Regisseur Juho Saarinen lehrt gehörlosen Kindern und Jugendlichen die Schauspielkunst
ST. PÖLTEN. Der Finne Juho Saarinen ist Schauspieler, Tänzer, Regisseur und Choreograf. Bis Juni hält er im Kulturheim Nord einen fünftägigen Schauspielworkshop mit Kindern und Jugendlichen ab. Bemerkenswert ist, dass Saarinen wie seine Teilnehmer gehörlos ist und alles völlig geräuschlos wortwörtlich über die Bühne geht.
Saarinen machte 1992 einen Master in zeitgenössischem Tanz an der Theater-Akademie Helsinki, arbeitet und wohnt aber seit einigen Jahren in München. Im Workshop werden die Kinder und Jugendlichen in Schauspiel, Film und Fotografie und zu einem kleinen Teil im Comiczeichnen unterrichtet. „Ihre Kreativität soll gefördert werden, damit sie selbstständig und mutig auf der Bühne stehen und ihre Sprache – die Gebärdensprache – nach außen tragen. Es gibt ja viele Gehörlose, die sich für Kunst interessieren, aber nicht genau wissen, wie sie das Handwerkszeug dazu lernen können“, gebärdet Saarinen.
Gebärdensprachen haben verschiedene Dialekte
Wenn man Saarinen und die Teilnehmer auf Bänken sitzend miteinander gebärden sieht, wirkt die Welt der Gehörlosen auf einen Hörenden fremd und eigenartig. Im großen, leeren Saal des Kulturheims ist es völlig still. Lediglich Hand- und Mundbewegungen, vereinzelte unartikulierte Geräusche und Gelächter sind zu hören. Aufgrund der Unterschiede zwischen der finnischen und österreichischen Gebärdensprache (es gibt sogar einen eigenen niederösterreichischen Dialekt) gebärden Saarinen und die Teilnehmer in einer internationalen Gebärdensprache, die an die American Sign Language angelehnt ist.
„Spüre den Rhythmus und die Bässe“
Auf die Frage, ob man Emotionen und Botschaften wie Lob und Kritik durch Gebärdensprache genauso gut kommunizieren kann wie durch das gesprochene Wort, sagt Saarinen: „Selbstverständlich. Man spricht mit dem ganzen Körper und kann auch durch die Mimik sehr viel ausdrücken.“ Musik, die man als Hörender unweigerlich mit Schauspiel verknüpft, fehlt dem 52-Jährigen gar nicht. „Ich kann die Vibrationen spüren. Wenn jemand auf eine Trommel schlägt, spüre ich den Rhythmus und die Bässe.“ In der Welt der Gehörlosen sei es nicht so, dass sich die Tänzer der Musik anpassen, sondern die Musik an die Bewegungen der Tänzer.
Rappen in Gebärdensprache
Ähnlich denkt auch der zehnjährige Stefan, einer der jüngsten Teilnehmer des Workshops. „Ich habe kein großes Interesse an Musik, denn ich sehe nur die Menschen, kenne aber den Inhalt nicht“, meint er. In der Gehörlosenwelt gebe es aber dennoch so etwas wie Musik-Stars wie beispielsweise die finnische Hip Hop-Band Signmark, deren Kopf der gehörlose Rapper Marko Vuoriheimo ist. Während Vuoriheimo seine Texte in Gebärdensprache rappt, übersetzt sie ein anderes Bandmitglied in die Sprache der Hörenden, die von einem DJ musikalisch unterlegt wird. Da er von Geburt an gehörlos ist, vermisst Stefan das Hören nicht – im Gegenteil. „Hörende klagen oft, dass es ihnen zu laut ist. Ich habe es ruhig und kann mich besser konzentrieren“, berichtet er.
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