Drogen in Steyr: "Typischen Süchtigen gibt es nicht"
STEYR. Drogenmissbrauch fordert Jahr für Jahr Opfer – auch in Steyr. Tips sprach mit Wolfgang Klima von der Suchtberatung X-Dream, einem Angebot von pro mente. Er macht Mut: Der Weg von der Sucht zurück ins Leben kann gelingen.
Tips: Herr Klima, wie sehr sind Drogen in Steyr ein Thema?
Wolfgang Klima: Steyr ist nicht anders betroffen als etwa Wels oder Linz. Die Zahl der Drogenkonsumenten nimmt aber zu. Es ist für Jugendliche heute immer selbstverständlicher, Cannabis zu probieren oder regelmäßig zu rauchen. Cannabis ist von der Problematik her mit Alkohol vergleichbar. Alkohol ist ein Zellgift und macht körperlich abhängig. Das tut Cannabis zwar nicht. Es kann aber psychisch abhängig machen. Vor allem die heutigen Züchtungen mit starkem THC-Gehalt. Jugendliche können in eine Psychose kippen, die mitunter Jahrzehnte anhält.
Wie viele Beratungen führt das Team von X-Dream in der Woche?
In Steyr sind es pro Woche ca. 60 bis 80 Gespräche – meist Einzelgespräche, es können aber auch Paar- und Familiengespräche sein.
Welche Ursachen hat die immer häufigere Sucht und welche Drogen sind bei uns im Umlauf?
Cannabis hat das Begleitproblem, dass es zum Dealer führt, der auch andere Substanzen an den Mann bringen will. In Steyr beobachten wir einen leichten Anstieg des Konsums von sehr reinem Kokain. Crystal Meth ist ebenfalls Thema, aber nicht mehr so wie noch vor einiger Zeit. Wir merken insgesamt bei den Jungen, dass das Streben nach einer abgeschlossenen Ausbildung nachlässt. Wir leben in einer hochgradigen Wohlstandsgesellschaft – in den Familien ist Geld vorhanden. Zugleich sind die Drogen billiger geworden.
Gibt es den klassischen Süchtigen?
Nein. Solange jemand eine regelmäßige Versorgung mit der Droge hat, kann sein Leben nach außen völlig normal wirken. Erst Versorgungslücken bewirken sichtbare Entzugserscheinungen. Drogenabhängigkeit gibt es in jeder Gesellschaftsschicht und Altersgruppe ab 13, 14 Jahren. Auch in „geordneten“ Familien, wobei hier das Tabu oft eine hohe Hemmschwelle schafft, sich Hilfe zu suchen.
Gibt es soziale Faktoren, die eine Abhängigkeit begünstigen?
Zum einen das Vorbild der Familie, etwa wenn Eltern stark rauchen. Mitunter ist auch ein Trauma wie Missbrauch der Grund von Drogenkonsum. Betroffen sind z.B. aber auch Kinder mit leichtem Hang zur Depression oder einer hohen psychischen Sensibilität. Sie scheitern am gesellschaftlichen Ist-Zustand oder setzen sich selbst einem zu hohen Druck aus. Der Probierkonsum tut sein Übriges. Bei Frauen ist es häufig so, dass sie mit dem Partner mitkonsumieren. Zwei Drittel bis drei Viertel der Drogenabhängigen sind männlich.
Welche Anliegen haben Hilfesuchende an Sie?
Wer selbst Beratung sucht, steht meist an einem Wendepunkt in seinem Leben: ein Kind, ein Beruf, persönliche Reife, der Verlust von Freunden, finanzielle Nöte etc. Wir erörtern jede Situation individuell. Als Therapie gibt es die Abstinenz, wo gänzlich von der Droge Abstand genommen wird. Hier ist die Rückfallrate relativ hoch. Bei der hingegen recht erfolgreichen Substitution wird ein Ersatzmedikament verschrieben, mit genau kontrollierter Dosierung. Ziel ist es, dass der Süchtige einem Beruf nachgehen kann, gesundheitlich stabil bleibt, am Leben teilnehmen kann. Die Entscheidung über die Therapie liegt beim Abhängigen. Wir bekommen aber auch Menschen zugewiesen, z.B. von der Justiz.
Und Sie beraten die Familien?
Wir beraten auch die Angehörigen, Partner, Arbeitgeber. Wir unterliegen strengster Verschwiegenheit. Jeder bekommt bei uns vertrauliche Hilfe. Kein Problem ist zu klein. Wir helfen zum Beispiel weiter, wenn jemand einen Verdacht auf Drogenmissbrauch hegt. Bei der Therapie selbst sollte das familiäre Umfeld nach Möglichkeit immer eingebunden werden.
Wie kann das aussehen?
Bricht ein junger Drogenabhängiger jede Ausbildung und jeden Job ab, weil ihn die Eltern finanziell unterstützen, wird etwa vereinbart, dass die Eltern nur konkrete Zahlungen übernehmen bzw. zusätzliche Kostenübernahmen an Sachleistungen knüpfen.
Was raten Sie dem nahen Umfeld, wenn es Drogenmissbrauch wahrnimmt?
Am besten bei uns melden. Zunächst geht es um eine Analyse der konkreten Wahrnehmung. Den Betroffenen direkt ansprechen ist gut, aber nicht in Form von Schuldzuweisungen. Besser ist es, Fakten aufzuzeigen: „Ich habe den Eindruck, du bist oft schläfrig. Mir fällt auf, du kommst oft zu spät.“ Falsch wäre zu sagen: „Ich glaube, du nimmst Drogen.“
Kann der Weg aus der Sucht bei jedem gelingen?
Eine Sucht sitzt tief. Aber es gibt definitiv Wege, damit umzugehen zu lernen – für ein gutes Leben. Ob ohne Drogen oder durch die Substitution.
INFO
Zur Person: Wolfgang Klima leitet das Team von X-Dream Steyr und Kirchdorf sowie das niederschwellige Angebot „convoy“ und den Standort von stand|Up in Steyr.
Zur Einrichtung: Die Beratungsstelle für Suchtfragen X-Dream von pro mente befindet sich seit heuer in der Schaftgasse 2 (Wehrgraben). Das Team bietet psychosoziale Beratung und Betreuung, Psychotherapie und medizinische Beratung. Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do., 10–12 Uhr & Mi., 14–17 Uhr, Tel. 07252/53413
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