Pflege beginnt dort, wo Zahlen enden – eine Stellungnahme
RIED. Die Mobile Pflege des Roten Kreuzes wird ab 1. Juli die Pflegedienste der Rifa in Ried weiterführen. Sowohl die Mitarbeiter als auch die betreuten Menschen werden übernommen. Zu diesem Thema schickte uns das Team der Mobilen Pflege folgende Stellungnahme.
Mit großem Interesse, aber auch mit Bestürzung haben wir, das Team der mobilen Hauskrankenpflege, den Artikel „Rifa übergibt Pflege und Betreuung ans Rotes Kreuz“ in den Tips Ried gelesen. Es wird betont, dass durch die RIFA ursprünglich arbeitslosen Frauen neue Chancen geboten worden seien.
Die Entstehungsgeschichte des Vereins, wie sie im Artikel beschrieben wird, ist zweifellos ein bedeutsamer Beitrag zur Förderung von Beschäftigung. Doch für das Team der Mobilen Pflege, das seit Jahren mit fachlicher Kompetenz und großem Engagement im Einsatz ist, gilt das nicht. Das Team, das nun einer neuen Trägerstruktur übergeben wird, besteht nicht aus ehemals arbeitslosen Frauen, sondern aus qualifiziertem Pflegepersonal, das nie arbeitslos war. Denn hier wurden nicht einfach Jobs geschaffen – hier wurde Pflege gelebt, im besten Sinne des Wortes.
Pflege ist weit mehr als eine Dienstleistung. Sie ist nicht bloß das, was sich in Zahlen, Statistiken oder Controlling-Tabellen abbilden lässt. Pflege ist Beziehung, Verantwortung und menschliche Nähe. Sie beginnt dort, wo Strukturen enden – bei der einzelnen Person, die sich in ihrer Verletzlichkeit einem anderen Menschen anvertraut.
Wir erleben täglich, dass unsere Arbeit auf Vertrauen und Fachkompetenz beruht. Sie lässt sich weder automatisieren noch beschleunigen, ohne dass dabei das Wesentliche verloren geht: der Mensch. Wer Pflege auf „Hintern abputzen“ oder „sich begrapschen lassen“ reduziert, verkennt, worum es in diesem Beruf wirklich geht: um Würde.
Auch wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass unsere Leistungen auf strategischer Ebene kaum sichtbar waren. Dass unsere Tätigkeit häufig auf Kostenstellen, Stundenkontingente und Personaldeckungsgrade reduziert wurde – während wir in Wirklichkeit Lebensqualität ermöglicht und Existenzen gestützt haben. Still, verlässlich, Tag für Tag.
Wenn sinkende Krankenstände hervorgehoben werden, bleibt oft unerwähnt, dass Kolleg:innen trotz eigener Erkrankung zum Dienst erschienen – aus Verantwortungsgefühl gegenüber unseren Kolleg:innen. Es ist ein stiller Preis, den Pflegekräfte zahlen, und der sich in keiner Excel-Spalte widerspiegelt.
Unsere Arbeit steht für Professionalität – und professionelles Handeln zeigt sich auch darin, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen. Wer hingegen Schwierigkeiten oder Fehlentscheidungen pauschal auf andere überträgt, entfernt sich von einem respektvollen, verantwortungsvollen Miteinander.
Mit der Übergabe an das Rote Kreuz beginnt für uns ein neues Kapitel – und darauf freuen wir uns sehr. Besonders dankbar sind wir für den herzlichen Empfang, den wir durch das Team des Roten Kreuzes erleben durften. Schon in den ersten Gesprächen war eine spürbare Wertschätzung unserer Arbeit und unseres Engagements erkennbar. Diese Offenheit und Achtung machen uns zuversichtlich, dass die kommende Zusammenarbeit von gegenseitigem Respekt, Professionalität und Menschlichkeit geprägt sein wird.
Wir verabschieden uns von der bisherigen Trägerstruktur mit gemischten Gefühlen – aber mit geradem Rücken. Weil wir wissen, was wir geleistet haben. Und weil wir überzeugt sind, dass Pflege nicht bei Minutenansätzen beginnt, sondern beim echten menschlichen Miteinander.
Ein besonderer Dank gilt, unserer Bereichsleitung, die uns mit Fachlichkeit, Klarheit und Rückhalt begleitet hat. Sie war eine der wenigen Stimmen, die nicht nur verwaltet, sondern verstanden hat.
Wir schließen mit einem Zitat, das uns in diesen Tagen besonders bewegt: „Die Würde des Menschen bemisst sich nicht in Minuten oder Maßnahmen – sondern in der Art, wie wir ihm begegnen.“ (unbekannter Autor)
Pflege betrifft uns alle – früher oder später, in der einen oder anderen Form. Wie wir heute mit Pflege umgehen, sagt viel darüber aus, wie wir morgen leben – und wie wir alt werden.
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Team der mobilen Hauskrankenpflege Ried
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