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1200 Jahre lebendige Geschichte in der Gemeindechronik

Mag. Claudia Greindl, 28.09.2016 18:01

SCHÖNAU. Ein unermesslich wertvoller Schatz – nicht im wörtlichen, jedoch im ideellen Sinn — ist vor Jahren beim Abriss des alten Gemeindeamtes zutage getreten: Tausende alte Dokumente aus früheren Tagen zeugen von regionalen Ereignissen, die längst der Vergessenheit anheim gefallen sind. Dr. Dieter Eder hat sie in jahrelanger akribischer Arbeit gesichtet, sortiert und in eine Gemeindechronik verwandelt.

  1 / 3   Neben Einleger-Büchern, die bis zum Zweiten Weltkrieg eine Art Altersversorgung für arbeitsunfähige Menschen sicherten, und alten Gemeinderats-Protokollen hat Dr. Dieter Eder auch Kundmachungen und Plakate aus der jüngeren Schönauer Geschichte archiviert. Im Bild der Lokalhistoriker mit einer Kundmachung der Bundespräsidentenwahl vom Mai 1957. Foto: Greindl

„In vielen Gemeinden sind alte Dokumente nach dem Zweiten Weltkrieg vernichtet worden, um den Russen kein belastendes Material zu liefern“, weiß Eder. Der passionierte Erforscher der Regionsgeschichte und Autor des Schönauer Heimatbuches hat sich in den vergangenen Jahren buchstäblich in die Aufarbeitung der alten Unterlagen aus 1200 Jahren hineingekniet. „Beim Ordnen habe ich mich ungefähr an das System gehalten, das im Archiv von Sachsen-Coburg-Gotha in der Greinburg verwendet wird“, berichtet der Schönauer, der diese Sammlung schon oft als Geschichtsquelle konsultiert hat.

Index mit 150 Seiten

Ein raumhohes Regal mit bunten Schachteln, fein säuberlich beschriftet, zeugt vom Erfolg von Eders Bemühungen. „Allein der Index hat 150 Seiten“, schmunzelt Eder. Dass dieser auch funktioniert und zu den gewünschten Dokumenten führt, ist leicht unter Beweis gestellt: „Kampflied der Bauern“ aus 1626 listet der Index auf, und tatsächlich findet sich die gewünschte Schrift in der angegebenen Schachtel. Das älteste Dokument, eine Kopie der Schenkungsurkunde des „Regensburger Luß“ , stammt aus dem Jahr 853. Dieser Landstrich zwischen den Flüssen Aist und Naarn war im Jahr 853 von Grenzgraf Wilhelm in Linz dem Kloster St. Emmeram in Regensburg geschenkt worden. Neben der Urkunde aus dem Jahr 1230 mit der Ersterwähnung von Schönau finden sich auch etliche Weistümer, also Hausrechte der mittelalterlichen Herrschaften, in der Gemeindechronik. Teils stammen die Schriften auch aus Eders privater Sammlung für seine Dissertation. Ebenfalls zu finden: Kuriositäten wie Pläne für den Eisenbahnbau Langschlag-Unterweißenbach-Pregarten zwischen 1880 und 1914. „Die Trasse war schon ausgesteckt, dann ist der Krieg gekommen, und später gab es schon die Postbusse“, weiß Dr. Eder.

„Aus neuerer Zeit haben mir viele Leute Unterlagen zukommen lassen, etwa Schulhefte aus der NS-Zeit“, berichtet der Lokalhistoriker weiter. Dem Nationalsozialismus ist in der Chronik überhaupt viel Platz eingeräumt. Viele Dokumente zeugen vom Kriegsalltag der Menschen. Besonders freut sich Dr. Dieter Eder, dass seine Sammlung auch praktischen Nutzen zeigt: Ein polnischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter, der 1944 in einem Lager in Schönau untergebracht war, hatte vor Jahren um Entschädigungszahlung durch die Republik angesucht. „Die bei uns erhaltene Zigaretten-Zuteilungsliste, auf der sein Name stand, hat als Beweis gegolten – der Mann hat sein Geld bekommen.“ Besonders ist auch das Plakat der Glockenweihe aus dem Jahr 1947: „Die neue Glocke – die alte wurde im Krieg zur Munitionserzeugung verwendet – läutete die längste Friedenszeit in der Gemeindegeschichte ein.

Kuriositäten

Zu den Kuriositäten in der Chronik zählt unter anderem auch ein Schriftverkehr von Schönau mit der Gemeinde Kronstorf über die Übernahme von Behandlungskosten für den späteren Bundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger: Dessen Vater stammte aus der Schönauer Ortschaft Strass, die Mutter zog nach dem Tod ihres Mannes nach Kronstorf, wo der 1915 geborene junge Rudolf als Teenager erkrankte. Das Heimatrecht besaß dieser aber laut Herkunft des Vaters in Schönau, weshalb die Gemeinde auch für die Arzt- und Medikamentenkosten aufkommen musste.


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