Seelische Erkrankungen dürfen kein Tabu sein
VÖCKLABRUCK. Am 10. Oktober ist der Internationale Tag der psychischen Gesundheit. Der Aktionstag soll weltweit auf das Thema aufmerksam machen sowie Solidarität mit psychisch Kranken und mit ihren Angehörigen zum Ausdruck bringen, denn nach wie vor werden Menschen mit psychischen Erkrankungen stigmatisiert.
Der Welttag wurde 1992 gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Weltverband für psychische Gesundheit (WFMH) ins Leben gerufen. Er steht heuer unter dem Motto „Reden hebt die Stimmung – seelisch gesund in unserer Gesellschaft“.
Raus aus der Tabu-Ecke
In Österreich waren oder sind aktuell, laut einer Studie von 2020, rund 39 Prozent der Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. 63 Prozent der betroffenen Menschen gaben an, dies ihrem privaten Umfeld zu erzählen, aber nur 21 Prozent würden am Arbeitsplatz offen darüber sprechen – zu groß ist noch immer die Angst, nicht als ernstzunehmender und vollwertiger Teil der Gesellschaft gesehen zu werden. Daher ist es existenziell notwendig, dass psychische Erkrankungen aus der Tabu-Ecke geholt und kompetent behandelt werden.
Psychische Erkrankungen zu erkennen, sei nicht immer einfach, weiß Jutta Stadler, Leiterin der Klinischen Psychologie am Salzkammergut Klinikum Vöcklabruck. Die meisten Anzeichen sind unspezifisch, das heißt, es kann auch eine andere Krankheit hinter den Symptomen stecken. Eine psychische Erkrankung kann vorliegen, wenn man beispielsweise dauerhaft ängstlich, erschöpft, innerlich unruhig oder niedergeschlagen ist, sich für nichts mehr wirklich interessiert, schlecht schläft, sich nicht mehr konzentrieren kann oder wenn man anhaltende körperliche Beschwerden hat, wie Rücken- oder Kopfschmerzen oder auch Libidoverlust, für die sich, trotz genauer ärztlicher Abklärung, keine organischen Ursachen finden lassen.
Prävention, Aufklärung und Offenheit
Die Bandbreite von psychischen Erkrankungen sei sehr groß, weiß Stadler, angefangen von adäquaten Anpassungssymptomen bei Alltagsproblemen bis hin zu schweren psychiatrischen Krankheiten. Ganz wichtig sei zu erkennen, dass man krank ist, wenn man anfängt, unter den Symptomen zu leiden und seinen Alltag dadurch nicht mehr angemessen bewältigen kann.
Da psychische Erkrankungen in der Vergangenheit und zum Teil auch heute noch stigmatisiert werden und man schnell den Stempel „nicht normal“ aufgedrückt bekommt, sind sie in weiten Teilen der Bevölkerung, was die Akzeptanz angeht, vermutlich noch nicht auf einer Ebene mit somatischen, also körperlichen Krankheiten. Dies könne nur durch Prävention, Aufklärung und Offenheit geändert werden, meint Stadler. Denn eine psychische Erkrankung könne jeden treffen und darf nicht als Schwäche, sondern müsse als Krankheit verstanden werden!
Hilfe für Angehörige
Als nahestehender Mensch/Angehöriger von psychisch Kranken fühlt man sich oft machtlos, weiß Stadler. Man möchte helfen, weiß aber nicht, wie. „Auch Gefühle wie Angst, Traurigkeit oder Wut sind normal. Hier gilt: Wissen schafft Sicherheit! Informieren Sie sich über die Erkrankung des Ihnen nahestehenden Menschen. Symptome und Krankheitsverlauf zu kennen, hilft, Anzeichen richtig zuzuordnen und Betroffene besser zu verstehen sowie zu unterstützen“, rät die Expertin. Ebenso entlastet es meist auch, wenn man mit jemanden Vertrauten über die eigene Situation spricht. Hilfreich sind auch professionelle Beratungen, um eine andere Sicht auf die Dinge zu bekommen. Zudem erhält man dadurch Orientierung, wie viel und welche Unterstützung Betroffene benötigen. Nicht zuletzt sind das Zuhören und Mitgefühl wichtig, damit Menschen mit einer psychischen Erkrankung sich verstanden fühlen. „Dennoch ist immer auch das bewusste Setzen von Grenzen notwendig“, sagt Stadter.
Besteht der Verdacht auf eine psychische Erkrankung, kann man sich vertrauensvoll an Ärzte im niedergelassenen Bereich, an Psychologen oder Psychotherapeuten wenden oder in Akutfällen eine Spitalsambulanz für Psychiatrie aufsuchen.
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