Der lange Weg eines Worts aus der Umgangssprache ins Österreichische Wörterbuch
ST. PÖLTEN/WIEN. Die St. Pöltnerin Christiane M. Pabst ist seit 2014 Präsidentin des Österreichischen Wörterbuchs. Gemeinsam mit Konsulenten aus verschiedenen Fachbereichen und der Akademie der Wissenschaften entscheidet sie, welche Wörter Eingang ins Wörterbuch finden.
Christiane M. Pabst studierte Germanistik sowie Psychologie, Pädagogik und Philosophie auf Lehramt. Danach absolvierte sie ein Postdoktorat in germanistischer Sprachwissenschaft und eines über allgemeine Sprachwissenschaft in Brasilien. Forschungsschwerpunkte mit Bezug auf Wörterbücher waren Teil ihrer Arbeit. So arbeitete Pabst am Großen Karl Kraus-Wörterbuch (Wörterbuch der Redensarten) und am Großen Deutsch-Russischen Wörterbuch der Akademie Moskau mit und war als Konsulentin beim Österreichischen Wörterbuch für die Grammatik zuständig. Als der vorherige Chefredakteur in Pension ging, rückte Pabst als neue Präsidentin nach.
„Vollholler“ schlug ein
Das Österreichische Wörterbuch wird im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung vom Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) in Wien herausgegeben. 2016 erschien die 43. Auflage, die rund 94.000 Stichwörter enthält. „Zuerst wird von Auflage zu Auflage eine Wortsammlung erstellt. Dabei arbeiten wir eng mit der Akademie der Wissenschaften und Konsulenten aus verschiedenen Fachbereichen wie Medizin, Jus, Wirtschaft oder Sprache zusammen“, berichtet Pabst. Wörter, die einerseits eine hohe Nutzungsfrequenz aufweisen und andererseits wichtig in der Alltagssprache sind, kommen auf eine Wortliste. In den Fokus der Begutachter gerückt ist aktuell das Wort „Donnerstagdemo“. Eingeschlagen habe auch das Wort „Vollholler“ von Ex-Bundeskanzler Christian Kern. Wichtig ist, dass die Wörter nicht gleich wieder von der Bildfläche verschwinden, so wie es bei den „Unwörtern des Jahres“ oft der Fall ist.
Bedeutung des Dialekts
Gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften und dem Konsulenten-Team wird entschieden, welches umgangssprachlich verwendete Wort ins Wörterbuch aufgenommen wird beziehungsweise ob schon darin vorhandene Wörter eine erwähnenswerte Definitionsänderung durchmachen. Ein Beispiel hierfür ist „der Alte“ in Bezug auf die Verwendung in der Grußformel. Auch Dialektwörter werden aufgenommen, sofern sie häufig verwendet werden oder eine bedeutungsgleiche Form in der Standardsprache nicht existiert.
Einbau von Anglizismen
Pabst ist auch Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung. Dessen Aufgabe ist es, Rechtschreibregeln abzuändern und eine für den deutschen Sprachraum einheitliche Schreibweise vorzuschlagen. „Im deutschländischen Deutsch und dem Schweizer und Österreichischen Deutsch gibt es Unterschiede bei den Wörtern und der Grammatik“, sagt Pabst. Anfang der 90er-Jahre schaffte beispielsweise die umgangssprachlich verwendete Struktur „wegen dem“ statt „wegen des“ den Einzug in die Standardsprache. Der Rat schlägt auch die Schreibung von ausländischen Wörtern – die meisten kommen aus dem Englischen (Anglizismen wie „Coffee to go“ oder Scheinanglizismen wie „Handy“) – vor und regelt die Groß- und Kleinschreibung.
Großes Thema Gendern
Die Entfernung von Wörtern, selbst wenn sie nicht mehr verwendet werden, sieht Pabst skeptisch. „Das Wörterbuch wird nicht nur wegen der Rechtschreibung genutzt, sondern auch, um die Bedeutung eines Worts nachzuschauen“, begründet sie. Dasselbe gilt auch für Bezeichnungen wie „Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung“, das bis 2016 „Bundesministerium für Bildung und Frauen“ hieß. In der 43. Auflage sind daher beide Bezeichnungen zu finden. Ein großes Thema ist derzeit das Gendern. Hier sieht Pabst die Gesellschaft allerdings in Zugzwang. „Eine Sprache bildet immer das Zusammenleben und die Gesellschaft ab. Wir leben die Geschlechtergleichstellung aber noch nicht. Ansonsten hätte die Sprache schon eine Form gefunden, sie abzubilden“, meint sie.
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