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Präparator: „Bringen Sie es mir bitte frisch“

Katharina Vogl, 11.11.2015 08:23

ZWETTL. Schon im Garten wird man von Haien, Elefanten und anderen exotischen Tieren begrüßt – öffnet man die Tür zum Präparator Blabensteiner, so sind unzählige Augenpaare auf einen gerichtet. Auf den ersten Blick mag sich vielleicht ein etwas mulmiges Gefühl oder ein Kloß im Hals einstellen – aber nur so lange, bis der Hausherr seine Aufwartung macht, spätestens dann wird“s höchst lebendig.

  1 / 4   „Take it easy“, nennt sich sein neues Kunstprojekt: Hier zu sehen, eine präparierte Maus, die ihre eigene Falle stemmt und über den Dingen steht.

Dies liegt nicht zuletzt an der sprudelnden Leidenschaft, mit der Gerhard Blabensteiner von seinem Beruf erzählt, eine spannende Geschichte folgt der anderen. Genauso gut ist jedem Gast ein Willkommensgruß in Form eines Hochprozentigen gewiss. Die Frage, die vielen Besuchern auf der Zunge liegt – warum entscheidet man sich für den Beruf des Präparators? „Eigentlich sollte ich ja Zahntechniker werden, aber es war ein Wink des Schicksals, dass meine Eltern in der Zeitung auf eine Annonce stießen. Ein Wiener Präparationsbetrieb suchte damals einen Lehrling und so nahm alles seinen Lauf“, schmunzelt der 55-Jährige. Neugierig sei er schon seit jeher gewesen, wie wohl so ein Innenleben ausschaue und wie man ein Lebewesen konservieren und präparieren könne.

„Ich habe als Kind schon den Mäusen das Fell abgezogen, es gespannt und versucht eine Gerbung zu machen. Auch bei meinem Hund – wenn auch mit Tränen in den Augen“, so Blabensteiner.

Und seitdem der Meister diese Arbeit ausübt, ist ihm schon einiges untergekommen, von heimischen Artgenossen bis hin zu Bären, 90-Kilogramm schweren Netzpythons, Krokodilen, afrikanischen Antilopen, Tiger, Löwen, Spinnen oder Schlangen. „Vom Floh bis hin zum Büffel habe ich eigentlich schon alles bearbeitet“, schmunzelt Gerhard Blabensteiner. Grundsätzlich gäbe es kein Tier, das man nicht präparieren kann. Selbst eine Qualle ist kein Ding der Unmöglichkeit, auch wenn das dafür notwendige Verfahren des Gefriertrocknens ein sehr aufwendiges und zeitintensives ist. Sagt“s und rollt eine meterlange Pythonhaut auf dem Boden aus. Neben solchen Häuten und Fellen liegt der Fokus auf komplett erhaltenen Tierkörpern. Das Um und Auf dabei ist, das jeweilige Tier möglichst frisch zu bringen – bevor die Verwesung anfängt – so erreicht man die beste Qualität, appelliert der Tierpräparator.

Hemmschwelle Mensch

Berührungsängste sind hier falsch am Platz. Die hatte er anfangs nur, nachdem sein geliebter Hund starb. Und bei seiner Tätigkeit am pathologisch-anatomischen Institut in Wien, und zwar oft dann, wenn er in Berührung mit Kinderleichen kam: „Da tauchen auf einmal viele Fragen auf, wie hält und berührt man so ein Kind, wenn man es von den Körperflüssigkeiten reinigt? Die Antwort ist: Dementsprechend respektvoll.“ Und das ist bei Mensch und Tier – egal ob im lebendigen oder toten Zustand – ein Muss, so der Zwettler.

Mit Hirnlöffel und Schaber

„Mein Werk an einem frischen Tier beginnt immer mit einem feinem Brustschnitt – stets darauf bedacht, dass ich das Innenleben nicht verletze“, berichtet Gerhard Blabensteiner. Organe, Muskeln, Fettschichten müssen restlos entfernt werden, dabei ist chirurgisches Fingerspitzengefühlgefragt, die Tierhäute dürfen nicht einreißen. Das Fell durchläuft einige chemische Bäder und wird schließlich gegerbt. Nun kommt der Künstler im Präparator zum Vorschein: Der eigentliche Körper, wird anhand einer maßgetreuen Skizze oder Fotografie nachgebildet. Dabei muss die jeweilige Position des Tieres im Vorfeld feststehen – soll es auf der Lauer liegen oder zum Sprung ansetzen? Denn je nachdem werden andere Muskeln betont, sehr gute anatomische Kenntnisse sind dabei Voraussetzung. Das Fell wird schließlich wie eine Jacke über das Modell gezogen. Mit der Mär, dass die Tiere ausgestopft werden, räumt der Präparator gleich auf. Und nicht zu vergessen, die künstlichen Glasaugen als eines der wichtigsten Details, denn erst mit richtiger Pupillenform, Farbe und Größe wird das Tier (scheinbar) zum Leben erweckt.

Präparatoren werden weniger

Die meisten Aufträge kommen heute von Museen, Künstlern oder Jägern. Aber so viele Präparatoren wie einst gäbe es nicht mehr. Blabensteiner geht von rund fünf Lehrlingen österreichweit aus. So ist der Rückgang von Privatkunden spürbar und zudem – das tut ihm besonders leid – kommen nur noch selten Aufträge von Schulen: „Das tut mir schon weh, warum findet Unterricht nur mehr auf Knopfdruck statt, während naturkundliche Sammlungen entsorgt werden? Viele haben keine Vorstellung mehr, wie das ein oder andere Tier wirklich ausschaut“, meint der 55-Jährige, der übrigens noch lange nicht an eine Pension denkt. „Ganz werde ich es wohl nie lassen können, vielleicht muss ich mit zunehmendem Alter auf eine mittlere Tiergröße ausweichen, weil ich für kleine zu zittrig bin und große mir zu schwer sind“, grinst Gerhard Blabensteiner, der sieben Tage die Woche in seine Werkstätte geht. „Ich weiß gar nicht, was andere Leute an einem Sonntag so machen“, lacht er. So viel ist sicher: Die Zeit wird ihm stets zu knapp und falls sich doch mal eine Lücke auftut, greift der Künstler zum Pinsel, denn zeichnerisches Talent, eine der wichtigsten Eigenschaften seines Handwerks, hat er unbestritten.


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