kinder- und Jugendarbeit eine zentrale Rolle. Mit der TelefonSeelsorge oder Krisenseelsorge steht die Kirche Menschen in schwierigen Lebenssituationen zur Seite. Eine moderne Formen der Seelsorge ist zum Beispieldie „Festivalseelsorge“, bei der Seelsorger auf Festivals mit Jugendlichen ins Gespräch kommen.
Um auch jene zu erreichen, die kaum noch Berührungspunkte mit der Kirche haben, wurde das „Grüß Gott!“-Magazin ins Leben gerufen, das zweimal jährlich an alle Haushalte in Oberösterreich verschickt wird.
Kirchenaustritte haben auch konkrete Auswirkungen auf kirchliche Strukturen. Weniger Einnahmen bedeuten, dass die Kirche Sparmaßnahmen ergreifen muss, bis hin zur Schließung von Einrichtungen.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden