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STEYR. Der Einzug der US-Infanterie beendete am 5. Mai 1945 den Zweiten Weltkrieg für Steyr. Über 1.000 Steyrer hatten ihr Leben verloren, ob als Soldaten oder durch Fliegerangriffe, erinnert die Historikerin Waltraud Neuhauser-Pfeiffer.

Bombenschäden Kollergasse ennsseitig 1944 (Foto: Sammlung Krenn, Stadtarchiv Steyr)
photo_library Bombenschäden Kollergasse ennsseitig 1944 (Foto: Sammlung Krenn, Stadtarchiv Steyr)

Auch viele Häftlinge in den Konzentrationslagern, Kriegsgefangene, Fremdarbeiter, Flüchtlinge und ortsfremde Zivilisten waren getötet worden, über 100 Wohnobjekte zerstört und mehr als 1.000 Häuser beschädigt. Als die Amerikaner am 5. Mai 1945 in Steyr eintrafen, übergab ihnen Oberbürgermeister Hans Ransmayr kampflos die Stadtgewalt. Am 8. Mai 1945 kamen Vorausabteilungen der 3. Ukrainischen Sowjetarmee am ostseitigen Kopf der Ennsbrücke an, am Tag darauf folgte das Gros der sowjetischen Truppen.

Zweigeteilt

Die Russen besetzten das rechte Ennsufer, die US-Armee das linke: Steyr wurde für drei Monate geteilt in Steyr-Ost und Steyr-West. Die wichtigsten Versorgungsbetriebe und Verwaltungsbehörden befanden sich im Westteil, waren aber gänzlich von der Bahnlinie abgeschnitten. Otto Treml beschreibt die schwierige Lage im Ost-Sektor: „Der Stadtplatz mit seinen Geschäften und Behörden, das Krankenhaus, die Lebensmittellager, die Molkerei, der Großteil der Schulen und vor allem das landwirtschaftliche Hinterland lagen auf der Westseite. Die Lage wurde für die Menschen zusätzlich erschwert, weil zu der einheimischen Bevölkerung noch tausende Flüchtlinge kamen, die auch verpflegt werden mussten.“

Kinder hungerten

Die Einwohnerzahl Steyrs wuchs nach Kriegsende durch Flüchtlinge, Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und befreite KZ-Häftlinge auf über 100.000 an. Katastrophal war die Ernährungslage insbesondere für die Kinder. Deshalb organisierte die Caritas die sogenannte „Kinderverschickung“ in verschiedene Länder. Rund 500 verbrachten drei Monate in der Schweiz. Ab Dezember 1945 half das amerikanische Rote Kreuz mit „Ausspeiseaktionen“ und der Verteilung von Bekleidung.

Zudem herrschte große Wohnungsnot. Aus dem KZ-Außenlager Münichholz wurde ein Kriegsgefangenenlager für deutsche Wehrmachtssoldaten. Viele Wohnungen in Münichholz wurden beschlagnahmt und jüdischen Familien zur Verfügung gestellt.

Über 10.000 jüdische Flüchtlinge verzeichnete die Bezirkshauptmannschaft in Steyr. Sie konnten und wollten nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren, wo sie verfolgt und viele ihrer Angehörigen ermordet worden waren. Die Flüchtlinge wurden im Reithoffer-Lager und auf dem Gelände der Tabor-Kaserne bis 1951 beherbergt. Die Versorgung durch amerikanische Hilfsorganisationen rief Neid und antisemitische Vorurteile bei der einheimischen Bevölkerung hervor. Währenddessen blühte der Schwarzmarkt in der Rooseveltstraße am Tabor.

Während sich die Sowjets Ende Juli 1945 aus dem Raum Steyr zurückzogen, blieb die amerikanische Besatzung bis Mai 1955.

NS-Karrieren und Täter

Der Steyrer August Eigruber, ab 1938 „Gauleiter von Oberdonau“, befahl noch im April 1945 die Ermordung der im KZ Mauthausen inhaftierten Widerstandskämpfer, darunter die Steyrer Otto Pensl, Ferdinand Sigmund und Johann Burgholzer. Er wurde im März 1946 von einem US-Militärgericht zum Tod verurteilt und in Landsberg hingerichtet.

Georg Meindl wurde 1938 Generaldirektor der auf Rüstung umgestellten Steyr-Werke als Teil der „Reichswerke Hermann Göring“. Er erwirkte, dass die KZ-Nebenlager Steyr-Münichholz, Melk und Wiener Neudorf für die Industrieproduktion errichtet wurden. Vermutlich handelte es sich um seine verkohlte Leiche, die am 10. Mai 1945 in einer abgebrannten Hütte bei Sierninghofen gefunden wurde.

Otto Perkounig aus Steyr war Werkmeister in der zum Steyr-Rüstungskomplex gehörenden Waffenfabrik Radom in Polen und misshandelte jüdische Zwangsarbeiter. Im Juli 1953 wurde er vom Volksgericht Innsbruck „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen.

Erinnern in jedem Jahr

„Das Kriegsende liegt 76 Jahre zurück und die Erinnerung an den Zivilisationsbruch mit all seinen Gräueltaten wird immer blasser“, zeigt Waltraud Neuhauser-Pfeiffer auf. Gerade deshalb solle nicht nur an runden Gedenktagen an den Weltkrieg, seine Ursachen und Folgen erinnert werden. „Damit diese Zeit als Mahnung im kollektiven Gedächtnis verankert wird.“

Literatur: Brandl, Manfred: Neue Geschichte von Steyr. Vom Biedermeier bis Heute (Steyr 1980) Rauscher, Karl-Heinz: Steyr im Nationalsozialismus. Politische, militärische und soziale Strukturen (Gnas 2003) Bernt-Koppensteiner, Ines: Migrationsstadt Steyr. Zuwanderung in eine oberösterreichische Kleinstadt 1944-2001 (Diss. Alpen-Adria Universität Klagenfurt 2006) Treml, Otto: Befreiung der Stadt Steyr im Mai 1945. In: Festschrift zum 50. Jahrestag der Befreiung Österreichs. 40 Jahre Staatsvertrag. Vorwärts, Nummer 2, 28. Jahrgang, April 1995, S. 21 Tertschek, Johann: Erinnerungen an meine Schulzeit in Steyr 1938-1950 (Steyr 2018)


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