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Wetterextreme, Ernteausfälle und steigende Preise nagen an der Psyche der Bauern

Mag. Jacky Stitz, 13.08.2023 06:45

URFAHR-UMGEBUNG. Acht von zehn Landwirten habe Sorgen aufgrund von Ernteausfällen durch Wetterextreme, etwa drei Viertel geben laut einer von der Hagelversicherung in Auftrag gegebenen Market-Umfrage an, dass psychische Herausforderungen in den letzten Jahren mehr geworden sind. „Es wurde lange Zeit in der Landwirtschaft nicht über diese Probleme gesprochen, man wollte es nicht wahr haben, dass auch die Bauern davon betroffen sind“, so Bezirks- und Landesbäuerin Johanna Haider aus Engerwitzdorf.

  1 / 2   Die Engerwitzdorferin Johanna Haider ist Bezirks- sowie auch Landesbäuerin. Sie begrüßt die Beratungsangebote. (Foto: OÖ Bauernbund)

Im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung analysierte das Linzer Market-Insitut die psychische Belastung in der Landwirtschaft, mit einer Ende Juli durchgeführten Umfrage.

Gerade die zunehmenden Wetterextreme würden belasten, Ernteausfälle aufgrund von Wetterextremen bereiten acht von zehn befragten Landwirtinnen und Landwirten Sorgen. Drei Viertel geben an, dass die psychischen Anforderungen und Herausforderungen in den letzten Jahren generell mehr geworden sind.

„Wetterstress ist groß“

„In einem Jahr ist es die Dürre, das Jahr darauf sind es Unwetter mit Hagel, Sturm und Überschwemmung oder der Frost. Die zunehmenden Wetterextreme sorgen bei vielen Landwirten – mit ihrer Werkstatt unter freiem Himmel – zu einer psychischen Belastung. Der damit verbundene Wetterstress in der Landwirtschaft ist groß, denn 80 Prozent des Ertrags hängen vom Wetter ab“, so Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. Die Ergebnisse der Market-Analyse seien deutlich.

Sorgen aufgrund von steigenden Kosten

„Auffällig ist, dass vor allem Landwirtinnen und Landwirte über 50 Jahre und jene, die angegeben haben, dass sich ihr Gesundheitszustand in den letzten Jahren verschlechtert hat, verstärkt von psychischen Belastungen betroffen sind“, so Thomas Pargfrieder, Senior Researcher des Market-Instituts. Und weiter: „Die größten Sorgen und Bedenken haben die Befragten insbesondere durch preis- und kostengebundene Faktoren. Acht von zehn gaben an, von Sorgen aufgrund steigender Preise für Dünger und Energie sowie höheren Steuern und Abgaben betroffen zu sein. Für ebenso viele stellen Preisstürze für landwirtschaftliche Produkte und Ernteausfälle durch Unwetter, Hagel, Dürre, Frost, Schädlinge usw. große Bedenken dar. 82 Prozent, das bedeutet vier von fünf, sind aufgrund dessen zumindest teilweise von psychischen Belastungen betroffen.“

Zukunftsängste, anhaltende Müdigkeit und Schlafstörungen würden ebenfalls dazuzählen. „Nur 17 Prozent der Befragten gaben an, keine psychischen Beschwerden zu haben“, so Pargfrieder.

Unterstützung ausbauen

Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger sieht daher den weiteren Ausbau einer flächendeckenden, leicht zugänglichen psychosozialen Beratung im ländlichen Raum nötig. „Das Leben am Bauernhof wird häufig als romantische Idylle dargestellt. Das entspricht aber selten der Realität. Stress durch wetterbedingte Ernteausfälle, Zukunftsängste, Generationenkonflikte, steigende Preise für Betriebsmittel oder Preisstürze für landwirtschaftliche Produkte gehören zum Alltag auf jedem landwirtschaftlichen Betrieb. Psychische Belastungen bei den betroffenen Bäuerinnen und Bauern sind dabei keine Seltenheit.“

Die Sorgen der Landwirte müssten ernst genommen werden, die Leistungen als Lebensmittelproduzenten viel mehr wertgeschätzt. „Bedenken wir: Die Bäuerinnen und Bauern arbeiten 365 Tage im Jahr für uns. Und das ohne Anspruch auf Urlaub oder Krankenstand“, appellieren Neumann-Hartberger, Pargfrieder und Weinberger.

Bäuerliches Sorgentelefon

Weil die psychischen Belastungen auf den Höfen zunehmen, haben die Landwirtschaftskammer (LK) OÖ und das Land OÖ in der Landwirtschaftskammer OÖ vor rund eineinhalb Jahren die Beratungsstelle „Lebensqualität Bauernhof“ eingerichtet. Hier wird auch das bäuerliche Sorgentelefon als Teil des LFI-Bildungsprojekts „Lebensqualität Bauernhof“ angeboten und Betroffene haben die Möglichkeit, mit geschulten Personen über ihre Herausforderungen zu sprechen.

In Oberösterreich wurde das Beratungsangebot im ersten Jahr des Bestehens 2022 rund 160 Mal in Anspruch genommen. Mehr dazu hier.

Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger: „Über Sorgen und Ängste reden können, ist wichtig“

Auch Oberösterreichs Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP) weiß um die Belastungen: „Arbeitsplatz und Privatleben sind bei unseren Bäuerinnen und Bauern gekoppelt. Beides findet zu Hause am Hof statt. Dadurch ist die Arbeit, insbesondere das unternehmerische Risiko omnipräsent. Sorgen über Ernteausfälle, Marktpreise und Investitionen spielen in alle Lebensbereiche hinein, schließlich ist davon das bäuerliche Familieneinkommen abhängig. Über diese Sorgen und Ängste reden zu können, ist für die psychische Gesundheit wichtig. Nicht jeder kann das mit den engsten Freunden und Familienangehörigen, daher ist es mir sehr wichtig einen einfachen, schnellen Zugang zu Hilfe und Beratung zu ermöglichen. Mit dem bäuerlichen Sorgentelefon und Lebensqualität Bauernhof ist das gelungen. Ob Burnout, Generationenkonflikt oder Zukunftsängste: die Beratungsstelle für mehr Lebensqualität am Bauernhof hört zu, weiß Rat und vermittelt weiter an Stellen, die Lösungen liefern können.“

„Die Beratungsstelle wird angenommen und wir wollen auch weiterhin ein offenes Ohr und Zeit für verzwickte Situationen, Ängste und Nöte der Bäuerinnen und Bauern haben. Der Blick von Außenstehenden kann hierbei oft sehr hilfreich sein. Ziel ist es, die richtige Balance am Arbeits- und Lebensplatz Bauernhof zu finden“, unterstreicht auch LK OÖ-Präsident Franz Waldenberger.

Bezirks- und Landesbäuerin Johanna Haider aus Engerwitzdorf kennt die Herausforderungen

„Es wurde lange Zeit in der Landwirtschaft nicht über diese Probleme gesprochen, man wollte es nicht wahr haben, dass auch die Bäuerinnen und Bauern davon betroffen sind. Denn wir Landwirte wohnen auf dem Land, in einem sogenannten Idyll, so wird die Landwirtschaft in der Werbung oftmals dargestellt. Dabei hat diese Darstellung nichts mit der Realität zu tun“, so Landwirtin Johanna Haider aus Engerwitzdorf, die auch Bezirks- sowie Landesbäuerin ist. Sie erklärt auf Tips-Anfrage, dass „Wetter, Preisdruck, Auflagen, Kontrollen, Prüfungen, Anträge und Papierkram, usw.“ die Bauernschaft belastet und betont: „Manches können wir nicht beeinflussen.“ 

„Jetzt sprechen wir die Dinge an, kommunizieren mit einer Offenheit, dass sich die Bauern und Bäuerinnen nicht mehr verstecken müssen, wenn sie das Angebot Lebensqualität Bauernhof der LK OÖ annehmen. Bei Konflikten jeglicher Art - und wenn einem die Arbeit sprichwörtlich über den Kopf wächst - ist es höchste Zeit“, so Haider zu der professionellen Unterstützungsmöglichkeit.

Die Engerwitzdorferin selbst weist „bei jeder Sitzung bzw. Treffen mit Bäuerinnen und Bauern auf das Beratungsangebot hin. Wichtig ist, dass jene die Hilfe brauchen, selber bereit sind den ersten Schritt zu wagen. Denn ein Gespräch bewirkt oftmals schon Fortschritte. Die Vermittlung von Kontakten ist sehr hilfreich.“

Haider erklärt: „Wir haben Zeiten, gerade jetzt im Sommer, wo die Erntearbeit noch zusätzlich zur täglichen Arbeit ansteht, da heißt es die Kräfte einteilen und sich kurze Erholungsphasen gönnen, auch kurze Auszeiten wie zB ein Buch lesen oder in der Liege im Garten die Natur genießen. So tanken wir unseren Akku wieder auf.“

Kontakt Bäuerliches Sorgentelefon: telefonisch 050 6902 1800, per Mail: lebensqualitaet@lk-ooe.at
Infos: www.lebensqualitaet-bauernhof.at

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