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Energieversorgung und Klimaschutz: Akuter Handlungsbedarf

Leserartikel Ulrich Küntzel, 06.10.2018 14:21

WAIDHOFEN. Der zweite Waldviertler Klima- und Energiegipfel nach 2014 fand am 21. September in der Stadthalle statt. Eingeladen hatten das Wirtschaftsforum Waldviertel und die Energieagentur der Regionen. Viele, dafür kurze, Redebeiträge prägten die Veranstaltung. Allen Teilnehmern war bzw. wurde klar, dass dringender Handlungsbedarf besteht, wenn absehbare Schäden auch im Waldviertel abgewendet werden sollen. Möglichkeiten zum Investieren in ein smartes Energiesystem wurden vorgestellt und diskutiert.

Gruppenaufnahme aller Energiegipfel-Teilnehmer
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Otmar Schlager von der Energieagentur der Regionen, die für die Organisation verantwortlich zeichnete, skizzierte eingangs in einer Art Vorspann den Status quo des Waldviertels hinsichtlich der klimaneutralen Energieversorgung, wonach schon einiges erreicht worden ist, aber noch mehr zu tun bleibt, um beispielsweise auch die Ziele von mission2030 der niederösterreichischen Landesregierung zu erreichen.

Eingangs-Statements

Nach der charmanten Begrüßung der Teilnehmer aus Nah und Fern durch Gerhard Proißl gaben drei Personen, die relevante Institutionen vertraten, ihre Statements ab. Birgit Trojan vom Wirtschaftsforum Waldviertel ist angesichts der ins Auge springenden Veränderungen in der Natur erstaunt und erzürnt, dass „sich die Leute einfach alles schön ignorieren“ und ortet daher stark erhöhten Aufklärungsbedarf.

Eduard Köck, Klima- und Energiesprecher des Zukunftsraum Thayaland, sieht als primäre Aufgabe, den jährlichen Geldabfluss von rund 400 Millionen Euro für umweltschädliche Energie (davon circa 40 Millionen im Bezirk Waidhofen) einzudämmen. Dies sei gleichbedeutend mit dem „Einbohren in dicke, harte Bretter“.

Maurice Androsch, Präsident des Regionalverbandes, verwendete die Phrase „Weltuntergang – nur nicht bei uns!“, womit er die bequeme Abwälzung des Handlungsbedarfs an irgendwen anderen, zum Beispiel auf Amerikaner und Chinesen, verurteilte.

Kurzreferate von Experten

Es folgten vier Kurzreferate. Michael Hübner vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie erläuterte ERA-Net Smart Energy Systems als geeignet für Regionen wie das Waldviertel. Hierbei handelt es sich um ein europäisches Netzwerk für Investitionen in innovative Energie-Technologien, wobei drei Dimensionen bedient werden: das eigentliche Versorgungssystem, das Marktsystem und das Informationssystem. Transnationale Projekte werden gefördert, neue Partnerschaften werden angestrebt. „Greift's zu!“ war sein finaler Imperativ.

Herbert Greisberger von der niederösterreichischen Energie- und Umweltagentur zeigte sich stolz darauf, was im Land schon alles erreicht worden ist – 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen seit Ende 2015 (das sind aber nur 16 Prozent vom Gesamtenergieverbrauch), kommunale Energiebuchhaltung, e5-Gemeinden, Ölheizungsverbot bei Neubauten, um nur einige zu nennen. Allerdings sei noch nie in der Geschichte der Energieverbrauch von einem aufs andere Jahr tatsächlich gesunken. Die nötige Einsparung des Verbrauchs sieht er als „eine Hürde mit historischer Dimension“, an deren Überwindung jeder Einzelne arbeiten muss.

Ingmar Höbarth vom Klima- und Energiefonds des Bundesumweltministeriums berichtete vom Erfolg von Klima- und Energiemodellregionen (KEMs) und Klima-Anpassungsregionen (KLARs), daneben Mustersanierungen und e-Mobilitäts-Regionen. Drei KEMs und zwei KLARs sind im Waldviertel aktiv, um Bewusstseinsarbeit zu leisten und Aufklärung zu bringen. So geht es einerseits um einen Wertewandel im Konsumverhalten (Schluss mit der Wegwerfgesellschaft), andererseits um die Erkenntnis, dass die fossilen und nuklearen Energieträger in der Erde bleiben müssen, auch wenn sie „billig“ sind.

Julije Domac von der Energieagentur REGEA für Nord-West-Kroatien schließlich zeigte, wie in seiner Region, zu der auch Zagreb gehört, zielführende Projekte mittels Finanzierung durch die EIB (Europäische Investitionsbank) gelungen sind. Es gibt mehrere Programme wie beispielsweise ELENA, über die der Ausbau der Versorgung mit Energie aus erneuerbaren Quellen vorangetrieben werden kann. Hierbei stehen öffentliche Einrichtungen im Vordergrund. Auch dieser Referent sieht als generelle Hauptaufgabe „Communication, Communication, Communication!“.

Blitzlicht-Runde mit Waldviertler Akteuren

Nach der Pause wurde eine Blitzlicht-Runde durchgeführt. Zehn Akteure aus dem Waldviertel hatten je fünf Minuten Zeit, um folgende Frage zu beantworten: „Wie und worin sollen wir in den nächsten fünf Jahren investieren, um im Sinne eines nachhaltigen Energiesystems und eines lebenswerten Klimas im Waldviertel die Kurve noch zu bekommen?“ Hier die Antworten.

Florian Mahringer (Erneuerbare Energie Österreich): „Investieren in Zeit. Jammern, aber nicht wie üblich vor sich hin oder am Stammtisch, sondern so lange bei den Politikern und Entscheidungsträgern, bis die was tun.“

Bernadette Gundacker (Zukunftsraum Thayaland): „Investieren in Bürgerbeteiligungsprojekte wie die TRE, damit macht man sich in mehrfacher Hinsicht unabhängig.“

Michael Trcka (W.E.B Windenergie AG): „Investieren bei uns in Form von Aktien und Anteilsscheinen. Das garantiert hohe Rendite und sauberer Strom. Verzicht muss nicht sein!“

Martin Bruckner (KEM Lainsitztal): „Investieren in energieeffiziente Technik; es rechnet sich weitaus schneller als angenommen. Das muss stetig wiederholt werden. Meine Nachkommen sollen Erben sein, keine Hinterbliebene!“

Gerhard Linhard (Wallenberger + Linhard Regionalberatung KG): „Investieren einerseits in die Nutzung von modernen Technologien und Systemen, andererseits in die Aufgleisung der nachfolgenden Generation: Arbeit an Schulen ist enorm wichtig.“

Diether Schiefer (Bautechniker i.R., ex-Bürgermeister Waidhofen/Th.): „Investieren in Geduld. Die Entscheidungsträger müssen erreicht und motiviert werden.“

Renate Brandner-Weiß (TRE Regionalentwicklung GmbH): „300 Euro pro Kopf in sinnvolle Projekte als Basisinvestition, damit könnte rein rechnerisch der Geldabfluss gestoppt werden. E-Car-Sharing ist nur eine der zahlreichen Möglichkeiten.“

Josef Strummer (NÖ.Regional GmbH Waldviertel): „Investieren zu allererst in emissionsfreie Mobilität. Diesel und Benziner rechnen sich auch nicht! Nutzen von Gemeindebussen und Mitfahrbankerln sind ein Anfang. Viel Zeit einplanen, da die Mühlen sehr langsam mahlen.“

Werner Groß (Obmann der Wirtschaftskammer Horn): „Das Vorantreiben der Erneuerbaren Energieformen muss mit moderner Finanzierungsmethodik verknüpft werden. Die USA machen uns das mit Blockchain-Modellen vor. Das wird auch bei uns funktionieren.“

Ansbert Sturm (KEM Thayaland): „Investieren in Propaganda. Tu Gutes und sprich darüber! An Bildungseinrichtungen wie der HTL kann bei den jungen Leuten dadurch Begeisterung ausgelöst werden, die in die Familien getragen wird.“

Resümee

Im Resümee stellte Otmar Schlager fest, dass es für ein smartes Waldviertler Energiesystem noch nicht genug massentaugliche Geschäftsmodelle gibt. Daran müsse also gearbeitet werden. Es müssten in Summe hunderte Millionen Euro investiert werden. Auf seine Frage „Schaffen wir das?“ gab die Hälfte der Teilnehmer ein Ja zur Antwort, weit weniger als die Hälfte ein Nein. Schlager wünschte sich abschließend: „beim nächsten Waldviertler Klima- und Energiegipfel möge niemand mehr mit einem Verbrenner-Auto anreisen!“ Denn: „Wer glaubt, verstanden zu haben und nichts tut, der hat nicht verstanden“, wie Schlager einstreute.

Den Abend rundete ein kaltes Buffet ab, das zur Feier von zwanzig Jahren Energieagentur in Waidhofen/Thaya kredenzt wurde.

Zu einer Video-Dokumentation gehr es hier.


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