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Amalgamverbot könnte zu Kosten für Zahnpatienten führen

Walter Horn, 25.11.2024 16:59

RIED. In der EU tritt am 1. Jänner 2025 das Verbot von Amalgam für Zahnfüllungen in Kraft. Das Problem: Die Zahnärztekammer (ÖZÄK) und die Gesundheitskasse (ÖGK) konnten sich bis jetzt nicht einigen, welche Materialien künftig als Ersatz verwendet werden sollen und wer das bezahlt. Tips befragte dazu den Rieder Zahnarzt Günter Gottfried, der auch Vizepräsident der Zahnärztekammer ist.

Für Füllungen droht ab 1. Jänner ein Selbstbehalt. (Foto: stock.adobe.com/vizualni)
  1 / 2   Für Füllungen droht ab 1. Jänner ein Selbstbehalt. (Foto: stock.adobe.com/vizualni)

Auf Tips-Anfrage nannte die ÖGK keinen Ansprechpartner, übermittelte aber umfangreiche Informationen.

Tips: Die EU verbietet Amalgam, das bisher einzige Füllungsmaterial, das zur Gänze von der ÖGK bezahlt wird, aus Umweltschutzgründen, weil (neben anderen Metallen) hochgiftiges Quecksilber ein wichtiger Bestandteil dieses Materials ist. Wie gefährlich ist Amalgam?

Günter Gottfried: Es besteht kein begründeter Verdacht, dass ordnungsgemäß gelegte Amalgamfüllungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten haben. Amalgam ist robust, antimikrobiell, einfach in der Verarbeitung und stellt daher seit Jahrzehnten das Seitenzahnfüllungsmaterial der Wahl im kassenzahnärztlichen Bereich dar. Selbst jahrelang im Mund verweilende Füllungen stellen kein gesundheitliches Problem dar. Ein Austausch ist dann notwendig, wenn im Rahmen einer zahnärztlichen Kontrolle Beschädigungen oder Undichtigkeiten erkannt werden oder eine Füllung bricht.

Tips: Welche Alternativen zu Amalgam gibt es?

ÖGK: Es wurden unterschiedliche Materialien geprüft und mit Alkasit die aus ÖGK-Sicht am besten geeignete Alternative gefunden. Dieses Material wird seit Jahren in den Zahngesundheitszentren der ÖGK eingesetzt, die Erfahrungen und die Zufriedenheit der Patienten sind sehr gut. Eine klinische Langzeitstudie über die Langlebigkeit von Alkasit wird durch Univ. Prof. Andreas Schedle von der MedUni Wien erfolgen.

Günter Gottfried: Prinzipiell stehen uns derzeit an plastischen Füllungsmaterialien Glasionomerzemente und Compositmaterialien als Alternativen zum Amalgam zur Verfügung. Mit diesen beiden Materialien können wir dieselben Füllungsindikationen wie mit Amalgam abdecken. Laut Aussage von Prof. Schedle von der MedUni Wien wird bis dato kein Füllmaterial am Markt angeboten, das in seiner Verarbeitung, Haltbarkeit und Qualität dem Amalgam gleichkommt. Alkasit ist ein neu entwickeltes Compositmaterial, welches nur von einem Anbieter angeboten wird, was eine bedenkliche Marktmonopolstellung darstellt. Zudem ist es in der aktuell angebotenen Form erst seit zwei Jahren auf dem Markt. Es gibt derzeit dazu keine wissenschaftliche Studienlage. Kurz gesagt: Es ist nicht lange genug erprobt, um ruhigen Gewissens in die Zähne unserer Patientinnen und Patienten gefüllt zu werden und deckt auch nicht alle Einsatzgebiete anderer Compositmaterialien ab.

ÖGK: Die Kasse wird überzogene Forderungen der Zahnärztekammer auf Kosten der Beitragszahler nicht akzeptieren. Glasionomerzement kann man als einziges Füllmaterial nicht akzeptieren, da die geringere Qualität und Haltbarkeit nicht dem Anspruch einer medizinisch hochwertigen Versorgung der 7,6 Millionen Versicherten entspricht. Die Einsatzmöglichkeiten des Materials sind beschränkt und der Tarif würde deutlich höher sein als bisher. Die ÖGK wird Glasionomerzement aber, neben Alkasit, ab 2025 in den eigenen Zentren einsetzen, allerdings nur bei kleinen Füllungen und nicht bei Mahlzähnen.

Tips: Dass Amalgam verboten wird, ist schon länger bekannt. Warum haben sich ÖGK und Zahnärzte nicht schon früher um eine Lösung bemüht? Für die Patienten sieht es so aus, als ob erst auf den letzten Drücker verhandelt wurde.

Gottfried: Es ist Aufgabe der ÖGK, zeitgerecht eine Lösung der Amalgamproblematik herbeizuführen, um den niedrigschwelligen Zugang zum Sozialsystem sicherzustellen. Normalerweise bringen wir derartige Verhandlungen in zwei bis drei Sitzungen zu einem für beide Seiten akzeptablen Ende. Dieses Mal ließ jedoch die ÖGK uns Standesvertretern der Zahnärzte über die Medien ultimativ ausrichten, dass die ÖGK den niedergelassenen Zahnärzten mit Kassenvertrag für den Einsatz des ins Auge gefassten Amalgamersatzstoffes zehn Prozent mehr Honorar bezahlen wird und alles andere für überzogen hält. Dieses Angebot ist für die österreichischen Zahnärzte aus wirtschaftlichen Gründen unannehmbar.

Tips: Wenn es keine Einigung gibt: Was kommt auf die Patienten zu?

Gottfried:Falls es zu keiner Einigung kommt, werden die niedergelassenen Zahnärzte ab 1. Jänner 2025 Glasionomer- oder Compositfüllungen im Seitenzahnbereich ihren Patienten privat in Rechnung stellen, wie dies schon seit Jahren bei derartigen Füllungen üblich ist.

ÖGK:Unsere Türen für Verhandlungen sind offen.


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