Türkis-Grüne Koalition: Lob und Kritik von regionalen Politikern
BEZIRK SCHÄRDING. Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs wurde vom Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen eine Türkis-Grüne Bundesregierung angelobt. Tips hat mit regionalen Politikern über die neue Koalition gesprochen.
Vor den Nationalratswahlen sind viele Giftpfeile zwischen der Volkspartei und den Grünen hin- und hergeflogen. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler meinte sogar, dass er sich eine Koalition mit der ÖVP nur schwer vorstellen kann. Doch in der Politlandschaft ist bekanntlich nichts so alt, wie das Gesagte von gestern.
Überspitzte Formulierungen
„Im Wahlkampf kommt es häufig zu überspitzten Formulierungen, durch die sich die wahlwerbenden Parteien voneinander abgrenzen wollen. Was sich an verbalen Auseinandersetzungen im vergangenen Wahlkampf zugetragen hat, ist für uns heute jedenfalls kein Thema mehr. Uns geht es um die gemeinsame Arbeit für Österreich“, berichtet ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Laut dem Innviertler ist es wichtig, dass immer Respekt herrscht und gewisse Grenzen nicht unterschritten werden. Obwohl beide Parteien in ihren Ansichten sehr unterschiedlich sind, geht Wöginger von einer guten Zusammenarbeit aus und ist zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung nicht vorzeitig aufgelöst wird.
Zuversicht bei Wöginger
„Die Zusammenarbeit mit den Grünen gestaltet sich sehr gut und wir haben ein Regierungsübereinkommen, an das sich beide Parteien zu halten haben. Wir sind zuversichtlich, dass diese neue Bundesregierung über die gesamte Periode gut zusammenarbeiten wird“, meint Wöginger. Bertold Wöss, Bezirkssprecher der Grünen, geht ebenfalls davon aus, dass die Partnerschaft funktionieren kann beziehungsweise wird, auch wenn der Esternberger zugibt, dass Türkis-Grün keine Liebeshochzeit ist.
Keine Liebeshochzeit
„Eine Liebeshochzeit ist die Koalition mit der ÖVP sicher nicht, wenn ich das sagen darf. Ich sehe das Ganze aber pragmatisch: beide Parteien sind bemüht, gemeinsam etwas weiterzubringen und zusammenzuarbeiten für Österreich. Ich denke, es kann funktionieren mit den zwei ungleichen Partnern“, so Bertold Wöss. Hermann Brückl, FPÖ-Bezirksparteiobmann des Bezirkes Schärding und Nationalratsabgeordneter spricht hingegen von einer Zweckehe.
Keine Harmonie & extremer Linksruck
„Aus Sicht der Grünen ist es unzweifelhaft eine Zweckehe. Denn eines ihrer Hauptargumente für eine Koalition mit der ÖVP war das Verhindern von uns Freiheitlichen in der Regierung. Bei mir als Abgeordnetem hat sich der Eindruck erhärtet, dass der Umgang, den Schwarz und Grün miteinander pflegen, eher kühl und distanziert und weniger harmonisch ist“, meint Hermann Brückl, der weiters berichtet, dass der ehemalige Koalitionspartner der Freiheitlichen mit den Grünen einen massiven gesellschaftspolitischen Linksruck im Land eingeleitet hat. Kritik an den Grünen gibt es von Karl Walch, dem SPÖ-Bezirksvorsitzenden: „Angesichts des Stimmenverhältnisses bei der Nationalratswahl war klar, dass die Grünen Kompromisse eingehen müssen. Um regieren zu dürfen, nehmen es die Grünen mit den Menschenrechten und der Gleichstellung nicht mehr so ernst. Das finde ich traurig.“
Regierungsprogramm
Beim Thema Regierungsprogramm gehen die Meinungen der Schärdinger Politiker ebenfalls auseinander – was jedoch nicht verwunderlich ist. Während Wöginger und Wöss mit dem neuen Regierungsprogramm zufrieden sind, gibt es von Brückl und Walch viel Kritik. „Wir haben nicht den kleinsten gemeinsamen Kompromiss gesucht, sondern das Beste aus beiden Welten vereint“, meint Wöginger. „Wer das Regierungsprogramm aufmerksam liest, sieht, dass sich die Grüne Handschrift durchs ganze Programm zieht“, berichtet Wöss.
Heiße Luft und Anreize für Asylwerber
Für Brückl hingegen ist das neue Regierungsprogramm nur heiße Luft. „Das Regierungsprogramm besteht zu einem großen Teil aus heißer Luft. Es werden Anreize für Asylwerber geschaffen und der Begriff Heimat kommt im gesamten 326-seitigen Regierungsprogramm genau sechsmal vor. Schwarz-Grün ist nicht bereit, unserem Bundesheer die notwendigen finanziellen Mittel zur Erfüllung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Auftrages zur Verfügung zu stellen“, meint Brückl. Für Walch ist das Programm eine Fortsetzung von Schwarz-Blau. „ÖVP und die Grünen setzen wirtschaftspolitisch den Kurs von Schwarz-Blau fort. Konkret bedeutet das Schuldenbremse und Steuergeschenke an Aktionäre, aber keine Reichensteuer und keine höheren Löhne für die hart arbeitende Bevölkerung“, so Walch, der weiters kritisiert, dass die neue Regierung die Haklerregelung abschaffen will.
Kritik keine Überraschung
Dass die Oppositionsparteien, vor allem die FPÖ, Kritik übt, ist für Wöginger und Wöss keine Überraschung. „Die FPÖ hat in ihrem Wahlergebnis zu Beginn der Sondierungen keinen Regierungsauftrag gesehen und sich von vornherein aus möglichen Verhandlungen herausgenommen. Nun bereut man diese Entscheidung offenbar und kehrt in alte Verhaltensmuster zurück, indem alles schlechtgeredet wird“, so Wöginger. „Die FPÖ muss natürlich auf voller Linie dagegen sein, immerhin haben die Grünen sie quasi als Koalitionspartner der ÖVP abgelöst. Auch inhaltlich stehen sich Blau und Grün in fast allen Punkten diametral gegenüber, da wundert mich diese Kritik nicht wirklich“, meint Wöss.
Wirbel um Justizministerin Alma Zadic
Bei der Verteilung der Ministerposten gab es vonseiten der Freiheitlichen massive Kritik an der neuen Justizministerin Alma Zadic. „Die Grün-Politikerin wird von Bundespräsident Van der Bellen angelobt, obwohl sie – zwar noch nicht rechtskräftig – aber erstinstanzlich in einem medienrechtlichen Verfahren wegen übler Nachrede verurteilt ist. Unter normalen Umständen wäre das alles andere als eine Eintrittskarte in ein derart sensibles Ressort“, meint Brückl. Laut dem Nationalratsabgeordneten hat in diesem Fall Alexander Van der Bellen ein Auge zugedrückt, da es sich um eine Grün-Politikerin handelt.
Offenes Österreich
Bertold Wöss hingegen sieht die Bestellung von der gebürtigen Bosnierin als ein starkes Zeichen für ein offenes Österreich. „Alma Zadic ist eine exzellente Juristin und die beste Person für den Job. Ihre Bestellung ist ein starkes Zeichen für ein offenes Österreich, in dem man unabhängig von der Herkunft bis in höchste Ämter gelangen kann, wenn man fachlich geeignet ist“, meint Wöss.
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