WWOOF: „Hier in Zwettl habe ich wieder die Sterne gesehen“
ZWETTL. Giovanni stammt aus Mailand. Der smarte junge Mann durfte den Wurmhof Thaller in Oberhof (Zwettl) einen Monat lang sein Zuhause nennen. Dort war er im Mai als WWOOFer tätig. Ein Austauschprojekt der ganz besonderen Art und eine Bereicherung für alle Beteiligten, wie Tips aus erster Hand erfuhr.

„Wahrscheinlich habt ihr gedacht, jeder italienische Mann kann Pizza und Pasta kochen, dem ist nicht so. Meine ersten wirklichen kulinarischen Gehversuche habe ich hier am Wurmhof gesammelt, unter anderem lernte ich Brot zu backen oder Kardinalschnitten zu zaubern“, meinte Giovanni schmunzelnd mit einem Wink Richtung Gastmama Gaby Thaller. Denn er habe seinen italienischen Freunden zuhause versprochen, nach seiner Rückkehr nach Mailand eine österreichische Spezialität aufzutischen. Aber der 23-Jährige war nicht zum Kochen nach Zwettl gekommen, nein, er wollte auf einem Bauernhof Erfahrungen aus erster Hand sammeln, unterstützen, lernen, mitarbeiten. Darum meldete er sich bei der Organisation WWOOF an.
Über WWOOF
WWOOF (Abkürzung für: We“re Welcome On Organic Farms) ist eine weltweite friedliche Bewegung von Freiwilligen, die auf biologischen Höfen mithelfen und als Gastfreundschaft Kost und Logis bekommen. „Ich bin grundsätzlich ein sehr weltoffener Mensch, an Reisen und Landwirtschaft interessiert und möchte aus erster Hand erfahren und sehen, woher mein Essen kommt und wie sich die natürlichen Kreisläufe zusammensetzen. Nicht zuletzt lag es in meinem Interesse, mein Deutsch zu verbessern“, fasst Giovanni zusammen, der den Bachelor in Sprache und Internationalen Beziehungen in der Tasche hat. Seit 1996 gibt es eine eigenständige WWOOF-Österreich Gruppe, interessierte Helfer als auch Bauernhöfe, die solche aufnehmen wollen, können über diese Plattform in Kontakt treten. Der Wurmhof Thaller ist ein solch registrierter WWOOF-Bauernhof.
Ende April tätigte Gaby Thaller einen Hilfe-Aufruf auf der Online-Pinnwand der Homepage: „Hallo hier ist der Wurmhof, ich würde jemanden für Mai brauchen – bitte meldet euch“. Drei Mails und vier Tage später stand Giovanni auf der Matte. „Wir hatten schon die letzten Jahre immer wieder Au-pairs aus den verschiedensten Ländern und auch ich bin eine Gereiste. Alleine die verschiedenen Kulturen bei uns zu erleben, deren Lebenseinstellung und Essgewohnheiten hautnah mitzubekommen, ist faszinierend“, berichtete Gaby Thaller.
„Bedingt durch den Hof können wir nicht mehr von heute auf morgen in den Urlaub fahren, aber wir haben die Möglichkeit, uns die weite Welt ins Haus zu holen.“ Gaby Thaller, Wurmhof
Von Wurm suchen bis Steine sammeln
Nicht jeder kann von sich behaupten, bereits Erfahrungen in einem Regenwurmstall gesammelt zu haben, so aber Giovanni. Er beschäftigte sich in diesem Monat bei den Thallers intensiv mit allen Phasen der Humusproduktion. So hat er unter anderem gelernt, dass die fleißigen Kompostwürmer bis zu 90 Eier im Jahr legen, woraus wiederum rund 300 Nachkommen schlüpfen. Für die Seminargäste am Hof sammelte er die winzigen Wurmeier, welche dann mit einer Dosenlupe bestaunt werden konnten. Auch die größeren Tiere am Hof, die Bullen, wollten betreut werden. Nicht zu vergessen, das Steineklauben: „Das zählte zwar nicht zu den aufregendsten Arbeiten, aber selbst hier habe ich viel gelernt, Wolfgang Thaller gab mir viel über die Struktur und den Aufbau eines Ackers mit“, freute sich der wissbegierige Italiener. Und bei maximal drei Stunden am Stück, ist diese Feldarbeit auch erträglich, fügt Gaby Thaller hinzu. Giovanni hat das Waldviertel ins Herz geschlossen, vor allem am kühlen Klima findet er Gefallen. Und – er hat seit Langem wieder mal einen Sternenhimmel gesehen. Was für uns eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist für ihn eine Seltenheit, denn in Mailand sei es überall so hell. „Und das ist ein unglaublich wertvoller Erfahrungsaustausch, der mit Geld nicht zu bezahlen ist – eine Bereicherung für die ganze Familie“, zieht die Wurmhofbäuerin Resümee. „Wichtig ist es von vornherein, die Bereitschaft mitzubringen, dass jemand anderer ins Haus kommt, aber unsere Tür steht immer offen. In dem Zeitraum wo Giovanni da war, war er ganz einfach Teil unserer Familie.“ Und Giovanni selbst schließt es nicht aus, dass er eines Tages wieder an den Wurmhof zurückkehrt: „Ich könnte mir gut vorstellen, wieder als WWOOFer tätig zu werden.“ Erstmal spielt er mit dem Gedanken, seinen Master an der Universität zu absolvieren, sein Traum in naher Zukunft: Einen Arbeitsplatz in der EU oder in einer anderen Internationalen Organisation zu bekommen. Mit im Gepäck am Weg nach Italien hat er nun aber sehr viel Erfahrungsschätze und tolle Erinnerungen an das Waldviertel und seine Leut“.
Über den Wolken in Südtirol
Auch Marlene Penz denkt gerne an ihre WWOOFer-Zeit zurück. Die 26-jährige Zwettlerin war im Juli 2015 als freiwillige Helferin auf einem Bio-Kräuterhof in Südtirol tätig. Denn nach frühzeitiger Beendigung eines Praktikums hatte die junge Studentin noch ein besonderes Gut zur Verfügung: Zeit. Und diese verbrachte sie auf 1400 Metern Seehöhe. Gegen Kost und Logis hat sie ihre Arbeitskraft in den Dienst des Familienbetriebes gestellt. „Erhalten habe ich aber viel mehr als ein Essen und ein Bett: Naturerleben, Erfahrungsschätze, Wissen über den Kräuteranbau, Herzenswärme, Dankbarkeit und stramme Beine“, meint Marlene. Nach einem kräftigen Frühstück wurden tagtäglich die Bergschuhe geschnürt, der Strohhut aufgesetzt, ein Korb zur Hand genommen und die Blüten im Garten sowie am Feld geerntet. Königskerzen, Mohn-, Korn-, und Ringelblumen, Malve, Goldmelisse oder die Römische Kamille mussten per Hand für die Teemischungen gepflückt werden. „Zwar war es eine schweißtreibende und anstrengende Arbeit, aber auch eine sehr schöne. Man spürt die Verbindung zur Natur und beginnt den Wert dessen, was sie uns schenkt, noch mehr zu schätzen“, fasst die 26-Jährige zusammen.
Am Kräuterhof wurde vom Stängel bis zur Knospe alles verwendet, jede einzelne Blüte als Geschenk betrachtet. „Es ist schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die aus voller Überzeugung und mit Leidenschaft das tun, was sie tun. Es ist erstrebenswert, dass viele Produkte, die durch so eine liebevolle Handhabe entstehen, im Handel erhältlich sind.“ Neben der Blütenernte zählte das Unkrautjäten, die Trocknungsgeräte leeren, oder den Tee mischen zu ihren Aufgaben. Ohne den Einsatz von Freiwilligen könne diese Familie nicht von den Erträgen aus dem Kräuteranbau leben. Die Arbeiten würden die Erwachsenen alleine nicht bewältigen und jemanden anzustellen, wäre im Budget nicht drinnen, ist Marlene Penz überzeugt. Für sie war es definitiv eine sinnvolle Zeitüberbrückung, „ich habe geholfen, gelernt, vieles erhalten und Freunde gewonnen!“
Alle Infos über die Initiative: www.wwoof.at
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