Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Demenz-Service/Hotline des NÖGUS berät Betroffene und Angehörige über die Krankheit Demenz

Thomas Lettner, 08.08.2018 08:07

ST. PÖLTEN. Der 22. Juli war der Welttag des Gehirns. Aus diesem Anlass sprachen wir mit Andreas Schneider, Demenz-Hotline-Experte und Leiter des Demenz-Service NÖ, über die Krankheit Demenz, ihre Formen und Ursachen sowie über die Auswirkungen auf Betroffene und Angehörige.

  1 / 2   Die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, nimmt ab einem Lebensalter von 65 Jahren stark zu. Symbolfoto: Weihbold

Tips: Was versteht man unter einer Demenz?

Andreas Schneider: Bei Vorliegen einer Demenz (Latein: „dementia“ bedeutet „ohne Geist“) kommt es zum Abbau kognitiver emotionaler und sozialer Fähigkeiten, der zu einer Beeinträchtigung von sozialen und beruflichen Funktionen führt. Vor allem ist das Kurzzeitgedächtnis, das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, und bei einigen Formen auch die Persönlichkeit betroffen. Entscheidend ist der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung. Nicht alle Demenzursachen sind geklärt – trotzdem können einige Formen medikamentös behandelt werden, das heißt man kann durch Therapie die Symptome abschwächen.

Tips: Wie unterscheidet sich die Demenz zum Morbus Alzheimer?

Schneider: Die am häufigsten auftretende Demenzform, aber bei weitem nicht die einzige, ist die Alzheimer-Krankheit. Für die Demenztherapie ist die Klärung der zugrunde liegenden Ursachen von Bedeutung, da es auch reversible Demenzformen gibt. Weit mehr als die Hälfte aller Demenzpatienten haben die Alzheimerkrankheit. Alzheimerpatienten leiden an langsam fortschreitenden Gedächtnis- und Denkstörungen und infolge dessen an Beeinträchtigungen der Alltagsaktivitäten bei wachem Bewusstsein. Die Symptome müssen per Definition länger als sechs Monate andauern. Das prägnanteste Frühsymptom der Alzheimerdemenz ist die eindeutige und zunehmende Beeinträchtigung des Gedächtnisses für Ereignisse (Episoden) des Alltags.

Tips: Welche Formen und Stadien der Demenz gibt es?

Schneider: 60 Prozent aller Demenz-Erkrankungen betreffen die Alzheimer-Krankheit, zehn Prozent Durchblutungsstörungen des Gehirns, 15 Prozent sind Mischformen von Alzheimer und Durchblutungsstörungen und bei bis zu 15 Prozent handelt es sich um andere Demenzformen. Anzeichen einer leichten Demenz sind leichte bis mittelschwere Gedächtnis- und/oder Orientierungsstörungen (zum Beispiel längeres Nachdenken oder keine Erinnerung an Inhalte kürzlich geführter Gespräche, langes Nachdenken, um sich an den aktuellen Monat oder das aktuelle Jahr zu erinnern, Veränderungen bei der sozialen Aktivität). Des Weiteren kommt es oftmals zu Schwierigkeiten bei Alltagshandlungen – Sie können nicht mehr oder nur mühsam durchgeführt werden (zum Beispiel Bewältigen des Haushalts, finanzielle Angelegenheiten können nicht mehr geregelt werden, Nachgehen gesellschaftlicher Aktivitäten ist nicht mehr alleine möglich, Probleme bei Routinetätigkeiten, Aufforderung zur Körperpflege ist notwendig). Eine mittelschwere Demenz ist durch stark ausgeprägte Gedächtnisprobleme (zum Beispiel nichts Neues kann mehr gemerkt werden, Erlebnisse werden innerhalb weniger Minuten wieder vergessen) sowie eine zeitliche Desorientierung (Betroffene wissen nicht mehr, welcher Monat oder welches Jahr gerade ist) gekennzeichnet. Hobbys und die häusliche Arbeit werden vernachlässigt und außerhäusliche Beschäftigungen können nicht mehr alleine ausgeführt werden. Oftmals benötigen Betroffene Unterstützung bei der Körperhygiene und beim Anziehen. Eine schwere Demenz ist dadurch charakterisiert, dass die oder der Betroffene nur noch über einzelne Bruchstücke seines Altgedächtnissen verfügt (das heißt einige wenige Erinnerungsreste an Einzelheiten der früheren Lebensgeschichte), und diese auch nicht in einen zeitlichen Zusammenhang bringen kann. Meistens sind die Betroffenen zu keinerlei Alltagshandlungen mehr imstande und können deshalb keine Entscheidungen mehr treffen. Mit dem Fortschreiten der Krankheit können Betroffene ihren Alltag in der Regel nicht mehr alleine bewältigen und zeigen starke Einschränkungen in ihren sozialen und praktischen Fähigkeiten.

Tips: Welche pathologischen Veränderungen entstehen im Gehirn eines Betroffenen?

Schneider: Im Gehirn von Alzheimer-Patienten bilden sich senile Plaques und fibrilläre Ablagerungen. Die Proteinablagerungen der Plaques bestehen im Wesentlichen aus dem Beta-Amyloid-Peptid. Im Krankheitsverlauf nimmt die Hirnmasse durch das Absterben von Neuronen vermehrt ab. Man spricht dabei von einer Hirnatrophie. Außerdem wird der Botenstoff Acetylcholin nicht mehr in ausreichenden Mengen produziert, was zu einer allgemeinen Leistungsschwächung des Gehirns führt.

Tips: Wie schwer ist Demenz zu diagnostizieren?

Schneider: Demenz ist schwer zu diagnostizieren. Mittels verschiedener Untersuchungen durch Psychologen und Mediziner kann „ein bisschen Vergesslichkeit“ von einer wirklichen Demenzerkrankung unterschieden werden.

Tips: Welche Untersuchungen gibt es, um Demenz festzustellen?

Schneider: Es gibt einerseits körperliche und neuropsychiatrische Untersuchung durch den Arzt, Tests zu Gedächtnis, Sprache und Orientierung durch den Arzt und/oder klinischen Psychologen, Laborbefunde (Blut, EKG) oder Computertomografie und/oder Magnetresonanz-Untersuchungen des Gehirns.

Tips: Auf welche Lebensbereiche kann sich Demenz auswirken?

Schneider: Auf Beziehungen, Selbständigkeit, Sozialkontakte, Wohnen und auf Alltagsaktivitäten wie Autofahren, Einkaufen, Haushalt et cetera.

Tips: Wie kann man Demenz vorbeugen oder ihre Entstehung verlangsamen beziehungsweise wenn möglich ganz verhindern?

Schneider: Ein gesunder Lebensstil reduziert das Risiko, an Demenz zu erkranken. Risikofaktoren sind beispielsweise Bewegungsmangel, Übergewicht, fettreiche Ernährung, wenige soziale Kontakte, wenige geistig fordernde Tätigkeiten, Rauchen, Alkohol, Diabetes und Bluthochdruck. Wer also gesund lebt, tut seinem Gedächtnis nachweislich etwas Gutes. Je früher eine Demenzerkrankung festgestellt wird, desto früher kann dem Fortschreiten entgegengewirkt werden. Betroffene können über einen längeren Zeitraum ihren Alltag trotz Demenz selbstständig gestalten, ohne auf die unmittelbare Hilfe anderer angewiesen zu sein. Somit tragen die Früherkennung und die rasche Diagnosestellung maßgeblich zur Lebensqualität von Betroffenen und ihrer An- und Zugehörigen bei. Demenz verhindern kann man allerdings nicht.

Tips: Wie kann man eine Demenz an sich oder an anderen Menschen feststellen beziehungsweise was sind typische Anzeichen einer beginnenden Demenz?

Schneider: Anzeichen einer leichten Demenz sind leichte bis mittelschwere Gedächtnis- und/oder Orientierungsstörungen (zum Beispiel längeres Nachdenken oder keine Erinnerung an Inhalte kürzlich geführter Gespräche, langes Nachdenken, um sich an den aktuellen Monat oder das aktuelle Jahr zu erinnern, Veränderungen bei der sozialen Aktivität). Des Weiteren kommt es oftmals zu Schwierigkeiten bei Alltagshandlungen – Sie können nicht mehr oder nur mühsam durchgeführt werden (zum Beispiel Bewältigen des Haushalts, finanzielle Angelegenheiten können nicht mehr geregelt werden, Nachgehen gesellschaftlicher Aktivitäten ist nicht mehr alleine möglich, Probleme bei Routinetätigkeiten, Aufforderung zur Körperpflege ist notwendig).

Tips: Wie reagieren Betroffene darauf meistens?

Schneider: Der Typ, der der Mensch vor der Demenzerkrankung war, bleibt er auch. Ein Aggressiver bleibt aggressiv, ein Ruhiger bleibt ruhig, ein Panischer bleibt panisch. Ein Gleichgültiger bleibt gleichgültig, und so weiter.

Tips: Was sind typische Bewältigungsstrategien von Betroffenen, um ihre Krankheit vor den Mitmenschen zu verbergen?

Schneider: Begriffe und Wörter werden ungenau und weitschweifend umschrieben und sie beginnen, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Betroffene haben Mühe einem Gespräch zu folgen, es kommt zu Wort-Wiederholungen oder „Klebenbleiben“ an einem Thema.

Tips: Wie groß ist der Anteil der Betroffenen, die keine Hilfe aufsuchen?

Schneider: Die Dunkelziffer beträgt circa 40 Prozent zu Beginn der Erkrankung.

Tips: Wie sollten sich Angehörige verhalten, wenn sie merken, dass ein Familienmitglied an Demenz erkrankt ist?

Schneider: Als erstes sollten sie Erst-Informationen über die Krankheit einholen und dann Experten des Demenz-Services NÖ kontaktieren. Als dritten Schritt soll man sich die Diagnose Demenz stellen lassen und darauf ein ganzheitliches Behandlungskonzept unterstützen.

Tips: Was können Angehörige, Freunde oder Mitmenschen tun, um an Demenz erkrankte Personen zu unterstützen?

Schneider: Grundsätzlich gilt für die Angehörigen, sich Zeit zu nehmen und auf das Tempo der Kranken einzulassen. Man sollte Geduld und Zuwendung zeigen und aufbringen, Reizüberflutungen sowie Unter- und Überversorgung vermeiden und professionelle Angebote annehmen.

Tips: Was sollten Angehörige, Freunde oder Mitmenschen des an Demenz Erkrankten auf jeden Fall unterlassen?

Schneider: Die Gefühle der Betroffenen anzweifeln, ablenken und umlenken. Betroffene sollten nie mit einer gegenteiligen Meinung konfrontiert werden. Bei Düften und Geschmack wie zum Beispiel beim Essen und Trinken sollte auf Vorlieben und Gewohnheiten geachtet werden. Wenn sich Demenzerkrankte nicht ernst genommen fühlen, resultieren daraus häufig Aggression und/oder Depression.

Tips: Welche Rolle spielt Validation in der Pflege Betroffener?

Schneider: Die Kommunikationsmethode der Validation dient für ein besseres Verständnis von Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind.

Tips: Welche Hilfsangebote gibt es für Betroffene?

Schneider: Es gibt das NÖ Demenz-Hotline unter der Nummer 0800 700 300 (Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr), Auskunft per Mail an demenzservicenoe@noegus.at oder die Homepage www.demenzservicenoe.at. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt in der Region NÖ Mitte: Terminvereinbarung über die NÖ Demenz-Hotline für eine individuelle kostenlose Beratung in den Bezirken Krems, Krems Land, Lilienfeld, St. Pölten, St. Pölten Land und Tulln und aktuelle Öffnungszeiten der Demenz-Info-Points in den Service-Centern der NÖGKK in der Region NÖ-Mitte (St. Pölten, Lilienfeld, Krems und Tulln). Nach einer Evaluierung des Pilotprojekts soll das Angebot auf ganz Niederösterreich ausgerollt werden.

„Demenz ist ein brandaktuelles Thema. Niederösterreich hat die Zeichen der Zeit frühzeitig erkannt und ist mit dem Demenz-Service NÖ bundesweiter Vorreiter. Unser Ziel ist es, dass Betroffene und ihre Familien durch gezielte Angebote und entlastende Hilfe viele lebenswerte Jahre miteinander verbringen.“

NÖGUS-Vorsitzender Landesrat Martin Eichtinger


Mehr zum Thema


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden