Auf schmalem Pfad durch den Grand Canyon Niederösterreichs
Der im Jahr 1970 gegründete Naturpark Ötscher – Tormäuer ist mit 170 km² der größte des Landes. In seinem Zentrum thront der Ötscher, mit 1893 Metern der höchste Berg des Mostviertels und gleichzeitig auch Wahrzeichen der Region. An seiner Südseite hat sich der Ötscherbach tief in den Untergrund gegraben und ein Naturparadies der besonderen Art geschaffen. von ERICH SCHACHERL
Wir starten die Wanderung beim Stausee in der kleinen Ortschaft Wienerbruck, wo ein Parkplatz für Besucher des Naturparks angelegt wurde. Der Speicher muss 2013 nach über 100 Jahren Betrieb revitalisiert werden, deshalb wurde das Wasser ausgelassen. Fünf Minuten folgen wir der Uferstraße entlang des leeren Seebeckens, dann betreten wir linkerhand auf einem schmalen Pfad, der später abschnittsweise zu einer befestigten Steiganlage wird, den Naturpark. Rechts taucht die Lassing auf, ein wenig Wasser führender Bach, dessen Lauf hinunter ins Tal wir für die kommenden 45 Minuten folgen. Schon nach den ersten Minuten verzaubert uns der Lassingbach mit seinen zahlreichen kleinen Wasserfällen, Kaskaden und einladenden Becken. Schließlich stürzt er fast 90 Meter tief hinunter, um sich im Talgrund mit der Erlauf zu vereinen. Von schönen Aussichtsplätzen entlang des Steigs bewundern wir dieses Naturjuwel. Beim Kraftwerk Wienerbruck überqueren wir die Erlauf und wenden uns nach links. Die Anlage mit Speicher und Turbinengebäude ist historisch bedeutsam, wenn sie wurde 1911 eröffnet und war damals das größte Speicherkraftwerk der Habsburgermonarchie. Bis zum heutigen Tag ist es in Betrieb und produziert Strom.
Einzigartige Schlucht Vor uns liegen die Ötschergräben. Als „Grand Canyon Niederösterreichs“ wurde die klammartige Schlucht schon betitelt. Von unserem Standpunkt bis zu ihrem Ende beim Schleier-Wasserfall liegen sechs Kilometer Natur pur. Fels, Geröll, Vegetation und Wasser kombinieren sich zu einer landschaftlichen Einheit, die uns staunen lässt. Wild, felsig und unbequem wirken manche Abschnitte, dann wieder plätschert der Bach sanftmütig dahin und zaubert Naturromantik in die Gegend. Es ist kaum vorstellbar, dass der schmächtig wirkende Ötscherbach dieses zauberhafte Tal im Laufe der Jahrtausende geformt hat. Das Wasser ist kristallklar, frisch und wechselt seine Farbe zwischen türkis und grün. Der Pfad den wir betreten ist schmal und zieht sich der Hangstruktur folgend bachaufwärts. An etlichen Stellen wurden Steighilfen, Drahtseile und Holzstege angelegt, um vorwärts kommen zu können. In den meisten Abschnitten verläuft der Pfad mehrere Meter über dem Wasser, an einigen Stellen ist es aber auch möglich, direkt ins Bachbett zu steigen.
Wunderwelt 65 Minuten sind wir unterwegs als der „Ötscherhias“ auftaucht, eine mitten in den Gräben liegende Verp egungs- und Schutzstation. Bis hierher ist die Rede von den Vorderen Ötschergräben, von hier den Ötscherbach aufwärts sind es die Hinteren Ötschergräben. Wir haben Proviant dabei, also gehen wir weiter zum nächsten Ziel, dem Mirafall, den wir 20 Minuten später erreichen. Ein Platz wie aus einer Wunderwelt liegt vor uns, passend benannt, denn der lateinische Wortstamm von mira bedeutet wunderbar. Aus schätzungsweise 30 Metern Höhe fällt das Wasser schleierähnlich in die Tiefe in ein rundes Becken aus Fels, von dort ießen Rinnsale weiter, die sich einige Meter unterhalb in den Ötscherbach ergießen. Ein Platz voll guter Energie und perfekt für eine ausgiebige Rast geschaffen. Nach mehr als einer Stunde Ruhe und Genuss machen wir uns auf den Rückweg. Wir folgen der Route, die uns hierher gebracht hat, erleben die Gräben nun aber aus der Perspektive des Rückwegs. Etwas mehr als zwei Stunden brauchen wir, um zum Startpunkt der Wanderung zu gelangen.
Anfahrt: A1, Abfahrt St. Pölten Süd, dann die Mariazellerstraße (B 20) bis Wienerbruck. Wienerbruck ist mit der Mariazellerbahn erreichbar. Fahrpläne unter: www.noevog.at Infos und Fahrpläne über den öffentlichen Busverkehr gibt es unter: www.mostviertel-linie.at
AUSGANGSPUNKT: Parkplatz bei der Jausenstation Lassingstubn
GEHZEIT: 4,5 Stunden (12 km)
ANSTIEGE: ca. 160 m
WEGBESCHAFFENHEIT: Gebirgspfad, Steiganlage, kurzes Asphaltstück
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