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Globetrotter Bernhard Brenner und die Sehnsucht nach fernen Ländern

Thomas Lettner, 21.03.2018 12:00

ST. PÖLTEN. Bernhard Brenner ist Fotograf, Reiseleiter und Mitveranstalter des 1. St. Pöltner Reise- und Abenteuertags, der im Februar im Kulturhaus Wagram stattfand. Vor Jahren hing er seinen Job als Lehrer an den Nagel, um sich die Welt anzuschauen, und weiß somit über die Reize aber auch über die negativen Seiten des Reisens Bescheid. 

  1 / 5   Der St. Pöltner Bernhard Brenner vor dem Taj Mahal, einem Mausoleum (Grabgebäude) in Agra im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Fotos: Bernhard Brenner

Tips: Wie viele Länder haben Sie in Ihrem Leben schon bereist?

Brenner: Ich habe sie noch nie gezählt. Es macht für mich auch keinen Sinn, denn ich reise nicht, um einen Stempel in meinem Pass zu haben und um Länder abzuhaken, sondern mir ist viel wichtiger, die Länder intensiv wahrzunehmen. Irgendwohin zu reisen, um sagen zu können, ich war dort, entspricht nicht meiner Philosophie. Deswegen ist mir die Anzahl der Länder ziemlich wurscht. Es waren aber einige.

Tips: Was bedeutet Reisen für Sie?

Brenner: Prinzipiell hat Reisen mit Neugierde zu tun, um andere Dinge kennenzulernen und den eigenen Horizont zu erweitern. Reisen heißt für mich Begegnung mit Menschen, das Leben, die Umwelt, die Natur und ihre Elemente bewusst wahrzunehmen. Bis zu einem gewissen Grad ist Reisen wenn man zeitlich ungebunden ist eine gewisse Form von Freisein; dass man nicht den Druck hat, irgendwo zu sein, dass man Zeit und keine Termine hat. Man kann bleiben, wo es einem gefällt, und wenn es einem wo nicht gefällt, fährt man halt weiter.

Tips: Urlaube wie Kreuzfahrten oder Magic Life-Aufenthalte sind dann wohl eher nichts für Sie?

Brenner: Nein. Was erlebt man schon in einem Magic Life-Club? Wenn man dort an der Bar hängt oder in der Sonne liegt, bleibt nicht viel übrig. An was wird man sich später zurückerinnern? An nichts, außer man macht im Club eine nette Bekanntschaft. Reisen heißt, die Komfortzone und die Wohlfühlzone zu verlassen. Es gehört dazu, dass es einem nicht immer gut geht, denn beim Reisen ist nicht immer alles lustig. Was bleibt, sind Erlebnisse und Begegnungen, und die kann einem niemand mehr nehmen.

Tips: Sie sind ja Reiseveranstalter und haben schon vielen Vorträgen beigewohnt. Welche Vorträge fanden Sie am interessantesten?

Brenner: Bei den Vorträgen gibt es zwei Kategorien: Bei den meisten Referenten fängt es so an, dass sie eine tolle Reise unternommen haben, die sie vorher nie geplant hatten. Dann berichten sie über die Reise, und das Publikum ist begeistert. Die Referenten tappen dann aber in die Falle, zu glauben, sie könnten davon leben, und sie fangen an, Shows zu produzieren. Das funktioniert dann meistens nicht mehr und endet oft in Länderreportagen und Länderporträts. Da kann man sich eine Universum-Produktion aber auch anschauen. Mir gefallen eher Präsentationen, die anders sind und die sich nicht nach einem gewissen Markt richten; Präsentationen, die ein anderes Lebensmodell veranschaulichen wie die Seenomaden, die 1989 ausgestiegen sind und mit dem Segelboot um die Welt tingeln. Die machen ganz tolle Präsentationen, die auch von Herzen kommen und wo man spürt, dass sie einen anderen Zugang zum Leben haben.

Tips: Gibt es Reiseziele, in die Sie unbedingt noch reisen wollen?

Brenner: Es gibt noch viele weiße Flecken auf der Landkarte. Das einzige Problem ist, dass uns die Zeit davon läuft, da wir in einem Zeitalter leben, in dem viele Kulturen, Minderheiten und Sprachen verschwinden. Das ist sehr schade. Ich habe daher bevorzugt Reiseziele ausgewählt, wo ich Minderheiten besuche oder Kulturen anschaue, die am Verschwinden sind wie Papua-Neuguinea oder Nomaden-Kulturen. Letztere sind überall auf der Welt unter Druck, werden zwangsangesiedelt und werden verschwinden. Damit verschwindet leider auch das Wissen der Nomaden, beispielsweise wie man mit Ressourcen haushält. Daher fahre ich momentan auch nicht nach Island, weil die Vulkane dort auch in dreißig Jahren noch ausbrechen werden, der Indianerstamm im Amazonasgebiet ist dann aber weg.

Tips: Viele Menschen hegen den Traum von einer Weltreise oder einem längeren Auslandsaufenthalt. So romantisch wie in der Vorstellung ist es aber wahrscheinlich nicht?

Brenner: Es gibt hier zwei Zugänge. Man kann eine Weltreise buchen, bei der man in drei Wochen um die ganze Welt fliegt und Sehenswürdigkeiten ansieht und bei der man die Komfortzone nie verlassen muss. Mir persönlich ist das zu wenig. Mir sind Land und Leute wichtig, mich interessiert, wie die Menschen leben. Wenn ich wählen kann zwischen der Bar in einem Fünfsterne-Hotel und einem Lagerfeuer in einem Nomadenzelt, dann ist die Entscheidung für mich ganz klar.

Tips: Wie bereitet man sich auf eine lange Reise vor?

Brenner: Das hängt davon ab, was man macht - ob man nun mit dem Rucksack im öffentlichen Verkehr durch die Welt reist, oder ob man auf Pferden durch die Pampa reitet, wo es schnell einmal gefährlich werden kann. Da muss man sich natürlich ganz anders vorbereiten. Prinzipiell schadet es nicht, sich über das Reiseland zu informieren. Das betrifft nicht nur das Klima, sondern auch die Kultur. Wenn ich mit der arabischen Kultur nichts anfangen kann und nicht irgendwelche Kleidervorschriften einhalten will, ist es vielleicht besser, ich fahre nicht dort hin. Wenn man ungebunden ist, ist man nur sich selber Rechenschaft schuldig und keinem anderen. Das Risiko sollte man auch immer beachten, denn wenn ich noch nie gesegelt bin und dann gleich mit dem Segelboot über das Meer fahren will, ist es nicht der richtige Zugang. Ich kenne aber auch einige, die keinen Plan hatten und bei denen es trotzdem funktioniert hat.

Tips: Warum träumen viele Menschen zwar von einer Weltreise, trauen sich aber nicht, eine zu unternehmen?

Brenner: Prinzipiell ist es in unserer Gesellschaft so, dass wir ein Sicherheitsdenken haben. Sonja Endlweber (ritt per Pferd von Mexiko nach Alaska), die ihren Managerjob gekündigt hat, um ein Aussteigerleben zu leben, hatte kein Backup und keine Pensionsversicherung. Das ist für viele aber ein Hindernis. Man hat materielle Ängste, ein Haus, ein Auto und so weiter. Es ist zwar immer romantisch, von einem Aussteigerleben zu träumen, aber es ist in Wahrheit nicht romantisch. Man muss dabei seine Komfortzone verlassen. Es herrschen Hitze und Kälte, und es ist mit beinharter Arbeit verbunden. Es ist ja nicht so, dass man als Aussteiger die Füße hochlagern kann. Vielen Menschen ist schon bewusst, dass sie so ein Leben nicht packen würden.

Tips: Es gibt sicher auch Fälle von Aussteigern, die sich hoffnungslos verschuldet haben oder später mit nichts dagestanden sind?

Brenner: Ja sicher. Es gibt sicher Fälle von Menschen, die verschwunden sind und von denen man nie wieder etwas gehört hat, denen es auch nicht gut gegangen ist. Die haben sich aber zumindest getraut, eine Reise zu unternehmen. Klar denken sich sicher viele, es wäre super, wie die Seenomaden auf dem Segelboot über die Welt zu schippern, aber wenn man drei Monate nur von Fisch lebt, würden es die meisten nicht mehr machen.

Tips: Können Sie empfehlen, sich dennoch zu trauen?

Brenner: Man muss halt der Typ dafür sein. Es ist sicher nicht für jeden geeignet, und auf Biegen und Brechen wird es nicht funktionieren.

Tips: Welche Charaktereigenschaften muss man für eine solche Reise besitzen?

Brenner: Man muss anspruchslos sein und mit wenigem zufrieden sein. Viele haben große Verlustängste. Warum machen viele einen 40 Stunden-Job, mit dem sie ihr ganzes Leben lang todunglücklich sind?  Ich kenne genug, die nur auf die Pension hinsparen, um endlich aus dem Trott draußen zu sein; die sich nie trauen, den Job zu verlassen und ein Risiko einzugehen. Als ich meinen Lehrerjob gekündigt habe, haben meine Kollegen gesagt: „Oh mein Gott, wie kannst du einen sicheren Job kündigen? Warum tust du das?“ Als sie gesehen haben, dass es doch funktioniert, kamen alle und sagten: „Ich wollte das auch immer tun, aber ich konnte ja nie.“ Es gehört sicher eine Portion Mut dazu, aber das gilt nicht nur für das Reisen, sondern man kann sich auch beruflich trauen, einen anderen Weg zu gehen. Durch meine Familie habe ich meine Reisen ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Wenn meine Kinder irgendwann aus dem Haus sind, wird das Reisen wieder einen größeren Stellenwert haben.

Tips: Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie Lehrer geblieben wären?

Brenner: Das ist schwer zu sagen, aber wenn ich mir die frustrierten Kollegen von damals anschaue, nichts Gutes. In unserem Schulsystem sind viele ausgebrannt. Mir hat das Unterrichten aber prinzipiell Spaß gemacht.

Tips: Hat es bei Ihnen Situationen gegeben, in denen Sie gedacht haben, es wäre besser, Sie gingen wieder in Ihren alten Job zurück?

Brenner: Nein, das habe ich mir nie gedacht. Ich hatte unterwegs auch nie das Gefühl, heim zu müssen. Das Gefühl hatte ich zum ersten Mal, als meine Kinder da waren. Ich war auch nie in einer Notsituation, außer einmal bei einer Tour mit einer kleinen Gruppe. Mitten im Dschungel in Papua-Neuguinea ist mir ein Mitreisender umgekippt. Das war stressig, weil wir ein paar Tage ins nächste Krankenhaus gebraucht hätten. Solche Situationen gehören aber dazu.


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