Erinnern als Auftrag für die Zukunft: Gedenkveranstaltung in Altenfelden mahnte Wachsamkeit ein
ALTENFELDEN. „Sei wachsam“: Mit den Worten von Reinhard Mey begann die Gedenkveranstaltung 80 Jahre nach Kriegsende, bei der Florian Kneidinger und Ludmilla Leitner als Vortragende sowie Berichte von Zeitzeugen in Altenfelden eindrucksvoll mahnten, wachsam zu bleiben und die Vergangenheit nicht zu vergessen.
Der Pfarrsaal wurde viel zu klein ob des Interesses an dieser Veranstaltung, die von der Öffentlichen Bibliothek und dem Seniorenbund organisiert wurde. Bibliotheksleiterin Anneliese Brunnthaler wies auf das Ziel des Abends hin: nämlich die persönliche Verantwortung einzumahnen. Frieden fange bei uns selber an, sagte sie und ergänzte: „Wir wissen heute nicht, welchen Weg wir damals gewählt hätten, aber gemeinsam müssen wir wachsam bleiben.“ Besonders berührend waren die Geschichten von Altenfeldner Zeitzeugen bzw. deren Weitererzählern: Die Besucher hörten von Arbeitsdiensten; von Zwangsaussiedelungen aus dem jetzigen Tschechien; von den letzten Kriegstagen in Hühnergeschrei und einem Flugzeugabsturz am Schweinsberg; von stillen Helden, die den Einmarsch der amerikanischen Soldaten ermöglicht und damit noch größeren Schaden für den Ort abgewendet haben.
Vom Arbeitslager in Doppl
Intensiv mit der Thematik hat sich Florian Kneidinger beschäftigt. Vor mehr als 25 Jahren hat er als damals 17-jähriger Maturant für seine Fachbereichsarbeit die Zeit des Nationalsozialismus in seiner Heimatgemeinde aufgearbeitet und auch später noch Recherchen durchgeführt. Bei der Gedenkveranstaltung erzählte er, wie am 13. März 1938 die deutschen Truppen unter großem Jubel einmarschiert waren und in den folgenden Jahren hochrangige SS-Männer vor allem in Doppl regelmäßig zu Besuch waren. Hier wurde ein „Umschulungslager für arbeitsungewohnte Juden“ eingerichtet, das von 1939 bis September 1942 in Betrieb war. „Im Durchschnitt waren etwa 50 bis 60 Juden im Alter von 14 bis 50 Jahren einquartiert, die hier Fichten pflanzten, Küchenarbeiten, Garten- und Feldarbeiten oder Straßenbauarbeiten erledigten.“ Unter teils brutalen Bedingungen und schweren Misshandlungen – der Lagerleiter wurde nicht ohne Grund „Bluthund“ genannt.
„Einige der SS-Männer haben in Altenfelden ihre NS-Karriere gestartet“, berichtete Kneidinger und erklärte auch, warum Doppl als Standort dieses Arbeitslagers gewählt wurde: „Adolf Eichmann hatte eine Affäre mit der Vorbesitzerin des Gebäudes, er betrachtete Altenfelden als seine eigentliche Heimat. Nach dem Krieg sind einige NS-Verbrecher ins Obere Mühlviertel geflüchtet und haben sich hier versteckt. Auch Eichmann hat man hier vermutet.“ Festgenommen und seiner Verbrechen angeklagt wurde dieser schließlich erst 1960 in Argentinien.
Nie wieder Krieg
Historikerin Ludmilla Leitner sprach darüber, wie nach Kriegsende das Land aus den Trümmern neu aufgebaut wurde und die Fundamente der Demokratie gelegt wurden. „Ende April 1945 wurde die Regierung eingesetzt, zeitgleich gab es aber noch Kampfhandlungen im Westen Österreichs. Der 8. Mai 1945 war schließlich der Tag der Befreiung – mit einer grausigen Bilanz“, schilderte die Haslacherin. Bei der Aufarbeitung der NS-Zeit habe sich Österreich über Jahrzehnte als Opfer dargestellt. „Die Täter beriefen sich auf Befehlsgehorsam. Es gibt wenige, die befehlen, aber es braucht ganz, ganz viele, die mitmachen“, betonte Leitner.
Sie erzählte vom Neubeginn, der für die Menschen von einer Versorgungskrise, einer zerstörten Infrastruktur, Wohnungsnot und Seuchengefahr und dem Bangen um Angehörige geprägt war. „Vielen Menschen geht es jetzt so, wie jenen damals 1945. ‚Nie wieder Krieg‘ ist eine eindringliche Mahnung und klingt doch wie Schall und Rauch“, meinte Ludmilla Leitner angesichts der heutigen Kriegsschauplätze. Umso wichtiger seien Gedenkarbeit und Erinnerungskultur, die mit solchen Veranstaltungen geleistet werden. „Demokratie müssen wir verteidigen und stärken, denn diese ist fragil.“
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