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"Wut ist eine wichtige Emotion, die mir zeigt: Etwas passt nicht!"

Daniela Toth, 20.03.2018 09:50

VORCHDORF. Wut wird in der heutigen Gesellschaft als negativ betrachtet. Doch dieses „verpönte Gefühl“ erfüllt wichtige Funktionen, wie die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner bei ihrem gut besuchten Vortrag im Gasthof Ziegelböck betonte. Und die Wut zu verdrängen könne auch gefährlich sein.

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Kastner stellte in Vorchdorf auf Einladung der Bibliothek Vorch­dorf ihr aktuelles Buch „Wut – Plädoyer für ein verpöntes Gefühl“ vor. Beherrschung sei heute sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben gefragt, so Kastner: „Wut ist geächtet, wer wütet hinterlässt vielleicht einen Schaden, aber mit Sicherheit einen schechten Eindruck.“ Nicht zufällig würden sich 99,99 Prozent aller Bücher zur Wut damit befassen, wie man diese nicht auslebt.

Verdrängte Wut, die sich plötzlich Bahn bricht

In ihrer Arbeit als Gerichtspsychiaterin erlebe sie jedoch immer wieder die Folgen dieser verdrängten Wut: „Da sitzt dann jemand vor mir, hat versucht, mit dem Messer zwei Menschen zu ermorden, und er sagt: Das war nicht ich, das ist in mich gefahren“, schilderte die bekannte Expertin einen Fall aus ihrer Gerichtspraxis. Der betroffene Mann habe jahrelang Ärger, Kränkungen und Wut hinuntergeschluckt, bis er eines Abends spontan seine Frau und seine Tochter mit einem Messer angriff – eine Tat, an die er sich hinterher nicht mehr erinnern konnte.

Wut als Indikator

Für Kastner zeigt sich die Notwendigkeit der Wut schon allein dadurch, dass sie der Mensch im Lauf der Evolution – anders als den Schwanz oder die Ganzkörperbehaarung – nicht verloren hat. „Wut ist eine Emotion, die mir zeigt: Ewas passt nicht“, so Kastner. Wenn man dieses Gefühl wahrnehme, gelte es, sich zu entscheiden, wie man reagiert: „Ich kann etwas sagen, ich kann zuerst nachdenken und dann handeln oder ich kann zum Beispiel auch feststellen, dass ich in dieser Situation zu empfindlich bin und dann entsprechend reagieren.“

Wut: ja, Aggression: nein

Dabei unterscheidet sie scharf zwischen dem Gefühl der Wut und aggressiven Handlungen. „Wenn bei einem Menschen die Leitung zwischen Wut und Aggression zu kurz ist, ist das ein Problem.“ Grundsätzlich sei es aber ein Zeichen des Respekts dem anderen gegenüber, wenn man sich mit seinen Gefühlen, auch der Wut, offen zeige, ist die Psychiaterin überzeugt.

Auch, wenn Heidi Kastner eine Lanze für die Wut bricht, die heute oft zitierten „Wutbürger“ sind damit nicht gemeint, wie sie auf Nachfrage betont: „Das hat mit Wut nichts zu tun, das ist meist Neid und Mißgunst, was sich da äußert.“


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