Farbenverbot in Kraft: Tätowierer bangen um ihre Existenz
SCHÄRDING. Tätowierer dürfen laut einer neuen EU-Verordnung in Zukunft nicht mehr auf bestimmte Farben und Farbtöne zurückgreifen. Ein schwerer Schlag für die Branche. Das bestätigt auch Dominik Radlinger, Inhaber des Studios „Ink‘n‘Roll Tattoo“ in Schärding. Im Interview mit Tips spricht der 31-jährige Innviertler unter anderem über die Zukunftsaussichten der Tätowierer.
Tips: Herr Radlinger, durch die REACH-Verordnung der Europäischen Kommission ECHA (European Chemicals Agency) dürfen in Zukunft bestimmte Farb-, Schwarz- und Grautöne nicht mehr verwendet werden, da deren Inhaltsstoffe angeblich krebserregend oder allergieauslösend sein können. Was bedeutet dies für die Tattoo-Branche?
Radlinger: Das ist leider ein harter Schlag. Extrem ärgerlich für uns, aber auch unsere Kunden. Bereits begonnene Projekte können zum Beispiel nicht mit denselben Tätowiermitteln fertiggestellt werden. Unsere jahrelangen Erfahrungen – was zum Beispiel Heilungsprozesse und den Farbton des zu verheilenden Tattoos betrifft – werden über Bord geworfen. Die Verordnung betrifft aber auch zum Beispiel die Permanent-Make-up-Branche.
Tips: Das Verbot kommt nicht wirklich überraschend. Hätten die Farbhersteller früher auf die neue Situation reagieren müssen?
Radlinger: Ich denke, man kann den Farbenherstellern nicht unterstellen, dass sie nicht reagiert hätten. Ich bin eher der Meinung, dass es nicht gerade einfach ist, den ganzen Regularien und Verordnungen gerecht zu werden. Fakt ist aber, dass am gesamten europäischen Markt zum heutigen Zeitpunkt so gut wie keine Farben verfügbar sind. Das heißt, sollte sich das Angebot in den nächsten Wochen nicht stabilisieren, werden ich und wahrscheinlich viele meiner Kollegen unsere Studios schließen müssen. Zumindest solange die Farben nicht verfügbar sind. Dies wäre fatal.
Tips: Aktuell können nur wenige Hersteller die nach wie vor erlaubten Farben liefern. Könnte es dadurch zu noch längeren Wartezeiten bei den Terminen kommen?
Radlinger: Wer sich von mir tätowieren lassen will, muss bis zu 1,5 Jahre auf einen Termin warten. Eine weitere Schließung würde ein Terminchaos auslösen. Noch längere Wartezeiten wären der Fall.
Tips: Betrifft die neue Verordnung alle Farben?
Radlinger: Entgegen dem Irrglauben, dass durch REACH „nur“ farbige Tattoofarben betroffen sind, gilt die neue Regelung für alle Farben – auch Schwarz und Weiß.
Tips: Ein weiteres Farben-Verbot könnte die Branche aber noch mehr treffen?
Radlinger: Ein weiteres geplantes Verbot kommt 2023 auf uns zu. Es werden die nicht ersetzbaren Pigmente „Blue 15“ und „Green 7“ verboten.
Tips: Was würde dies bedeuten?
Radlinger: Wenn es soweit kommt, dann wird es leider dunkel in der Tattoobranche, denn diese Pigmente sind in über 75 Prozent der Farben enthalten.
Tips: Branchensprecher Erich Mähnert hat eine Petition für den Erhalt der beiden Pigmente eingereicht.
Radlinger: Ja. Auch wenn die REACH-Verordnung bereits in Kraft ist, würden wir Tätowierer alle Tattoofans bitten, die vom Tätowierer und Branchensprecher Erich Mähnert eingereichte Petition „Save the Pigments“ zu unterstützen. Petition NR 1072/2020. Bitte gebt uns eure Stimme.
Tips: Glauben Sie, dass die neue Verordnung dazu führen könnte, dass sich die Leute vermehrt in Ländern außerhalb der Europäischen Union, wo andere Gesetze gelten, oder auf illegalem Wege tätowieren lassen?
Radlinger: Eine gute Frage. Ich persönlich glaube nicht, dass es dazu kommen wird. Ein Tattoo ist etwas für die Ewigkeit. Deswegen spielen bei der Auswahl eines Studios im Normalfall viele Faktoren eine Rolle. Es kommt nicht nur auf die verwendeten Materialien an. Den meisten Kunden sind Faktoren wie eine kompetente Beratung, Wohlfühlfaktor, Hygiene und Vertrauen sehr wichtig. Wenn sich der Markt an Tattoo-Supply wieder stabilisiert hat, müssen wir nicht befürchten, dass Hinterhoftätowierer von der aktuellen Situation profitieren.
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