Claudia Zinner: „Landwirtschaft braucht eine neue Kommunikation“
ZWETTL. In der gesamten Geschichte der Menschheit war es nie notwendig, Landwirtschaft zu kommunizieren, bis heute - ist Claudia Zinner überzeugt. Die zunehmende Entfremdung von Produzent und Konsument - für sie erschreckend. Der Bezug ist weg, die Nähe fehlt und damit auch das Verständnis für die Arbeit der Bauern. Das möchte die 28-Jährige, deren Herz schon seit jeher für die Landwirtschaft schlägt, gerne ändern - mit dem ersten Kommunikationsbüro für Landwirtschaft in Zwettl.
„Schade, wenn noch mehr Bauern sich entscheiden ihre Höfe aufzugeben“, meint Claudia Zinner.
Schon lange spürt sie, dass irgendetwas verkehrt rennt - das Spannungsfeld zwischen Landwirt, Gesellschaft, Medien und Konsument spricht ihrer Meinung nach Bände. Wenn man in rohe Kartoffeln beißt, weil man nicht weiß, dass man sie kochen muss oder wenn man denkt, dass gemähte und gepflegte Almen von der Natur hervorgebracht werden, dann wird der fehlende Bezug zur Realität ersichtlich.
Viele ähnliche, augenöffnende Gespräche hat Claudia noch im Hinterkopf. „Früher hatte man noch eine Oma am Land, die einem erklärte wie man eine Karotte anbaut und dass es dauert, bis man sie ernten kann - das ist vielfach heute nicht mehr so.“ Jahrtausendelang war dieses Bewusstsein eine Selbstverständlichkeit, heute ist es anders. Die Zusammenhänge fehlen und die Gruppe an Menschen, die diese vermitteln kann, wird Tag für Tag kleiner.
Entfremdung von Produzent und Konsument
Es ist unter anderem die Entfremdung von Produzent und Konsument, die ein Spannungsfeld entstehen lasse. „Wenn ich von Dingen eine Ahnung habe, eine gewisse Nähe, dann habe ich Verständnis und gebe ihnen auch mitunter mehr Wert“, ist die 28-Jährige überzeugt.
„Ich glaube, man muss sich bewusst werden: es war in der gesamten Geschichte der Menschheit nie notwendig, Landwirtschaft zu kommunizieren - bis zu unserer Generation.“ Innerhalb kürzester Zeit sei die Landwirtschaft aus den Köpfen verschwunden und mit ihr der reale Bezug zur Lebensmittelherstellung sowie unzählige Werte. Der Bauer sei heute finanziell abhängig, nicht selten fehle von außen das Wissen und damit auch das Verständnis rund um die Förderungen. Stattdessen werde oft nur der große Traktor gesehen. „Das wirkt sich auch auf das Bewusstsein der Bauern aus, wer ist denn bitte gerne abhängig von externen Zahlungen, damit er über die Runden kommt?“, fragt sich Zinner.
„Es geht wahnsinnig viel greifbare Lebensqualität verloren, wenn es kaum mehr Bauern gibt.“ Claudia Zinner
Herzensthema Landwirtschaft
Warum ihr die Landwirtschaft so am Herzen liegt, ist leicht erklärt: Selbst auf einem bäuerlichen Betrieb in Waldhausen aufgewachsen, hat sie diese Faszination nicht mehr losgelassen. Nach der Matura am FJ-Wieselburg begann sie mit dem Studium an der Universität für Bodenkultur. Schnell öffneten sich die Türen zur Arbeitswelt, das Studieren wurde zur Nebensache.
Nach ehrenamtlichen Tätigkeiten, Studentenjobs, unter anderem in Brüssel, oder als Sachverständige der Hagelversicherung setzte sich ihre steile Laufbahn in der Österreichischen Landjugend fort, bevor sie auch in unterschiedlichsten politischen Büros wertvolle berufliche Erfahrung sammeln durfte. Am Ende wechselte sie 2017 in die VP-Zentrale nach Wien, in das Generalsekretariat von Sebastian Kurz – wo sie inmitten eines jungen Teams ein klares Ziel verfolgte: „Kurz als Bundeskanzler“. „Das war bestimmt die intensivste und prägendste Zeit für mich“, erzählt Zinner.
„Anpacken statt Jammern“
Anpacken und Zusammenhelfen stand dort an oberster Stelle – auch alles Werte, die sie von zuhause mitbekam. Bis heute ist die Arbeit am Stall oder Feld ihre Kraftquelle. Das Credo Jammern gab es daheim nicht: „Es hieß immer: Jammern bringt keine Lösung, schaue dir an, worum es geht, packe in deinem Wirkungsbereich mit an und versuche die Dinge positiv zu ändern“, so Zinner.
„Müssen Menschen erzählen, was Landwirtschaft ist“
Genau das hat sie nun vor - nach einem weiteren Studium für Kommunikation möchte sie nun mit ihrem neuen Kommunikationsbüro Lösungen für ein neues bäuerliches Bewusstsein und dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit anbieten. Ob Beratung, Öffentlichkeitsarbeit oder Vorträge - ihre Zielgruppe sind all jene, die etwas über Landwirtschaft wissen möchten, ob Schulen, Firmen, Verbände oder Politik.
„Wir müssen den Menschen wieder erzählen, was Landwirtschaft ist.“ Besonders am Herzen liegen ihr aber die Bauern selbst. Wo steht man mit dem Betrieb, wie positioniere ich mich, wie trete ich nach außen auf? Dabei muss es nicht immer Facebook oder Instagram sein, oft reicht eine nette Visitenkarte, ein Logo auf der Rechnung oder ein handsigniertes Etikett auf dem Erdäpfelsackerl.
„Möchte Bauern Wert zurückgeben“
„Ich möchte der heimischen Landwirtschaft wieder den Wert zurückgeben, den sie eigentlich verdient hat. Die Menschen sollen wieder mitbekommen, wie wertvoll die tägliche Arbeit der Bauern ist“, führt Zinner an. Ohnehin seien sie von den vor- und nachgelagerten Bereichen oft völlig reglementiert. Auch sie selbst wird anpacken und sich dafür stark machen: „Landwirtschaft muss zu einer Marke werden, schließlich geht es um die Existenz der bäuerlichen Betriebe.“
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