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Feinjustiert: Wie Anna Baumgartner das Uhrmacherhandwerk neu belebt

Thomas Leitner, 27.08.2025 15:08

SCHÖRFLING/VÖCKLABRUCK. Mit 30 führt Anna Baumgartner als eine der wenigen Uhrmachermeisterinnen Österreichs ein eigenes Geschäft. In Schörfling verleiht sie einem Traditionshaus neuen Takt.

Anna Baumgartner (Foto: Waltraud Dandler)
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In einer Zeit, in der vieles digital, schnell und austauschbar geworden ist, widmet sich Anna Baumgartner einem Handwerk, das Geduld, Präzision und Leidenschaft erfordert – der Uhrmacherei.

Die 30-jährige Vöcklabruckerin hat im April das Juweliergeschäft Koller in Schörfling am Attersee übernommen und führt es nun unter dem Namen „Juwelier Baumgartner“ weiter.

Mit ruhiger Hand, feinem Gespür und viel Herzblut bringt sie nicht nur frischen Wind in das traditionsreiche Geschäft, sondern auch neue Impulse in einen Beruf, den heute kaum noch jemand wählt – und schon gar nicht junge Frauen.

Technik mit Seele:Wie alles begann

„Ich wollte immer etwas machen, das nicht jeder macht“, sagt sie rückblickend. Technik faszinierte sie schon früh – nicht im Sinne von Computern oder digitaler Welt, sondern im Sinn von echter Mechanik. Wie Dinge funktionieren, was sie bewegt, welche Zahnräder ineinandergreifen – das war für Anna Baumgartner der Stoff, aus dem die Berufung wuchs.

Statt der Schule suchte sie gezielt nach außergewöhnlichen Lehrberufen – und stieß auf die Uhrmacherei. Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut.

Feine Zahnräder und Geduld

Ihre Lehre dauerte dreieinhalb Jahre, die Begeisterung für den Beruf ist geblieben. „Das Wichtigste ist Geduld“, sagt sie. „Wenn man gleich die Nerven wegschmeißt, wird’s meistens blöder.“ Fingerspitzengefühl, ruhige Hände und technisches Verständnis seien natürlich ebenso Voraussetzung. „Man darf einfach kein Patscherl sein.“

In ihrer Werkstatt ist klassische Handarbeit gefragt. Digitalisierung ist hier kein Thema – zumindest nicht, was das eigentliche Handwerk betrifft. Zwar werden Maschinen und Geräte moderner, doch ein filigranes Uhrwerk bleibt Handarbeit. Feinste Zahnräder schmieren, winzige Komponenten justieren – das kann derzeit keine Maschine ersetzen. „Wir haben sogar die Quarzkrise überstanden“, sagt sie mit einem Lächeln. „Die Menschen, die solche Arbeit zu schätzen wissen, wird es immer geben.“

Ein Beruf mit Zukunft – trotz Fachkräftemangel

Dabei sieht sie sich nicht unter Druck, obwohl sie in einer sehr speziellen Nische tätig ist. Im Gegenteil: „Ich fühle mich wohl an meinem neuen Standort.“ Ihre Kundschaft weiß die Qualität ihrer Arbeit zu schätzen. Wer eine Uhr trägt, weiß meist auch, was diese wert ist – und warum regelmäßige Pflege wichtig ist. „Eine Uhr läuft 24 Stunden am Tag, das ganze Jahr über. Die gehört genauso serviciert wie ein Auto – und das fährt ja nicht mal permanent.“

Doch warum ist der Beruf heute so selten? „Ich glaube, viele kennen ihn einfach gar nicht mehr“, sagt Anna Baumgartner. Während ihrer Ausbildung waren nur zwei Mädchen unter zehn Lehrlingen – heute zählt sie sechs Lehrlinge in ganz Österreich. Die Berufsschule befindet sich in Karlstein an der Thaya. Der Rückgang hat Folgen: Reparaturen dauern länger, Ersatzteile müssen oft speziell angefertigt werden. Sie berichtet von einer Uhr, die sie direkt an den Hersteller in die Schweiz schicken musste – 50 Wochen Lieferzeit.

Klassisches Handwerk, moderne Ideen

In Schörfling möchte sie nun nicht nur die Uhrmachertradition weiterleben lassen, sondern auch neue Akzente setzen. Die Werkstatt für Kleinuhren wird erweitert, der Verkaufsraum modernisiert. Eine kleine Bar soll Platz für Genussmomente bieten – Rum, Whiskey oder Kaffee während der Beratung inklusive.

„Die Leute sollen sich bei uns wohlfühlen“, sagt sie. Auch im Sortiment setzt sie auf Vielfalt: „Ich will nicht nur das Luxusklientel ansprechen. Es gibt bei uns auch Halsketterl ab 20 Euro und Uhren ab 60 Euro.“ Jeder Kunde soll die gleiche Beratung und Qualität bekommen – unabhängig vom Preis.

Parallel zur Arbeit im Geschäft bildet sie sich laufend weiter: Nach dem Abschluss als Diamant-Expertin folgt nun die Ausbildung zur Edelstein-Expertin. Danach könnte auch die Prüfung zur gerichtlich beeideten Gutachterin folgen – ein weiteres Standbein, das sie langfristig anstrebt.

Wenn Anna Baumgartner über ihre Arbeit spricht, merkt man schnell: Hier tickt alles im richtigen Takt. Sie lebt das, was sie tut. Ihre eigene Uhr? Eine Union Glashütte oder eine Rado – je nach Outfit, beide Automatik. Und jene Uhr, die sie einst zur Meisterprüfung serviciert hat, trägt heute stolz ihr Papa.