
AMSTETTEN. Pandemie, Teuerung, Ukraine-Krieg: Die derzeit schwierige Lage stellt auch die soogut-Märkte vor große Herausforderungen. Tips bat die Amstettner Marktleiterin Yurdagül Sahin zum Gespräch.
Tips: Frau Sahin, wie wirkt sich die aktuelle Teuerung auf die Anzahl der Kunden im soogut-Markt aus?
Yurdagül Sahin: Seit Beginn der Teuerungswelle können wir einen klaren Anstieg bei den Kundenzahlen beobachten. Wir verzeichnen etwa 100 Einkäufe täglich − Tendenz steigend. Das ist ein Zuwachs von etwa 25 Prozent. Wir sprechen von Menschen, die auch schon vor der Teuerungswelle bei uns hätten einkaufen dürfen, die aber mit billigen Diskonteinkäufen bisher gerade noch über die Runden kamen und jetzt an ihre Grenzen stoßen.
Tips: Wie viele Kunden besuchen pro Woche den soogut-Markt?
Sahin: Wöchentlich verzeichnen wir knapp 600 Einkäufe. Bei einem Einkauf von zehn Euro sparen sie sich 20 Euro, da unsere Nahrungsmittel um zwei Drittel günstiger als im regulären Handel angeboten werden. Die Ersparnis, die sie bei uns erleben, hilft ihnen dabei, die Dinge bezahlen zu können, die bei uns nicht angeboten werden. Dadurch sehen wir uns auch keineswegs als Konkurrenz zum Handel.
Tips: Wer besucht den soogut-Markt in Amstetten?
Sahin: Unser Publikum ist bunt gemischt. Mindestpensionistinnen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und denen letztendlich zu wenig zum Leben bleibt. Alleinerzieherinnen, die aufgrund von Kinderbetreuung einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Menschen, die trotz Beschäftigung zu wenig verdienen. Einzelunternehmer, die im Zuge der Pandemie massive Einkommensverluste verzeichneten und ihre Selbstständigkeit finanziell nicht mehr stemmen können. Menschen, die aufgrund ihres Alters oder Vorerkrankungen am Arbeitsmarkt unerwünscht sind. Kinderreiche Familien. Und selbstverständlich auch Menschen, die krisenbedingt ihre Heimat verlassen mussten.
Tips: Welche Rückmeldungen bekommen Sie bezüglich Teuerung?
Sahin: Unsere Kunden sind dankbar, günstig einkaufen zu können. Denn sonst würden viele nicht wissen, wovon sie ihre Energie- und Mietkosten bezahlen sollen und auch jene Lebensmittel, die bei uns im soogut-Markt nicht angeboten werden. Als schlimm empfinden sie die gestiegenen Preise bei Brot und Gebäck, Nudeln, Öl und Mehl.
Tips: Apropos Preise: Sind sie im soogut-Markt gleich geblieben?
Sahin: Trotz der Teuerungen haben wir unsere Preise nicht angepasst. Es trifft wieder einmal jene Menschen am härtesten, die ohnehin schon mit wenig Geld auskommen müssen. Eine Erhöhung unserer Preise sehen wir als unzumutbar. Selbstverständlich bedeutet dies für uns eine erneute Herausforderung. Denn wir selbst sind von der Teuerungswelle massiv betroffen und müssen den höheren Aufwand für unsere Transporte und den Energieverbrauch aufbringen.
Tips: Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf den soogut-Markt aus?
Sahin: Wir verzeichnen einen allgemeinen Warenrückgang − speziell im Obst- und Gemüsesegment. Warum es dazu gekommen ist, ist laut unserem Geschäftsführer Wolfgang Brillmann schwer nachvollziehbar. Straffe Kalkulationen in den Handelsfilialen und Reduktion in der Produktion selbst könnten ihm zufolge mögliche Gründe sein. Besonders hart trifft es unsere Kunden bei Obst und Gemüse. Denn einfach zugreifen zu können, im Wissen, dass es für sie leistbar ist, das wussten sie sehr zu schätzen. Es ist eine sehr traurige Entwicklung, dass es zunehmend mehr Menschen gibt, für die frische Zutaten zum Kochen nicht mehr leistbar sind. Großen Bedarf haben wir bei den Grundnahrungsmitteln und bei den Hygieneprodukten. Auch Konserven, eingelegtes Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte und Sugos werden stark nachgefragt. Die kleinere Auswahl an Molkereiprodukten und Wurstwaren macht uns auch stark zu schaffen.
Tips: Wie sieht es mit dem Team aus? Werden Mitarbeiter gesucht?
Sahin: Derzeit sind sieben Mitarbeiter, ein Zivildiener und 50 ehrenamtliche Helfer am Standort in Amstetten im Einsatz. Freiwillige werden für die täglichen Warenabholungen und für Arbeiten im Markt selbst gesucht.
Tips: Wie wird/soll sich der soogut-Markt weiterentwickeln?
Sahin: Wir sind um eine intensivere Auslastung in unserem Restaurant bemüht. Unsere ehrenamtlichen Küchen-Teams zaubern dienstags bis freitags frisch zubereitete Mittagsmenüs zu kleinen Preisen.
Weiters werden ehrenamtliche Helfer ab Juni jeden ersten Freitag und Samstag bei den Billa Plus-Filialen Waren für unseren soogut-Markt sammeln. Im Sinne des nachhaltigen Umgangs mit Lebensmitteln ist es auch unser Ziel, enger mit regionalen landwirtschaftlichen Betrieben zu kooperieren. Überschüsse oder Erzeugnisse, die nicht der gewünschten Norm entsprechen, können wir unkompliziert entgegennehmen. Auch Privatpersonen sind eingeladen, uns überschüssige Produkte wie Obst und Gemüse aus dem Garten vorbeizubringen. Ebenso gewinnt der Sponsoringbereich für uns an Gewichtung.
Armut und Einsamkeit gehen leider Hand in Hand. Daher haben viele unserer Kunden ein Haustier. Doch dessen Versorgung stellt oft ein Problem dar. Kooperationen mit Tierfuttererzeugerbetrieben wären eine wichtige Bereicherung.