Kleinzellerin arbeitet als Übersetzerin und Lektorin: „Ich versuche quasi, Rohdiamanten zum Funkeln zu bringen"
KLEINZELL. Schon während ihrer Schulzeit in der HAK Rohrbach hat Tamara Reisinger gewusst, dass sie irgendetwas mit Büchern oder Sprache machen möchte. Heute arbeitet die gebürtige Kleinzellerin als Übersetzerin und Lektorin und freut sich, dass sie viele tolle Geschichten lesen oder lektorieren und das Beste aus diesen rausholen kann. Im Tips-Gespräch hat sie mehr darüber verraten.
Tips: Wie sind Sie in die literarische Branche gekommen?
Tamara Reisinger: Nachdem ich eigentlich aus Spaß mal ein Kapitel von Harry Potter auf Deutsch übersetzt habe (das hat nie jemand zu lesen bekommen), habe ich beschlossen, in Wien Übersetzen zu studieren. Nach dem Studium habe ich mich bei fast allen Kinder- und Jugendbuchverlagen in Deutschland für eine Praktikumsstelle beworben und bin so bei Ravensburger im Lektorat gelandet. Da habe ich gemerkt, dass mir auch das Lektorieren, die Arbeit am Manuskript und die enge Zusammenarbeit mit den Autorinnen und Autoren sehr viel Spaß machen. Nach einem Volontariat mit anschließender befristeter Stelle als Jugendbuchlektorin konnte mein Vertrag nicht verlängert werden und da habe ich beschlossen, mich selbstständig zu machen und auch wieder als Übersetzerin zu arbeiten.
Worauf achten Sie bei Ihrer Arbeit als Lektorin besonders?
Ich versuche, noch mehr aus den Manuskripten herauszuholen. Quasi den Rohdiamanten zum Funkeln zu bringen. Ich schaue darauf, dass die Charaktere rund/greifbar sind, dass man sich in sie hineinversetzen kann und sie nicht wie Abziehbilder wirken – dass sie beispielsweise Hobbys haben, Ecken und Kanten und dass ihr Zusammenspiel mit anderen Charakteren funktioniert, aber auch, dass die Handlung logisch aufgebaut ist und ein Spannungsbogen da ist. Und natürlich achte ich auch darauf, dass Inhalt und Stil zur Zielgruppe passen – in einem Belletristikroman können etwa deutlich explizitere Szenen gezeigt werden als in einem Jugendroman, und auch die Sprache ist in einem Jugendbuch eine andere als in einem Kinderbuch. Aber grundsätzlich mache ich nur Vorschläge, die Entscheidung liegt letztlich immer bei den Autorinnen und Autoren.
Und wie viel Reisinger-Stil steckt in einem von Ihnen übersetzten Buch?
Beim Übersetzen achte ich vor allem darauf, den Stil der Autorinnen und Autoren, die Gefühle und Atmosphäre, die im Originaltext mitschwingen, den Witz der Originalsprache so ins Deutsche zu übertragen, dass sie bei den Lesenden dieselbe Wirkung erzeugen. Im Idealfall sollte man daher meinen Stil nicht rauslesen. Natürlich schwingt unterbewusst immer etwas mit rein in die Übersetzung, daher ist auch nicht jede Übersetzung gleich.
Ist es als Selbstständige schwierig, zu Aufträgen zu kommen?
Ich habe fast nur Verlagskunden und da den Vorteil oder das Glück, dass ich durch meine Zeit bei Ravensburger die Kontakte (auch zu anderen Verlagen) und somit gute Referenzen habe. Sonst wäre es deutlich schwieriger, an Verlagsaufträge zu kommen, weil die Branche sehr klein ist und sehr viel über persönliche Empfehlungen geht. Anders ist es in der Selfpublishing-Branche, da gibt es auf Instagram, über Verbände oder vergleichbare Netzwerke immer wieder Anfragen und Angebote, weshalb man eigentlich immer an Aufträge kommen kann – vorausgesetzt, man einigt sich auf ein Honorar.
Was ist das Spannende an Ihrem Beruf?
Dass jedes Buch, jede Autorin und jeder Autor anders ist. Dass ich so viele tolle Geschichten lesen und lektorieren kann und dabei unterstütze, das Beste aus ihnen rauszuholen. Dass ich im Falle von Übersetzungen an jedem Wort, jedem Witz, jedem Wortspiel, Reim etc. herumfeilen kann und quasi meine ganze Kreativität rauslassen kann. Am schönsten ist es natürlich, wenn die Bücher dann auch auf den Bestsellerlisten landen – und der eigene Name im Buch steht.
Gibt es Lieblingsprojekte?
Das ist, als würde man Eltern fragen, welches Kind sie lieber haben. Aber ja, es gibt Projekte, an denen ich lieber gearbeitet habe als an anderen, was sowohl am Inhalt als auch an der unglaublich tollen Zusammenarbeit mit den Autorinnen liegt. Aktuell ganz weit oben auf meiner Highlight-Liste der Lektoratsprojekte stehen Kiss Me Once, Kiss Me Now und Ever & After von Stella Tack, Silver & Poison von Anne Lück und Die Legende des Phönix von Greta Milán. Bei den Übersetzungsprojekten sind es die Ninja-Cat-Reihe von Dermot O’Leary, weil das Buch aus der Sicht von Katzen geschrieben ist und ich mich mit tierischen Wortspielen austoben konnte, Insecta – Das Institut der Unsichtbaren, weil ich da die Sicht einer Wespenkönigin und einer Ameise übersetzt habe (mich also in ein Insekt hineinversetzen und überlegen musste, wie sie die Menschenwelt wahrnehmen und welche Wörter sie kennen und welche nicht), Be My First & Be My Forever von Jay McLean, weil die Geschichte einfach so viel Herzschmerz hat, und meine aktuelle Kinderbuchübersetzung, in der ein Wortspiel nach dem anderen vorkommt.
Haben Sie auch Pläne, selbst ein Buch zu veröffentlichen?
Als Autorin, nein. Ich glaube, ich bin da tatsächlich eine der wenigen, die keinerlei Ambitionen haben, selbst ein Buch zu schreiben.
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