Schweden ist anders: Wertschätzung, Eigenverantwortung und Augenhöhe
LANGSCHLAG/SCHWEDEN. Während im Bezirk Zwettl und im restlichen Österreich die Rollläden heruntergezogen wurden, ging Schweden weiterhin einen eigenen Weg. Nicht nur, was die Corona-Pandemie betrifft, sondern auch, was das Schulsystem angeht. Eine, die das hautnah miterlebt hat, ist Tanja Neumayr aus Kogschlag. Sie war erst im Oktober wieder in Schweden, wo sie auch ein halbes Jahr unterrichtet hat.
Der schwedische Sonderweg ist umstritten und vielen unverständlich. Ein Land, das seit über 200 Jahren an keinem Krieg mehr teilgenommen hat, hat lange Zeit nur einen „Light-Lockdown“ verhängt. Prozentmäßig hat dieses Land zwar mehr Coronatote als Österreich, jedoch weniger als Spanien, das besonders strenge Maßnahmen verordnet hat. In Schweden ist die Maske ein Soll und kein Muss. Die schwedische Regierung verhängt nur Empfehlungen. Die Philosophie dahinter: Wenn man an die Vernunft der Bevölkerung appelliert, statt sie zu Einschränkungen zu zwingen, sei die Akzeptanz dafür auf lange Sicht höher.
Maßnahmen, die spalten
Während in Österreich in den Mittelschulen Schüler ohne Masken in den Klassen sitzen dürfen, muss während des Lockdowns in höheren Schulen bei Schularbeiten eine Maske getragen werden. Eine Maßnahme, die spaltet. „In den Schulen in Schweden wird generell keine Maske getragen, weil sie es nicht als sinnvoll empfinden. In Transportmitteln gibt es keine Maskenpflicht, das heißt nicht, dass sie das ignorieren. Wichtig ist bei ihnen, die ein bis zwei Meter Abstand einzuhalten und in den öffentlichen Verkehrsmitteln sich nicht zu Fremden setzen. In Lokalen gibt es natürlich die Handdesinfektion – aber man empfindet das als höfliche Art und nicht als Pflicht. Es gibt keine Maskenpflicht. Es gibt eben nur die Empfehlung“, erzählt Tanja Neumayr.
Aug-in-Aug-Gesellschaft
Als Sprachassistentin am „Hvitfeldtska Gymnasiet“ in Göteborg hat sie 16 bis 19-Jährige unterrichtet und ein motivierendes System erlebt. „In Schweden passiert alles auf Augenhöhe. Obwohl es eine „Sie-Form“ gibt, sind in Schweden in der Schule alle per Du. Es wird von Klein an auf Verwantwortung und selber nachdenken gesetzt. Es ist eine `Aug in Aug´-Gesellschaft Das fehlt bei uns. Alle erwarten deine Befehle, das wird dir in Schweden nicht passieren. In Österreich sind wir gesellschaftliche Diener“, so Neumayr. Schüler in Schweden wollen wissen, warum sie etwas tun sollen. Sie hinterfragen den Sinn. „Wenn du es in Schweden als Lehrer nicht schaffst, den Sinn einer Aufgabe zu vermitteln, beißt du auf Granit“, so Tanja Neumayr aus ihren Erfahrungen.
Modulares Schulsystem
So wie sich die Corona-Maßnahmen zu den österreichischen unterscheidet, so unterschiedlich ist auch das Schulsystem. Die schwedische Schule erstellt das Angebot „Die Schüler können sich das wie in einem Supermarkt ´zusammenstoppeln´“, erklärt Neumayr, „natürlich braucht man bestimmte Gegenstände, wenn man zum Beispiel Medizin studieren will. Jeder hat seinen eigenen Stundenplan und wenn jemand durchfällt, dann muss er nicht in allen anderen Gegenständen wiederholen, sondern eben nur in dem einen.“ Aber es ist gibt auch etwas Positives, das Tanja Neumayr erwähnt: „Die Klassengemeinschaft ist bei uns besser, weil das in Schweden zusammengewürfelt ist. Bei uns ist es familiärer.“
Wertschätzung
Drei Rektoren für eine Schule – in Österreich undenkbar, in Schweden Gang und Gäbe. Dabei hat auch noch jeder sein eigenes Sekretariat. Dadurch ist es möglich, die Stundenpläne et cetera zu bewältigen. Während in Österreich ein Lehrer gerade einmal einen halben Quadratmeter Platz im Konferenzzimmer für sich beanspruchen kann, hat man in Schweden ein ganzes Zimmer als Arbeitsplatz für sich alleine. Und: Nicht nur ein heiß umkämpfter Kopierer, sondern mehrere. Dazu ein „Schlaraffenland an Büromaterial“, wie es Tanja Neumayr bezeichnet. „Als Lehrer fühlst du dich dort einfach wertgeschätzt. Als Assistenz hatte ich ein Zimmer fast für mich alleine. Bei uns hast du als Lehrer und Direktor eine ständige Arbeitslast. Die Befehle von oben müssen weitergegeben werden. In Schweden ist die Wertschätzung vom Bildungsministerium da. Für den schwedischen Lehrer ist es kein Thema, den ganzen Tag an der Schule zu sein, weil er eben diese Wertschätzung verspürt“, kritisiert Neumayr das österreichische System.
Frisches Schulessen für alle
Die Mensa in schwedischen Schulen ist offen. Dort kann jeder hingehen und sich Essen kaufen. Für die Schüler ist es durch Subventionen gratis. „Für unser Schulessen findet sich niemand, weil es ja nichts kosten darf. Wenn sich mehrere Eltern zusammentun, könnte es schon funktionieren“, meint Tanja Neumayr. Für die Schweden hat Tanja Neumayr im Übrigen durch ihren österreichischen Akzent kein richtiges Deutsch gesprochen. „Sie haben gesagt, ich singe“, schmunzelt sie. Schweden ist in vielen Dingen anders. Ob richtig oder falsch, darf jeder für sich beantworten. Manches macht Schweden aber auf alle Fälle richtig: Wertschätzung, Augenhöhe, Eigenverantwortung und keine Panikmache, denn wie sagt schon der Volksmund: „Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben.“
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