Langhalsen 1924: Als ein Dorf mit bewegter Geschichte geflutet wurde
NEUFELDEN. Mit der Geschichte von Langhalsen – das kleine Dorf in Neufelden, das vor 100 Jahren wegen des Kraftwerkbaus Partenstein abgetragen und geflutet wurde – hat sich Historikerin Monika Klepp intensiv beschäftigt, umfassendes Quellenmaterial verarbeitet und ein Buch darüber verfasst. Für Tips gibt die St. Veiterin einen kleinen Einblick.
Ende August 1924 erfolgte der erste Vollstau des Stausees, der im Zuge der Errichtung des Großkraftwerkes Partenstein angelegt wurde. Der Verlauf der Großen Mühl mit einer eigenartigen Flussschleife in Form eines langen Halses, bevor sie steil zur Donau hinabfiel, hatte dem Ort seinen Namen gegeben. Über Jahrhunderte bildete das Wasser der Mühl die Lebensgrundlage für Mühle, Bleiche und Wirtschaftsbetriebe. Industrialisierung, Ausbau der Wasserkraft und der Infrastruktur, technischer Fortschritt waren Zielsetzungen der 1918 gegründeten Republik Österreich, die aber einschneidende Maßnahmen für Ökologie und ländlichen Raum verlangten. Die Große Mühl wurde für den Ort Langhalsen zum Schicksal.
Mühle und Edelsitz
Die Mühle von Langhalsen wird erstmals im Tannberger Urbar, angelegt 1397, genannt. Urkundliche Nennungen Langhalsens erfolgen im Spätmittelalter und führen in das Jahr 1412, als das Ministerialengeschlecht der Schurff das „Haus zu Langhalsen“ besaß und Güter an das Kloster Schlägl verkaufte. Nach der Überlieferung zählten die Heinissberger zu den weiteren Besitzern des Edelsitzes Langhalsen. Ein Wappenstein vom Schloss Langhalsen wurde von der Familie List aus Altenfelden übernommen.
Leinwandherren und Unternehmer
Eng vernetzt mit dem Mühlengewerbe sind die Kampmiller mit der Kampmühle in Sarleinsbach als Stammsitz, die sich vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in der Mühlenlandschaft des Oberen Mühlviertels auf 15 Mühlen ausbreiteten und denen auch der Zugang zu Märkten und der soziale Aufstieg zu Bürgerfreiheit, Gewerbe und Handel gelang. Der Markt Neufelden bot der Familie Campmiller weitreichende Möglichkeiten für Leinwandhandel. Zum Besitz des Josef Campmiller zählten mehrere Liegenschaften in Wien und das Bürgerhaus Neufelden Nr. 38. Er bekleidete einflussreiche Ämter, erwarb den Edelsitz Langhalsen und wurde 1673 in den Reichsritterstand erhoben. Sein Sohn Zacharias Mariophilus absolvierte in Wien eine glänzende Karriere als Hofkriegsrat, die ihn in die Nähe dreier Kaiser und des Prinzen Eugen führte. Von Leopold I. und Karl VI. erhielt er Privilegien für sein favorisiertes Landgut Langhalsen, zum Leinwandhandel kamen Taverne und Beuteltuchfabrik.
Franz Josef Peßler, der das Landgut Langhalsen 1796 erwarb, gehörte einer Familie von Leinwandverlegern an, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Neufelden über Generationen erfolgreich waren. Ihrem Reichtum bereiteten die Franzosenkriege um die Wende zum 19. Jahrhundert ein jähes Ende. Als Johann Paul Löfler jun. 1839 das Landgut Langhalsen übernahm, war er bereits in Hinterweißenbach ein bekannter Unternehmer und Handelsherr, der sich in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen als Vordenker erwies und sich durch den Hopfenanbau in der Region besondere Verdienste erwarb.
Das Dorf Langhalsen
Als idyllisches Dorf, umgeben vom Korngold der Felder und dem Grün der Wälder, wurde Langhalsen von den Zeitgenossen gesehen, vor allem als Abbruch und Zerstörung zur unwiderruflichen Gewissheit wurden. Dominierende Gebäude waren Schloss und Kirche mit dem dreigliedrigen Turm, die Taverne mit dem schattigen Gastgarten. Die Häuser vom Metzger, Schmied, Gemischtwarenhändler, Bäcker und die kleinen Bachhäuser entlang des Feuchtenbachs, die sich im Laufe der Zeit um das Schloss angesiedelt hatten, bildeten den Dorfkern. Sie wurden 1923 abgetragen oder gesprengt, die Bewohner wurden abgesiedelt und entschädigt, bevor 1924 das Schicksal von Langhalsen besiegelt war.
Ein steinerner Zeuge
Vom feudalen Erbe Langhalsens, ist wenig erhalten: Der heilige Nepomuk aus der ehemaligen Schlosskirche wurde zum Wächter der Mühlsperre, sechs dorische Säulen vom Schlossgebäude fanden Verwendung beim Kriegerdenkmal Altenfelden. Der Brunnen von Langhalsen, einstmals Zeuge des regen Lebens im Schloss und des lebhaften Verkehrs auf der wichtigen Handelsstraße, hat die allgemeine Zerstörung überdauert und wurde 1934 vom Rohrbacher Fabrikanten Wilhelm Poeschl im Park seiner neu erbauten Villa aufgestellt. Signaturen in Stein erinnern an vergangene Schlossbesitzer, an das Jahr des Schlossverkaufs 1796, an Renovierungen 1841 und eine Tragödie, die dem unglücklichen Anton Löfler 1831 widerfahren ist, bergen aber noch so manches Geheimnis.
Wertvolle Topotheken
Auch als der Stausee zur gewohnten Umgebung wurde und sich das Landschaftsbild änderte, blieb Langhalsen ein Thema, das bewegte. Luise Derschmidt war Zeitzeugin und widmete dem Ort mehrere Publikationen. Ende August bringt der Heimatverein des Bezirkes Rohrbach das Buch „Geflutet 1924: Das war Langhalsen“ heraus, das sich mit der vielfältigen Geschichte des abgetragenen Ortes befasst. Als Quellen waren vor allem die Topotheken Altenfelden, Neufelden und des Bezirksheimatvereins von Bedeutung. Topothekar und Archivar Anton Brand, leidenschaftlicher Fotograf und Heimatforscher, lieferte für die Geschichte Langhalsens wertvolle Impulse.
Verfasserin: Monika Klepp
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