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„Unser Job ist nicht für eine 40 Stunden-Woche gemacht“

Martina Gahleitner, 17.01.2024 05:27

BEZIRK ROHRBACH/OÖ. So wie vielerorts, ist auch in den Altenheimen des Bezirkes Rohrbach der Personalmangel in der Pflege spürbar; Weil Arbeitskräfte fehlen, können nicht alle Heimplätze belegt werden. Damit wieder mehr Menschen in der Pflege arbeiten wollen, wären drastische Veränderungen notwendig, ist Thomas Stopper, diplomierter Sozialbetreuer für Altenarbeit und Betriebsrat, überzeugt.

Die hohe Arbeitsbelastung im Pflegebereich sorgt für Frust. (Foto: Evrymmnt - stock.adobe.com)
Die hohe Arbeitsbelastung im Pflegebereich sorgt für Frust. (Foto: Evrymmnt - stock.adobe.com)

„Arbeitszeit runter, Einkommen rauf“: Das ist für Thomas Stopper der einzig richtige Weg zu mehr Fachpersonal in den Altenheimen. „Wir müssen das machen, um mehr Menschen in den an sich wunderschönen Beruf der Pflege zu bekommen, die dann auch länger im Job bleiben. Denn viele merken im Arbeitsalltag, dass sie sich diesen Wahnsinn unter diesen Rahmenbedingungen nicht mehr antun wollen“, findet der diplomierte Sozialbetreuer klare Worte.

Er spricht damit die physischen und auch psychischen Belastungen an, die mit ein Grund sind, warum 80 Prozent der Mitarbeitenden in den Alten- und Pflegeheimen Teilzeitkräfte sind. „Unser Job ist nicht für eine 40 Stunden-Woche designt. Wir gehen in unserer Branche bei einem 12 Stunden-Dienst zirka zwölf Kilometer; dazu kommen rund 300 Kniebeugen, 500 Bückbewegungen, 100 Mal schwer heben. Nicht zu vergessen die psychischen Belastungen: Die Arbeitsverdichtung hat dermaßen zugenommen, dass wir den ganzen Tag keine ruhige Minute mehr haben. In Wirklichkeit können wir unsere Arbeit vielfach nicht mehr gut machen“, schildert Stopper die dramatische Situation in der Langzeitbetreuung.

Zu lange nur gespart

Schuld daran trage „die jahrzehntelang verfehlte Politik“, ergänzt er: „Wir schreien seit 15 Jahren um Hilfe und das Einzige, was von der Politik kommt, sind Lippenbekenntnisse.“ Selbst im neuen 50 Punkte-Programm der oö. Landesregierung sei wieder ein Sparpaket verpackt. „Das geht in die total falsche Richtung. Wir lernen in der Ausbildung, wie Pflege funktionieren soll und kann, sehen aber draußen im Arbeitsalltag, dass sie zur Akkordarbeit mutiert. Und das erzeugt Riesen-Frustpotenzial.“

400 SHV-Mitarbeitende in der Pflege

„Es ist sicherlich unbestritten, dass viele Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Pflegebereich von hoher Arbeitsbelastung sprechen. Diesen Umstand nehmen wir sehr ernst“, sagt Valentin Pühringer, Bezirkshauptmann und Obmann des Sozialhilfeverbandes Rohrbach. „Mit flexibler Stundeneinteilung, künftige Unterstützung durch Digitalisierung, Fortbildungen, Anstellung von Unterstützungspersonal sowie Ehrenamts-Projekten versuchen wir entsprechend entgegenzuwirken“, nennt er einige Beispiele. Er weiß auch, dass die Stimmung wenig euphorisch ist, nachdem am Arbeitsmarkt kaum neue Mitarbeiter zu finden sind und dementsprechend immer wieder eine Personalknappheit auftritt.

Der SHV Rohrbach mit seinen sechs Bezirksaltenheimen beschäftigt knapp 400 Mitarbeitende im Bereich Betreuung und Pflege. „Die Anzahl dieser Pflegekräfte ist in den letzten fünf Jahren nur noch geringfügig gestiegen“, weiß Pühringer. Er fügt an: „In unseren Häusern gibt es eine gute Teamarbeit und alle leisten täglich tolle und hervorragende Arbeit, für die ich mich herzlichst bedanke.“

Ausbildungen starten

Mit gezielten Ausbildungen für Heimhilfe und Pflegeassistenz wird eigenes Personal rekrutiert. So startet ein PA-Lehrgang im März in Kleinzell, im September in Lembach – die Absolventen sollen danach direkt in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden (Interessenten können sich beim SHV Rohrbach unter Tel. 07289 8851-69344 melden). Heuer soll auch eine vermehrte Anstellung von ausländischen Pflegekräften (etwa aus den Philippinen) erfolgen. Ebenso soll das Pilotprojekt Pflegelehre in den nächsten Jahren in Heimen des SHV Rohrbach umgesetzt werden. Die Kinderbetreuung, die in fünf Heimen angeboten wird, erleichtert Mitarbeiterinnen die Rückkehr aus der Karenz.

All solche Maßnahmen sind notwendig, um zum einen die Beschäftigten zu entlasten, zum anderen um alle Betten belegen zu können. „Derzeit können in unseren Heimen in Kleinzell, Lembach, Rohrbach und Ulrichsberg aufgrund des Personalstandes nicht alle Heimplätze belegt werden. Bei dringendem Pflegebedarf werden verfügbare Plätze in anderen Heimen im Bezirk angeboten. Die Nachfrage kann gerade noch (mit Wartezeiten) gedeckt werden“, berichtet der SHV-Obmann.

Überlastungsanzeige als Schutz für Pflegepersonal

Zurück zu Thomas Stopper: Um seine Kollegen in der Pflege zu schützen, bietet er seit gut fünf Jahren in Kooperation mit dem Treffpunkt Pflegepersonal Workshops zu Überlastungsanzeigen an. „Das ist ein wichtiges Werkzeug, um die Haftung an jene zurückzugeben, die dafür verantwortlich sind“, fasst er zusammen. Meist geht es darum um die Anzahl der Kollegen vor Ort: „Wir geben mit unserer Meldung dem Vorgesetzten schriftlich und nachweislich bekannt, dass die von uns zu leistende Arbeit nicht mehr zu schaffen ist und sie somit ihren Heimvertrag mit den Bewohnern nicht erfüllen.“

Am 29. Jänner ist Thomas Stopper im Treffpunkt mensch&arbeit zu Gast, um dieses viel zu wenig genützte Werkzeug bekannter zu machen. „Das bringt zwar nicht mehr Kollegen, aber nimmt eine Last von den Schultern, weil die Verantwortung zu jenen Leuten abgegeben wird, die sie tatsächlich tragen und an der Situation etwas ändern können.“

Workshop Überlastungsanzeige am Montag, 29. Jänner, 17 bis 21 Uhr, im Treffpunkt mensch&arbeit, Rohrbach-Berg
Anmeldung: Tel. 0676 87763659, judith.wein@dioezese-linz.at

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Manfred K.
Manfred K.
19.01.2024 13:14

Ehrlich jetzt

„Mit flexibler Stundeneinteilung, künftige Unterstützung durch Digitalisierung, Fortbildungen, Anstellung von Unterstützungspersonal sowie Ehrenamts-Projekten versuchen wir entsprechend entgegenzuwirken“, meint er der Hr. Bezirkshauptmann. Gibt es wirklich noch jemanden der solches ernst nimmt. Dieser Herr sollte ein paar 10 Stunden Dienste hintereinander mitmachen, dann würde er gar nicht auf die Idee kommen so derartig inhaltsleer zu formulieren.