In Gerti Murauers Dachboden kann man in 1500 Rollen schlüpfen
TOLLET. Vom Mittelalter bis in die 20er Jahre, von Mozart bis ABBA, vom schwarzen Schaf bis zum gestiefelten Kater - im Dachboden von Gertrud Murauer aus Tollet kann man das Alltägliche für Momente vergessen und in die Rolle seines Lebens schlüpfen. Seit 2014 betreibt die 72-Jährige einen Kostümverleih.
Betritt man den Fundus von Gertrud Murauer im Dachboden ihres Hauses, steht einem die Welt der Verwandlung offen. 1.500 Kostüme, sehr viele davon von der Tolleterin selbst geschneidert und entworfen, warten auf ihren Einsatz - bei Faschingspartys, Umzügen, Theaterstücken, Geburtstagen oder vielen anderen Anlässen. Unweigerlich beginnen beim Betrachten der Kleidungsstücke die Augen zwischen Glitzer-Pailletten, Seidenstoffen oder kuscheligen Tierfellen zu strahlen. In welche Rolle man schlüpfen kann - die Möglichkeiten scheinen grenzenlos.
„Märchenhafte“ Inspirationen
Die gelernte Herrenschneiderin liebt ihre Kleidersammlung, die sie auf 100 Quadratmeter penibelst genau sortiert und angelegt hat. Das Kreative wurde ihr von ihrem Vater in die Wiege gelegt, erzählt Murauer, und das lebt sie nun bei ihren Kostümen aus. Inspirationen für neue Kleider bekommt sie auch aus Märchenbüchern und von ihren Töchtern.
Alles begann mit Mozart
Begonnen hat alles mit einem Mozart-Kostüm vor 28 Jahren, damals habe sie hobbymäßig die ersten Kleidungsstücke genäht. Zwischen zwei Tagen und einer Woche arbeitet die Schneiderin an einem Kostüm. Die Tolleterin liebt ihren Fundus und den Umgang mit jenen Menschen, die ihre Kleider in die Welt hinaustragen. „Es macht großen Spaß, schon das Anprobieren alleine ist mit den Leuten schon immer so lustig“, erzählt die 72-Jährige. Da kann es auch schon einmal vorkommen, dass sich sogar die größten Faschingsmuffel umstimmen lassen, in ein Kostüm schlüpfen und die größte Freude damit haben, wie Murauer schildert. „Ich liebe die große Vielfalt und wenn ich in meinen Fundus gehe, bin ich ein anderer Mensch, das ist mein Reich“, erzählt die Tolleterin.
Ohne Josef geht nichts
Ohne ihren Ehemann Josef ginge für „Gerti“ aber nichts. „Er ist mein Manager, Türsteher, Koch und Putzmann“, sagt die Tolleterin und lacht. Zwischen ein paar Minuten und ein paar Stunden verbringt die 72-Jährige mit ihren Kundschaften in ihrem Fundus. Manche seien schnellentschlossen, wiederum andere hätten - verständlicherweise - bei mehr als 1,500 Kleider die größte Not sich zu entscheiden. Zwischen zehn und 50 Euro kostet es, sich ein Kostüm auszuleihen.
Bis zur nächsten Rolle
Nach dem Faschingsdienstag ist für die Kostümverleiherin die „größte Gaudi“ vorbei. „Nach dem Fasching brauche ich immer 14 Tage bis alles wieder an seinem Platz ist“, erzählt Murauer. In ihrem Fundus türmen sich dann die Kleidungsstücke, die wieder retour kommen, sortiert sowie gewaschen werden und ihren Platz am Kleiderhaken einnehmen - bis zum nächsten Mal, wenn Menschen wieder aus dem Alltag in eine andere Rolle schlüpfen wollen.
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden