
OTTENSHEIM. Die Rückkehr des Wolfes nach Oberösterreich erhitzt die Gemüter. Im Tips-Interview spricht Julia Kropfberger aus Ottensheim, Obfrau des Naturschutzbundes Oberösterreich, über die aktuelle Situation.
Tips: Hat der Wolf noch Platz in unserer zivilisierten Gesellschaft?
Kropfberger: Für viele ist der Wolf der Inbegriff wilder, unberührter Natur, wo kaum ein Mensch hinkommt. Tatsächlich ist der Wolf ein sehr anpassungsfähiges Tier. Alles, was Wölfe brauchen, sind genügend Nahrung in Form von wildlebenden Huftieren und ruhige Rückzugsgebiete zur Aufzucht der Welpen. Innerhalb der mitteleuropäischen Kulturlandschaft mit einem historisch hohen Wildbestand gibt es demnach ausreichend geeigneten Lebensraum für den Wolf. Der Wolf ist ein Wildtier, welches zu unserer heimischen Fauna gehört. Als großer Beutegreifer spielt er eine wichtige Schlüsselrolle an der Spitze der Nahrungspyramide, da er als „Gesundheitspolizei“ für die Fitness der Wildbestände und für ein ökologisches Gleichgewicht im Wald sorgt.
Tips: Wie könnte man das Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf regeln, damit es nicht ständig zu Problemen kommt?
Kropfberger: Herdenschutzmaßnahmen und umfangreiche Informationen für die Bevölkerung über das Leben mit Wölfen sind notwendig, um Konflikte zu vermeiden. Für die erfolgreiche Rückkehr des Wolfes in zuletzt von ihm unbesiedelte Gebiete ist es besonders wichtig, Nutztierverluste zu minimieren, da sich daran in der Regel die größten Konflikte entfachen. Durch geeignete Maßnahmen sollen Schäden an Weidetieren weitestgehend verhindert werden. Bei uns sind geeignete Elektrozäune das Mittel der Wahl, in den Alpen empfiehlt sich auch der Einsatz von Herdenschutzhunden und idealerweise eine Begleitung der Herden durch Hirten.
Tips: Welche Maßnahmen setzt der Naturschutzbund?
Kropfberger: Der Naturschutzbund setzt sich für die finanzielle Unterstützung für Herdenschutzmaßnahmen für Landwirte ein. Derzeit werden Schutzmaßnahmen für Weidetierhalter in Oberösterreich nur zu 50 Prozent gefördert. Und für Almgebiete gibt es bislang keine Förderung von Hirten, was allerdings dringend notwendig wäre – auch im Sinne des Tierschutzes.
Tips: Muss man als Wanderer oder Radfahrer im Böhmerwald Angst vor dem Wolf haben?
Kropfberger: Im Böhmerwald auf einen Wolf zu treffen ist möglich, aber höchst unwahrscheinlich. Angst braucht man keine zu haben, da gesunde Wölfe in der Regel kein Interesse am Menschen haben. Der Mensch gehört bei normalem Verhalten schlicht und einfach nicht in das Beuteschema des Wolfes. Laut wissenschaftlichen Studien waren Angriffe von Wölfen auf Menschen in der Vergangenheit ausgesprochen selten. Bei den dokumentierten Fällen handelte es sich entweder um tollwütige Wölfe, aus der Gefangenschaft entlaufene Tiere oder Wölfe, die gefüttert wurden und dadurch positiv auf den Menschen geprägt waren. Tollwütige Wölfe sind nicht zu erwarten, da Österreich seit 2008 als tollwutfrei gilt. Gesunde Wölfe, die weder provoziert, in die Enge getrieben noch angefüttert werden, stellen für den Menschen keine Gefahr dar.
Tips: Wie sollte man bei einem Kontakt mit einen Wolf reagieren?
Kropfberger: Sollte man einem Wolf begegnen, sollte man folgende, wichtigste Verhaltensgrundsätze beachten: stehen bleiben und ruhig verhalten. Im Normalfall zieht sich der Wolf von selbst zurück. Vor allem junge, unerfahrene Wölfe sind oft neugieriger und weniger scheu als ältere Wölfe. Hunde an die Leine nehmen und nicht frei im Wald laufen lassen. Läuft der Wolf bei einer Begegnung mit dem Menschen nicht von selbst weg: laut sprechen und kräftig in die Hände klatschen. Nicht weglaufen, unter Blickkontakt langsam rückwärts weggehen. Sollte der Wolf wider Erwarten sogar folgen, stehenbleiben und versuchen ihn einzuschüchtern: groß machen und lautstark anschreien. Das hält den Wolf auf Distanz. Wölfe nicht anfüttern und anlocken.
Tips:Wie stehen sie der Abschussfreigabe gegenüber? Kann das der richtige Zugang sein?
Kropfberger: Der Abschuss von Wölfen, die ungeschützte Weidetiere reißen, ist grundsätzlich nicht zielführend, da immer wieder Wölfe aus den Nachbarländern zuwandern werden. Diese werden, solange es in Österreich keinen flächigen Herdenschutz gibt, immer wieder Nutztiere reißen, wenn sich für sie die Gelegenheit ergibt, da vor allem Schafe und Ziegen in das Beuteschema der Wölfe fallen. Die Prävention von Rissen und dadurch ein möglichst konfliktfreies Zusammenleben mit dem Wolf ist nur mittels Herdenschutz möglich.