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Balanceakt Schule – Jugendliche zwischen Noten und Gruppenzwang

Walter Horn, 23.09.2025 10:05

RIED IM INNKREIS. Schulbeginn bedeutet für viele Jugendliche nicht nur neue Hefte und Stundenpläne – sondern vor allem steigenden Druck. Zwischen Noten, Zukunftsängsten und der Frage nach Zugehörigkeit geraten viele ins Straucheln. Die Rieder Streetworker Lisi Möseneder und Dominik Müller geben Einblicke in das, was Jugendliche aktuell am stärksten belastet – und sagen, was dringend gebraucht wird.

Orange Taschen als Markenzeichen: Lisi Möseneder ist seit April 2023 in Ried als Streetworkerin tätig, seit Juli 2024 vervollständigt Dominik Müller das Team. (Foto: Streetwork / Verein ISI)

Der Start ins neue Schuljahr ist mehr als ein Lernbeginn. Es ist ein sozialer Neustart. Neue Klassen, neue Lehrer, neue Gruppen: Wer findet seinen Platz, wer bleibt außen vor? „Gerade in den ersten Wochen erleben Jugendliche großen Stress, weil sie dazugehören wollen“, erklärt Dominik Müller. Freundschaften, Anerkennung und Gruppenzwang zählen oft mehr als jede Note.

Ein heiß diskutiertes Thema zum Schulstart: Kleidervorschriften. Besonders Mädchen spüren, dass ihnen Verantwortung für das Verhalten anderer zugeschoben wird. „Wenn bauchfreie Tops verboten werden, weil sie angeblich die Jungs ablenken, lernen Mädchen: Mein Körper ist das Problem“, erklärt Müller. „Das ist eine doppelte Ungerechtigkeit.“ Lisi Möseneder ergänzt: „Statt Mädchen für das Verhalten anderer verantwortlich zu machen, braucht es Respekt und Gleichberechtigung.“

Leistung als Dauerstress

Doch der größte Druck entsteht im Klassenzimmer. Noten, Zukunftsaussichten, Erwartungen – viele Jugendliche fühlen sich schon zu Beginn der Schulzeit, als müssten sie ständig auf Höchstleistung laufen.

Eltern, Schule, Gesellschaft, alle fordern mehr. Gleichzeitig setzen sich viele auch selbst massiv unter Druck. „Die Angst, nicht zu genügen, ist ein ständiger Begleiter“, sagt Müller.

Zwischen eigenen Wünschen und äußeren Ansprüchen bleibt oft wenig Raum. Lisi Möseneder betont: „Nicht alle starten mit den gleichen Chancen. Soziale Herkunft, Zugang zu guter Ausbildung oder Unterstützung machen einen riesigen Unterschied.“

Soziale Medien: Bühne und Falle zugleich

Instagram, TikTok und Co. verschärfen den Vergleich. Perfekte Körper, makellose Erfolge, Likes und Follower sind dort die Messlatte. Für viele Jugendliche wird Selbstwert so zur Währung. „Jugendliche orientieren sich stark an diesen Bildern. Sie brauchen Unterstützung, um kritisch damit umzugehen und nicht in diesen Vergleichssog zu geraten“, sagt die Streetworkerin.

Was Jugendliche wirklich brauchen

„Vor allem brauchen Jugendliche Erwachsene, die ihnen zuhören, vertrauen und sie ernst nehmen“, sagt Möseneder. „Sie brauchen Verständnis statt nur Leistungskontrolle und Begleitung statt Bewertung.“

Schulen bieten Unterstützung durch Sozialarbeit oder Psychologie, zusätzlich gibt es Anlaufstellen wie das Jugendservice oder „Rat auf Draht“. Doch ein zentraler Ort fehlt in Ried: ein Jugendzentrum. Dominik Müller betont: „Ein Jugendzentrum wäre ein sicherer Raum, wo Jugendliche einfach sie selbst sein können, ohne ständigen Leistungsdruck. Ein Ort zum Ausprobieren, Reden, Runterkommen – genau das fehlt hier.“

Vertrauen statt Druck

Die Zukunft junger Menschen darf nicht nur an Noten hängen. „Jugendliche brauchen Chancen und das Vertrauen, dass sie ihren Weg finden“, fasst Lisi Möseneder zusammen. „Sie sind die Erwachsenen von morgen und sie verdienen eine Zukunft mit Zuversicht.“


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