LRH-Bericht über St. Wolfganger Bauskandal übertrifft alle Befürchtungen
ST. WOLFGANG. Die Landesrechnungshof (LRH) überprüfte die Missstände in der St. Wolfganger Bauverwaltung. Das Ergebnis ist niederschmetternd und übertrifft alle Befürchtungen.
Das LRH-Resümée: Gravierende rechtliche Probleme und Missstände haben hohe Schäden im Bereich der Bauverwaltung bei der Grundsteuer, den Aufschließungsbeiträgen sowie Zinsschäden zur Folge. Verschiedene Prüfungsinstitutionen hatten seit vielen Jahren auf die Missstände in der Verwaltungsführung von St. Wolfgang hingewiesen. Kurz Sogar bei eigenen Bauvorhaben wurden Gesetze nicht eingehalten.
Mehr Bauakten unerledigt, als ursprünglich angenommen
Die Marktgemeinde hat daraufhin eine „Mängelliste“ mit insgesamt 974 Akten erstellt. „Es hat sich gezeigt, dass es aber mehr mangelhafte Akten gibt, als in der Mängelliste aufscheinen“, so LRH-Direktor Friedrich Pammer. Die Zahl der unerledigten Bauakten ist demnach sogar noch höher als angenommen. Zudem fehlen in zahlreichen Fällen Baubewilligungen, obwohl die Gebäude längst errichtet sind. Zumeist fehlt die Baufertigstellungsanzeige, tatsächlich werden die Gebäude aber genutzt. „Hier hätte die Marktgemeinde die Nutzung untersagen oder die Vorlage einer Baufertigstellungsanzeige einfordern müssen“, sagt Pammer. Aufgabenvielfalt und Komplexität haben den ehemaligen Bauamtsmitarbeiter zeitlich und fachlich überfordert. Pammer: „Hier sehen wir aber auch die ehemalige Gemeindeführung – Bürgermeister und Amtsleiter – in der Pflicht, denn sie hat jahrelang auf die Probleme nicht reagiert.“ Die Staatsanwaltschaft Wels hat gegen Beide bereits im März 2016 ein Strafverfahren eingeleitet.
Zu wenig Gebühren eingehoben
Alleine aus den vom LRH 57 geprüften Akten entstand der Gemeinde ein endgültiger Schaden von 33.600 Euro aus Anschlussgebühren für Wasser, Kanal und Verkehrsflächen. Die Marktgemeinde geht aber davon aus, dass in vielen Fällen noch ergänzende Anschlussgebühren eingehoben werden können. „Aus unserer Stichprobe lässt sich keine Hochrechnung anstellen, der Gesamtschaden wird aber um ein Vielfaches höher sein“, erörtert Pammer. Eine schlüssige Erklärung dafür, dass Politik, Verwaltung und Bürger diesen Zustand über Jahre hinweg zur Kenntnis genommen haben, fand der LRH nicht. Offensichtlich hat die langjährig geübte Praxis der Marktgemeinde zu einer ganz eigenen „Rechtskultur“ geführt. Dass für Grundstücke, die seit 2006 umgewidmet wurden, bis zur Prüfung keine Vorschreibung von Aufschließungs- und Erhaltungsbeiträgen vorgenommen wurde, sei besonders kritisch .“Dadurch entstand ein beträchtlicher finanzieller Schaden – 137.300 Euro bis Ende 2015“, bestätigt der LRH-Direktor. Das seine gravierende Versäumnisse; noch nicht verjährte Aufschließungsbeiträge seien unverzüglich vorzuschreiben.
Da die Gemeinde ab 2006 kaum Informationen ans Finanzamt weitergeleitet hat, wird vielen Bürgern seit Jahren zu wenig Grundsteuer vorgeschrieben. „Wir gehen davon aus, dass der Marktgemeinde auch dadurch beträchtliche Einnahmen entgehen“, kritisiert der LRH-Direktor die konsequente Untätigkeit. Im Zuge der Aufarbeitung der unerledigten Bauakten hat die Gemeinde das Finanzamt zu informieren. Die LRH-Prüfung zeigt, dass die Aufarbeitung der Altfälle mit Unterstützung zusätzlicher Fachkräfte vorankommt. Bis 9. September 2016 waren 210 Akten bearbeitet, wovon rd. 100 abgeschlossen sind.
Gesetze bei eigenen Bauvorhaben nicht eingehalten
Von 2007 bis 2009 hat die gemeindeeigene Kommanditgesellschaft – sie wurde zur Steuerersparnis gegründet – knapp 5 Millionen Euro in den Umbau des Amtshauses inkl. Ortsplatzgestaltung sowie die Volksschulsanierung mit Horterweiterung investiert. Für beide Vorhaben gab es keine Baubewilligung und der Umbau des Amtshauses erfolgte zudem ohne aufsichtsbehördliche Finanzierungsgenehmigung. „Das widerspricht nicht nur den gesetzlichen Bestimmungen. Dazu kommt, dass ein großer Teil an Landeszuschüssen und BZ-Mitteln aufgrund jahrelang nicht erstellter Abrechnungsunterlagen erst Mitte 2015 eingelangt ist“. Bei zeitlich korrekter Abwicklung hätte St. Wolfgang mindestens 100.000 Euro an Zinsen sparen können.
Die Marktgemeinde möchte die Mehrkosten für die Aufarbeitung der Missstände in der Bauverwaltung durch Bedarfszuweisungsmittel vom Land finanzieren. „Das lehnen wir dezidiert ab, denn für die Belastungen, die aus dem Fehlverhalten der Gemeinde selbst resultieren, sollen nicht alle Gemeinden des Landes aufkommen“, erklärt Pammer.
Mangelnde Kontrolle durch Prüfungsausschuss
Den Schluss, dass sich in St. Wolfgang über die Jahre eine eigene Rechtskultur entwickelt hat, untermauert auch der Umstand, dass der Prüfungsausschuss trotz Hinweisen der Aufsichtsbehörde die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich seiner Prüfungspflichten jahrelang missachtet hat. Zwischen 2013 und 2015 hätten 15 Prüfungsausschusssitzungen stattfinden müssen; abgehalten wurden nur drei.
Der Prüfungsausschuss wacht darüber, ob die Gebarung sparsam, wirtschaftlich, zweckmäßig und gesetzeskonform geführt wird. In St. Wolfgang hätte es durch die seit Jahren aufgezeigten Mängel und Probleme im Bereich der Ordnungsmäßigkeit, Amtsorganisation bzw. Haushalts- und Finanzsituation auf jeden Fall genügend Ansatzpunkte für eine intensive Prüfungs- und Kontrolltätigkeit gegeben.
Prüfbericht der Aufsichtsbehörde nur teilweise umgesetzt
Die Aufarbeitung des letzten Prüfberichts der Direktion für Inneres und Kommunales wird weitgehend erst seit der Bestellung der neuen Amtsleiterin im März 2015 bzw. der Angelobung des neuen Bürgermeisters im Juni 2015 vorangetrieben. „Die neue Gemeindeführung bemüht sich, Verbesserungen zu erzielen; deutliche Fortschritte sind im Bereich der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltungsführung sowie in der Organisation der Verwaltung zu sehen, es besteht aber nach wie vor großer Handlungsbedarf bei den Gemeindefinanzen“, sagt Pammer.
Die früheren Gemeindeverantwortlichen hätten trotz der offensichtlichen Missstände keine organisatorischen Verbesserungsmaßnahmen getroffen. Die Gemeindeverwaltung müsse daher in einem langfristigen Prozess modernisiert werden. Zentrale Aufgabe der neuen Führung sei es, die Eigenverantwortung der Bediensteten und die Qualität der Verwaltung zu stärken und vor allem für einen weiter verbesserten Informationsfluss zu sorgen.
Finanzsituation: St. Wolfgang muss konsolidieren
Der ordentliche Haushalt von St. Wolfgang ist ausgeglichen; 2015 gab es leichte Verbesserungen. „Wir sehen die Haushalts- und Finanzsituation aber nach wie vor angespannt, denn der hohe Finanzbedarf im außerordentlichen Haushalt ist problematisch“, erörtert Pammer. Das betrifft den mit knapp eine Million Euro offenen Abgang aus dem Jahr 2015; auch 2016 wären Eigenmittel von rund 450.000 Euro für die Ausfinanzierung neuer Projekte notwendig. „Hauptursache der Situation ist die gesetzwidrige Vorgangsweise der ehemaligen Gemeindeführung bei der Abwicklung von Investitionsvorhaben“, sagt der LRH-Direktor. Die Finanzierung der Projekte wurde zwar meist mit der Landespolitik grundsätzlich abgestimmt, es fehlten aber immer wieder aufsichtsbehördlich genehmigte Finanzierungspläne. Vorhaben wurden begonnen, ohne dass die dafür vorgesehenen Einnahmen vorhanden oder rechtlich und tatsächlich gesichert waren. Zudem ist es kritisch, dass Fördermittel teilweise bei falschen Vorhaben verbucht wurden.
Konsolidierungsvereinbarung mit Land abschließen
Der Konsolidierungsbedarf im Gemeindehaushalt ist nach wie vor hoch. Bisher wurde aber nur ein kleiner Teil der von der Aufsichtsbehörde geforderten Maßnahmen zur Konsolidierung umgesetzt. „Das Ziel der Gemeinde sollte es sein, einen leistungsfähigen Haushalt zu erlangen“, sagt Pammer. Die Marktgemeinde werde die „Altlasten“ nicht aus dem laufenden Geschäft finanzieren können. Wolle man eine hohe Neuverschuldung vermeiden, müsse das vorhandene Potential an Einmaleinnahmen ausgeschöpft werden.
Die LRH-Empfehlung: Bei künftigen Investitionen und Bauvorhaben muss die Gemeinde daher klare Prioritätenreihungen vornehmen und ein konkretes Sanierungskonzept für den Gemeindehaushalt erstellen. Ein solches könne dann als Grundlage für eine Konsolidierungsvereinbarung mit dem Land OÖ dienen. Die Gewährung von BZ-Mitteln und Landeszuschüssen sollte maßgeblich an die Umsetzung des Sanierungskonzeptes gekoppelt werden.
Förderungen noch immer zu hoch
In ihrem Prüfbericht kritisierte die Aufsichtsbehörde auch die mit 65 Euro je Einwohner im Jahr 2012 hohen Förderungen und freiwilligen Leistungen der Marktgemeinde. Dieser Wert stieg 2013 sogar noch weiter an. „Wir haben die Haushaltsjahre 2014 und 2015 analysiert; auch in diesen beiden Jahren lag der Wert zwischen 60 Euro und 65 Euro. Rund die Hälfte der Ausgaben betraf den Tourismus“, erklärt Pammer. Bisher habe die Marktgemeinde keine Maßnahmen für eine nachhaltige und deutliche Reduktion gesetzt. Auch wenn der Tourismus in St. Wolfgang eine herausragende Rolle spiele, müsse hier im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Steuergeldern gegengesteuert werden.
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