Dienstag 26. März 2024
KW 13


Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

WINDHAAG/LEOPOLDSCHLAG. Vor exakt 30 Jahren durchtrennten Landeshauptmann Josef Ratzenböck und Kreisvorsitzender Miroslav Šenkyr an der oö-tschechischen Grenze in Wullowitz den Stacheldraht am Eisernen Vorhang. Für Franz Kapl aus Windhaag, damals als Beamter des Gendarmeriepostens Leopoldschlag im Dienst, war die Grenze zeitlebens prägend.

11. Dezember 1989: Der Stacheldraht am Eisernen Vorhang wird unter Beifall von Vertretern aus Österreich und der damaligen Tschechoslowakei durchtrennt. Foto: Archiv Mühlviertler Schlossmuseum
photo_library 11. Dezember 1989: Der Stacheldraht am Eisernen Vorhang wird unter Beifall von Vertretern aus Österreich und der damaligen Tschechoslowakei durchtrennt. Foto: Archiv Mühlviertler Schlossmuseum

„In Windhaag war die Grenze für uns immer ein totes Gebiet, wir haben nur die Wachtürme gesehen“, erinnert sich Franz Kapl an seine Kindheit. Die Eltern warnten stets davor, in die Nähe des Eisernen Vorhangs zu kommen. „Meine Großmutter aus Leopoldschlag ist beim Reisighacken einmal bei der steinernen Brücke in Mairspindt irrtümlich über die Grenze geraten und hat sich verirrt – zum Glück ist ihr nichts passiert, aber diese Geschichte hat uns schon als Kinder geprägt.“

Schüsse an der Grenze

Im Gendarmeriedienst an der Grenze, den Franz Kapl 1984 antrat (siehe Infobox), war der Windhaager manchmal selbst in brenzlige Situationen involviert. „1987 ist eines Nachts ein tschechischer Soldat Richtung Zollamt Wullowitz geflohen, die tschechischen Grenzwächter haben geschossen“, erinnert er sich. Passiert sei dabei zum Glück niemandem etwas, auch jenem Leopoldschlager Bauern nicht, der beim Staudenschneiden an der Maltsch über die Grenze geriet und verhaftet wurde. Zu spaßen sei damals mit den Tschechen allerdings nicht gewesen, resümiert Kapl.

Geheimdienst gut informiert

Bei einem Ausflug nach Tschechien im Juli 1988, damals noch visapflichtig, hatte er im Visum als Berufsbezeichnung „Beamter im Innenministerium“ angegeben. „Bei der Grenzkontrolle in Dolni Dvoriste hat der Diensthabende aber genau gewusst, dass ich bei der Exekutive bin – der Geheimdienst hat immer gut gearbeitet“, weiß der Windhaager. Unvergesslich ist Kapl auch ein beruflicher „Ausflug“ über die Grenze im Jahr 1988, bei dem es galt, eine Gruppe unerlaubt mit dem Zug Eingereister zurück nach Tschechien zu begleiten. „Bei unserem Eintreffen hat man uns mit Maschinengewehren im Anschlag empfangen, dann hat uns der Kommandant zu einer Besprechung im Bahnhofsgasthaus gebeten.“

Mit Dampflok zurück über die Grenze

Nach einem gemeinsamen Glas Bier ließ der Tscheche eine Dampflok anspannen, die die Österreicher zurück über die Grenze brachte.Maschinengewehre und BierDer berufliche Kontakt zu den tschechischen Kollegen sei im Großen und Ganzen immer sehr gut gewesen, resümiert Franz Kapl. Nach dem historischen Akt der Stacheldraht-Durchtrennung in Wullowitz am 11. Dezember 1989, bei dem der Gendarm dienstlich im Einsatz war, besuchte er am Silvestertag mit dem damaligen Freistädter Bürgermeister Josef Mühlbachler und dem Abgeordneten Robert Elmecker die Grenzstation in Dolni Dvoriste, gleich hinter Wullowitz. „Wir haben den Offizieren ein kleines Geschenk übergeben und uns für die gute Zusammenarbeit bedankt“, blickt Kapl zurück. Jahre später trug dieser gute Kontakt Früchte in Form von gemeinsamen Streifen österreichischer und tschechischer Grenzbeamter.

Ansturm von Reisenden

Unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als das Reisen von Österreich nach Tschechien und umgekehrt ohne Formalitäten möglich war, herrschte in Wullowitz noch ganz wenig Andrang. „Der Ansturm kam erst ein paar Tage später, die Autokolonnen reichten auf beiden Seiten der Grenze kilometerweit zurück.“ Wo denn hier die Müllberge seien, wurde Franz Kapl damals von einem tschechischen Reisenden gefragt. Die kommunistische Propaganda hatte offenbar ganze Arbeit geleistet.

Arbeit an der Grenze

Mit zunehmendem Verkehr gab es auch für die Exekutive an der Grenze immer mehr Arbeit. Franz Kapl wurde mit dem Aufbau der neuen Grenzkontrollstelle Wullowitz betraut, die 1996 die Sicherheits- und Passkontrolle von der Zollwache übernahm. „Das waren schon Schengen-Kontrollen“, blickt der Windhaager zurück. Bis 21. Dezember 2007 versahen die Grenzgendarmen bzw. späteren Beamten der Grenzpolizeiinspektion Wullowitz ihren fordernden Dienst an der Grenze. „Gerade der Busverkehr war sehr stark, manchmal hatten wir in einer Nacht 200 Busse aus Tschechien abzufertigen“, blickt Franz Kapl zurück. Dank der guten Arbeit der „Grenzer“ gelang es, unzählige Delikte aufzuklären, Diebesgut sicherzustellen, gefälschte Dokumente aufzudecken oder gestohlene Autos sicherzustellen. Auch Verhaftungen von ausgeschriebenen Mördern, Räubern oder Menschenhändlern waren häufig.

Ausnahmezustand Grenzblockaden

Hochspannung herrschte an der Grenze in Wullowitz zur Zeit der Anti-Temelin-Blockaden im Jahr 2000. „Das war ein Ausnahmezustand, in dem wir eine neutrale Position einnehmen mussten.“ Während viele Autofahrer wegen des nötigen Umwegs wütend waren, sei zum Glück der Großteil der Demonstranten friedlich geblieben. Franz Kapl: „Selbst die Räumung des Grenzraums nach einer Bombendrohung hat anstandslos geklappt.“ Nach den Grenzblockaden sei wieder Normalbetrieb eingekehrt. Eine Anklage des damaligen Bezirkshauptmanns Hans Peter Zierl und Kapls auf tschechischer Seite wegen Duldung der Grenzblockaden verlief im Sand. „Es hat nie eine Verhandlung gegeben.“

Heute noch oft über die Grenze

Als die Grenzpolizeiinspektion am 21. Dezember 2007 die Grenzkontrolle zugunsten der „Schleierfahndung“ im Schengen-Raum beendete, war Franz Kapl schon als stellvertretender Bezirkspolizeikommandant in Freistadt tätig. Seit Mitte 2018 in Pension, überquert er die Grenze zu Südböhmen heute fast noch häufiger als in seiner aktiven Dienstzeit – bei gemeinsamen Fahrradtouren mit seiner Frau Margit.

Der Windhaager Franz Kapl, Jahrgang 1956, absolvierte eine kaufmännische Lehre und schlug dann, inspiriert von mehreren Onkeln, die Exekutivlaufbahn ein. Er absolvierte die Polizeischule in Linz und war bis 1984 in verschiedenen Linzer Wachzimmern im Dienst. Mit Heirat, Hausbau und Familiengründung reifte die Entscheidung, sich zur Gendarmerie überstellen zu lassen. Von 1984 bis 1991 versah Kapl Dienst beim Gendarmerieposten Leopoldschlag, ab Juli 1988 als stellvertretender Postenkommandant. 1991 übernahm er das Kommando des Gendarmeriepostens Neumarkt. Ab 1996 war er mit der Errichtung und dem Aufbau der neuen Grenzdienststelle (GREKO) in Wullowitz betraut, deren Kommandant er wurde. Mit Beitritt der EU-Oststaaten zum Schengen-Raum wurde die Kontrolle an der oö-tschechischen Grenze Ende 2007 abgeschafft und damit auch die Dienststelle. Franz Kapl wurde bereits im September 2007 stellvertretender Bezirkspolizeikommandant. In dieser Funktion trat er Ende Juni 2018 in den Ruhestand.


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden


Leistbarer Wohnraum: Spatenstich für 35 Wohneinheiten

Leistbarer Wohnraum: Spatenstich für 35 Wohneinheiten

RAINBACH. Leistbares Wohnen hat in den letzten Monaten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Um dies weiter zu ermöglichen, setzt sich auch das ...

Tips - total regional Alexander Kobler
Nachruf Anton Seiser: Sein Engagement bleibt unvergessen

Nachruf Anton Seiser: Sein Engagement bleibt unvergessen

UNTERWEISSENBACH. Unter großer Anteilnahme wurde am Freitag Anton Seiser, Altbürgermeister und Ehrenringträger der Marktgemeinde Unterweißenbach, ...

Tips - total regional Online Redaktion
Feuerwehrjugend-Wissenstest: 473 Abzeichen verliehen photo_library

Feuerwehrjugend-Wissenstest: 473 Abzeichen verliehen

PREGARTEN. Zum 42. Mal wurde im Bezirk Freistadt der Feuerwehrjugend-Wissenstest abgehalten. 473 Jugendmitglieder waren erfolgreich, 180 Abzeichen ...

Tips - total regional Mag. Michaela Maurer
Feuerwehr Hackstock: Mitglieder geehrt

Feuerwehr Hackstock: Mitglieder geehrt

UNTERWEISSENBACH. Mitglieder der FF Hackstock wurden für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt.

Tips - total regional Mag. Michaela Maurer
Osterratschen in Unterweißenbach hat lange Tradition photo_library

Osterratschen in Unterweißenbach hat lange Tradition

UNTERWEISSENBACH. In der Gemeinde Unterweißenbach wird am Karsamstag zum Ratschen eingeladen.

Tips - total regional Mag. Michaela Maurer
Polizist löschte Brand auf Balkon in Freistadt photo_library

Polizist löschte Brand auf Balkon in Freistadt

FREISTADT. Ein Polizist hat am Sonntagnachmittag in Freistadt einen Brand auf dem Balkon einer Wohnung im zweiten Stock eines Wohnhauses gelöscht ...

Tips - total regional Online Redaktion
Vierkanter: Die Acapellypse naht

Vierkanter: Die Acapellypse naht

LASBERG. A-capella-Gesang vom Feinsten, bekannte Melodien mit lustigen neuen Texten und viel Spass dabei, dafür sind die Vierkanter weitum bekannt. ...

Tips - total regional Mag. Claudia Greindl
Ein Festabend für Brigitte Schwaiger im Salzhof Freistadt

Ein Festabend für Brigitte Schwaiger im Salzhof Freistadt

FREISTADT. Mit dem Festabend „Ich suchte das Leben“ zu Ehren Brigitte Schwaigers wird am 6. April der 75. Geburtstag der Schriftstellerin ...

Tips - total regional Online Redaktion