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Preiskampf und Imageprobleme plagen die Transportbranche

Leserartikel Philipp Hebenstreit, 13.12.2016 16:00

ST. PÖLTEN. Jeder braucht ihn, keiner will ihn: den Lkw. Das Güterbeförderungsgewerbe hat in der Bevölkerung nicht das beste Image. Tips-NÖ-Redaktionsleiter Philipp Hebenstreit traf daher WKNÖ-Spartenobmann-Stellvertreter Karl Gruber und plauderte mit ihm über Probleme, Chancen und die Zukunft der Branche.

Symbolfoto: Wodicka
Symbolfoto: Wodicka

Tips: In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der heimischen Fahrer stark reduziert. Wie erklären Sie sich das?

Karl Gruber: Die Anzahl der Unternehmer ist in Niederösterreich um zirka zehn Prozent auf 1176 konzessionierte Transporteure zurückgegangen. Ende 2015 gab es in NÖ 13.248 Beschäftigte im Güterbeförderungsgewerbe. Zehn Jahre davor waren es noch 15.146. Die Zahlen sind rückläufig – jedoch nicht dramatisch. Die jungen Leute machen einerseits nur mehr selten den C/E-Führerschein. Die zweite Seite ist die Kostenfrage beim Führerschein. Ein weiteres Hindernis ist die Grundqualifikation C95, die man für das gewerbliche Fahren benötigt.

Tips: Wie viele Leute machen momentan die Lehre zum Berufskraftfahrer?

Gruber: Es gibt hier kaum Lehrlinge – dieser Lehrberuf ist leider bei der Jugend eine „Totgeburt“, weil es vom Stellenwert her so ist, dass ein 18-Jähriger keinen Mehrwert von dieser Lehre hat. Es gibt zwar einen kleinen Unterschied bei der Entlohnung, aber das kann man durch Berufserfahrung oder andere Benefits relativ rasch kompensieren. Über den zweiten Bildungsweg gibt es allerdings relativ viele, die diesen Berufsabschluss nachholen.

Tips: Die Verdienstmöglichkeiten scheinen in der Transportbranche hoch. Wenn man sich die Zahlen jedoch genauer ansieht, bemerkt man, dass der Einstiegsstundenlohn unter neun Euro brutto liegt. Kurzum: Die Stunden machen das Geld. Beißt sich die Katze hier nicht in den sprichwörtlichen Schwanz, wenn man Personal finden möchte?

Gruber: Bei dem Spruch mit den Stunden bin ich nicht ganz einverstanden. Denn der Fahrer bekommt zusätzlich Diäten ausbezahlt, diese sind lohnsteuerfrei und man muss keine Krankenversicherung dafür bezahlen. Der Kollektivvertrag regelt den Mindestlohn, wobei ich der Meinung bin, dass das zu wenig ist. Es gibt aber Firmen, die darüber hinaus bezahlen. Denn die Fahrer tragen viel Verantwortung und leisten viel. Aber leider gibt es der Markt nicht her, dass alle mehr bezahlen können – die Billigkonkurrenz aus dem Ausland verstärkt diesen Kostendruck massiv.

Tips: Wie gelingt es, damit junge Leute den Beruf Lkw-Fahrer ergreifen?

Gruber: Das Image muss steigen. Man muss aber auch zwischen Nah- und Fernverkehr unterscheiden. Beim Nahverkehr ist es so, dass der Fahrer weiß, dass er am selben Tag wieder heimkommt. Hier bekommt man eher Leute. Im Fernverkehr ist die Lage anders. Wenn man am Sonntagabend fortfährt, kann es sein, dass man erst am Samstagvormittag wieder nach Hause kommt. Kurz gesagt: Diese Strapaze wollen sich die meisten Lenker nicht antun.

Tips: Wie läuft die Kampagne „Friends on the road“? Ist das der gewünschte Image-Bringer?

Gruber: Das ist eine österreichweite Aktion des Vereins ARGE Logcom, der die Transportunternehmer freiwillig beitreten können. Wir haben über diese Initiative schon einige Geschichten gemacht, zum Beispiel eine Roadshow, wo wir bei der Bevölkerung Bewusstseinsbildung gemacht und das Bild des Lenkers ins rechte Licht gerückt haben.

Tips: Leider gibt es im Güterbeförderungsgewerbe auch schwarze Schafe. Unter anderem werden Fahrzeuge manipuliert oder Fahrer haben eine zweite Fahrerkarte. Was halten Sie dem entgegen?

Gruber: Wir als Fachgruppe sprechen uns eindeutig gegen alle Arten von Manipulationen aus. Davon distanzieren wir uns. Das ist fahrlässig, unverantwortlich und darüber hinaus unlauterer Wettbewerb.

Tips: Ein großes Thema ist die Abwanderung heimischer Firmen ins benachbarte Ausland. Wie kann eine Trendwende gelingen?

Gruber: Der eine Punkt ist die Standortverbesserung durch die Senkung der Lohnnebenkosten. Der zweite Punkt ist der, wo die Politik machtlos ist. Ich kann mich an die große EU-Erweiterung 2004 erinnern. Da hat es Übergangsbestimmungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit gegeben. Da hat man gesagt, in fünf bis sieben Jahren sind die Lohnniveaus angepasst. Rückwirkend können wir hier nur schmunzeln, denn das wird noch mindestens 20 Jahre dauern. Das ist für uns ein Wettbewerbsnachteil, den können wir durch eine Lohnnebenkostensenkung auch nur teilweise in den Griff bekommen. Eine Forderung an die EU-Politik möchte ich formulieren: Wir wissen, dass beispielsweise in der Slowakei die eigenen Unternehmen nicht annähernd so kontrolliert werden wie unsere heimischen. Über ein Arbeitsinspektorat lachen die nur. Das ist aber etwas, was in Österreich beinhart durchgezogen wird. Das gehört angeglichen, die Kontrollen in den Nachbarstaaten müssen auf den gleichen Level gebracht werden. Außerdem ist der Druck in der Branche sehr groß, denn der Transport darf nichts kosten. In diesem Wettbewerb können wir nicht bestehen. Wir können nur punkten, indem wir Qualität liefern und pünktlich sind. Außerdem wollen viele Firmen einen deutschsprechenden Fahrer. Preislich sind wir gegenüber ausländischen Firmen immer im Nachteil.

Tips: Nochmal zurück zur Auslagerung ins Ausland: Finanzminister Schelling hat angekündigt, dass im Hinblick auf Kabotage und Sozialdumping verstärkt kontrolliert wird. Bemerken Sie hier einen Unterschied?

Gruber: Leider nein. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Finanzpolizei offensichtlich andere Themen im Fokus hat, nämlich die Registrierkassenkontrolle.

Tips: Wissen Sie, wie viel Geld den heimischen Frächtern durch Kabotagefahrten durch die Lappen geht?

Gruber: Eine neue Studie hat ergeben, dass sich der Schaden auf 500 Millionen Euro beläuft. Weiters wissen wir, dass dem Staat durch jeden ausgeflaggten Lkw über 50.000 Euro pro Jahr an Steuereinnahmen entgehen.

Tips: Wo steht die heimische Güterbeförderung in 20 Jahren?

Gruber: Wir hoffen, dass die Wirtschaft sich so erholt hat, dass auch wir unsere Preise dementsprechend anpassen können. Wenn das so weit ist, können wir reale Löhne bezahlen und der Job des Lkw-Lenkers wird hoffentlich wieder attraktiv weil lukrativ.


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