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Carina Reif im Einsatz in Nigeria: Wenn zwei Welten aufeinander treffen

Katharina Vogl, 08.03.2018 07:15

ZWETTL/NIGERIA. 21 Tage - die man ein Leben lang nicht mehr vergisst, 21 Tage, die einem wieder auf die wirklich wichtigen Dinge hinweisen, 21 Tage, die prägen. Die 24-jährige diplomierte Krankenschwester Carina Reif nahm sich dreieinhalb Wochen Urlaub - um dort, wo ihre Hilfe dringend benötigt wird, auszuhelfen, in Nigeria.

Zwei Wochen lang unterstützte Carina Reif (r.) das Team im OP-Saal
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„Schon in der vierten Hauptschule sagte ich ganz entschlossen zu meiner Mama, dass ich eines Tages nach Afrika helfen fahren möchte“, erinnert sich Carina Reif. Und daran hielt sie fest. Nach ihrer Ausbildung zur Diplomierten Krankenschwester, und beinahe vier Jahren Praxiserfahrung im Pflege- und Betreuungszentrum in Zwettl, suchte sie sich gezielt eine Organisation, die sie unterstützen wollte. Eine wichtige Entscheidungsgrundlage war für Carina, dass für ihren Einsatz keine Spendengelder aufgewendet werden müssen.

Im Verein „One Heart Umunohu“, gegründet vom Priester in Obergrafendorf, Herrn Emeka Emeakaroha, wurde sie schließlich fündig. Der 44-jährige Pfarrer setzt sich dafür ein, dass die Lebensumstände der Menschen in seinem Heimatdorf im Bezirk Ihitte in Nigeria nachhaltig und langfristig verbessert werden.

Projektteilnehmer wie Carina arbeiten auf ehrenamtlicher Basis, finanzieren sich die Reise selber. Da es keinerlei Verwaltungs- oder Personalkosten gibt, kommen die Spendengelder auch zu 100 Prozent dort an, wo sie am dringendsten benötigt werden - bei den Menschen vor Ort.

Mit über 2000 Brillen nach Nigeria

Im Fokus der Reise stand ein Brillenprojekt. Dafür wurde seit August letzten Jahres jede freie Minute genutzt, um Second-Hand-Brillen zu sammeln. „Ich stattete diversen Optikern, Schulen und Pflegebetreuungszentren im Waldviertel einen Besuch ab, mit der Bitte, mich dabei zu unterstützen“, erzählt Carina. In ihrer Arbeitsstätte, dem Pflege- und Betreuungszentrum Zwettl, wurden Bewohner und Angehörige mittels Plakaten zur Mithilfe aufgefordert. Carina gelang es auf diesem Wege 2150 Brillen zu sammeln, niederösterreichweit freute man sich insgesamt über 9000 Sehhilfen.

„Wir waren alle überrascht von der Dynamik und dem Engagement, die diese Aktion bei uns im Haus ausgelöst hat“, so der Direktor des Pflege- und Betreuungszentrums Zwettl, Andreas Glaser. Jede einzelne wurde mit Hilfe von Experten gereinigt, repariert, ausgemessen und sortiert. Dank einer neuen Software gelang es, den gesamten Bestand digital zu erfassen und damit ein wertvolles Ordnungssystem zu schaffen.

Das war auch die erste Aufgabe der 24-Jährigen im Madonna-Austrian-Hospital in Nigeria. „Es hatte sich wohl herumgesprochen, denn der Ansturm bei der Brillenausgabe war enorm“, berichtet Carina. Auch ist es gelungen, unter der Federführung von Optikermeisterin Barbara Kainzer, eine eigene Optikerwerkstatt einzurichten, die es ermöglicht, das ganze Jahr über Brillen nach europäischem Standard anzupassen (siehe großes Foto oben).

Über einen „sterilen“ OP-Saal in Nigeria

In den letzten zwei Wochen zählte der Operationssaal zu Carina's Arbeitsstätte. „Die Standards sind nicht mit unseren zu vergleichen, bei uns wäre ein Ventilator oder beschädigtes Mauerwerk im OP undenkbar“, grinst Carina. Es wäre auch schwierig gewesen, einem Arzt zu erklären, dass er sich unter der OP nicht kratzen soll. So wird es mit der Sterilität längst nicht so genau genommen wie bei uns, dennoch trug seit dem Bestehen des Spitals noch kein einziger Patient eine Infektion davon. „Die Leute dort sind viel robuster, wachsen gesünder und natürlicher auf, ohne viel Umweltbelastungen, Chemie oder den - uns bekannten - täglichen Medikamenten“, weiß Carina. Die erste Antibiotikagabe wirkt also wahre Wunder.

Zahlreiche lebensnotwendige Operationen wurden vom Team durchgeführt, viele Nabel- und Leistenbrüche bei Kindern operiert, Blinddarmoperationen und eine Vielzahl an Korrekturen, etwa die Entfernung von Geschwüren, durchgeführt.

Geburten - berührende Momente

Geburten stellten für Carina stets berührende Momente dar. „Ich war erstaunt, dass die Babys relativ hell auf die Welt kamen und durch die beginnende Melaninproduktion erst nach und nach ihre schwarze Hautfarbe erlangen.“

Besonders begeistert waren die Einheimischen von zwei Therapeuten, die nach der „Dorn und Breuß“-Methode die Wirbelsäule oder das Becken der Patienten einrichteten. An die kleine Martha erinnert sich die junge Frau aus Großreichenbach besonders gerne zurück. Das Mädchen musste bisweilen stets getragen werden, man vermutete eine Lähmung von der Hüfte abwärts. Bis im Hospital eine Erkrankung der Wirbelsäule festgestellt wurde, die die Therapeuten dann behandelten. Nach dem erfolgreichen Einrenken konnte sie bald erste Schritte tätigen.

Nicht nur wichtige Erste Hilfe stand in den drei Wochen am Programm, sondern auch die Wissensvermittlung und Schulung - von den Kindern angefangen bis hin zum Klinikpersonal - damit diese eines Tages selbständig und unabhängig agieren können.

Großkonzerne saugen Grundwasser ab

Durch viele helfende Hände konnte eine Infrastruktur aufgebaut werden: Denn die öffentliche Wasserversorgung ist von miserabler Qualität. Bekannte Großkonzerne machen sich das zu Nutzen und saugen Nigerias Grundwasser in riesigen Mengen ab, reinigen es und verkaufen es in Flaschen abgefüllt als teures Tafelwasser, erzählt Carina.

Das Vereinsprojekt des Priesters ist mittlerweile viel mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein: Ein Brunnen, und damit die Möglichkeit auf sauberes Wasser, Bildung, Arbeit und medizinische Betreuung ermöglicht den Einheimischen eine Zukunftsperspektive.

Herzliche Mentalität

Ein gewaltiger Kulturunterschied zeige sich in der Pünktlichkeit: So könne es durchaus sein, dass der Anästhesist erst drei Stunden später als vereinbart zum OP-Termin kommt, „die Problematik dahinter ist ihm aber nicht bewusst“, lacht Carina. Nichts desto trotz: „Die Bevölkerung ist derart herzlich, fremde Leute umarmen dich, dort gibt es keine Berührungsängste“, schildert die 24-Jährige. Sie spricht von gemütlichen und zufriedenen Leuten, die das Leben mit einer gewissen Leichtigkeit und Fröhlichkeit nehmen und das obwohl sie eigentlich „nichts“ haben.

„Wir wurden begrüßt, als ob wir jemand Besonderes wären, Kinder wollten unsere weiße Haut berühren, kaum ein Tag verging, wo nicht für uns getanzt wurde“, erzählt Carina, die von dieser „Verehrung“ fast peinlich berührt war, „denn meiner Meinung nach sind wir Menschen doch alle gleich.“ Je älter man dort sei, desto mehr Respekt komme einem entgegen, das Familienleben gestalte sich bunt und lebendig.

Dennoch „sind die Einwohner der Meinung, dass wir Europäer im Luxus schwelgen und bei uns alles besser ist“, erzählt Carina.

Wieder zurück zu Hause

Seit einigen Wochen ist sie wieder zurück in ihrem Heimatort. An den Wohlstand zuhause musste sie sich erst wieder gewöhnen. „Es war anfangs sehr schwierig für mich, am reichlich gedeckten Mittagstisch zu sitzen und zu wissen, dass dort in Nigeria ganz andere Bedingungen vorherrschen.“

Denn im afrikanischen Dorf entstanden aus ganz einfachen Produkten einfache Gerichte und das wurde miteinander geteilt. Es gab keine Unmengen - Bananen oder Nüsse sorgten für die Sättigung zwischendurch. So wurde auch mal eine wertvolle Avocado gut aufgehoben um das trockene Toastbrot vom Frühstück anzureichern.

Nach dem Einblick in diese andere Welt „lernt man die Kleinigkeiten definitiv wieder zu schätzen“, ist die 24-Jährige dankbar für die nachhaltige Erfahrung.

Sie will sich weiterhin für das Hilfsprojekt stark machen und Afrika wird sie eines Tages wieder sehen, da ist sie sich sicher.

Mehr über das Hilfsprojekt unter: www.emeka.at


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