Interview: Neuer Apothekenbereitschaftsdienst wird gut angenommen
BEZIRK AMSTETTEN. Die Apothekenbereitschaftsdienste wurden Anfang des Jahres neu geregelt. Derzeit werden das neue System überprüft und Erfahrungswerte gesammelt. Tips-Redakteur Norbert Mottas bat Andreas Hoyer, Obmann der Landesgruppe Niederösterreich des Apothekerverbandes, zum Interview.
Tips: Anfang dieses Jahres wurde in vielen Teilen Niederösterreichs ein neues Apotheken-Bereitschaftsdienstsystem eingeführt, das gerade evaluiert wird. Worin bestehen die Neuerungen?
Hoyer: Die Apothekenbereitschaftsdienste (Nachtdienste) mussten einerseits wegen der neuen Arbeitszeitregelungen – die ähnlich den Ärzten Nachtdienste und Tagesdienste länger als 25 Stunden nicht mehr erlaubten – als auch wegen der Änderungen des ärztlichen Notdienstes in der Nacht verändert werden. Unser Ziel war es, die Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Arzneimitteln auch außerhalb der Öffnungszeiten sicherzustellen und gleichzeitig die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Solange die Ordinationen vor Ort geöffnet sind, stehen wir mit unserem sehr engmaschigen Netz an dienstbereiten Apotheken zur Verfügung. In den Nachtstunden nach 20 Uhr haben wir zB zwischen Amstetten und St. Valentin eine dienstbereite Apotheke, die aber im Notfall für nicht mobile Patienten eine kostenlose Zustellung der benötigten Arzneimittel in Absprache mit dem Arzt organisiert. Anders als bei den Ärzten zahlen die öffentliche Hand und die Krankenkassen bis heute zu diesem Notdienst nichts dazu. Sämtliche Ausgaben müssen vom Apothekenbetrieb getragen werden.
Tips: Was war der Grund, das Notdienstsystem zu ändern?
Hoyer: Die neue Arbeitszeitregelung, die einen durchgehenden Dienst über 25 Stunden – unabhängig von der Inanspruchnahme – nur mehr in Sonderfällen erlaubt. Die Apotheken haben aber eine Betriebspflicht während des Tages und eine verpflichtende Anwesenheit eines Pharmazeuten. Würden die Bereitschaftsdienste im alten Schema durchgeführt, wäre dies für viele Landapotheken organisatorisch und finanziell durch den erhöhten Bedarf an Pharmazeuten nicht durchführbar gewesen.Gleichzeitig haben sich die praktischen Ärzte seit April 2017 mit der Krankenkasse über keinen ärztlichen Bereitschaftsdienst von 19 bis 7 Uhr einigen können. Notfälle werden vom Roten Kreuz direkt in die umliegenden Spitäler geführt oder von einem „NotArzt“ pro Bezirk betreut.
Tips: Können Sie ein paar Situationen schildern, in denen das Notdienstsystem missbraucht wurde?
Hoyer: Ganz aktuell ist zum Beispiel das Thema Fussball. In den Pausen und sehr oft nach einem Spiel werden dann die eigenen Rezepte oder von Angehörigen, die durchaus auch schon einige Tage alt sind, eingelöst. Gerade gestern Abend passiert, 22.30 Uhr – Rezept von Mittwoch. Auch Tagesrezepte, die nicht so wichtig erschienen sind, wie der Einkauf von Nahrungsmitteln werden oft spät eingelöst, da die Apotheken eh da sind. Viele verstehen nicht, dass es sich um einen Notdienst handelt und wir am nächsten Tag wieder fit in der Apotheke stehen sollen.
Ein Klassiker sind auch die Abführzäpfchen nach Mitternacht, wobei die Beschwerden schon einige Tage bestehen und es jetzt halt unangenehm ist. Auf Rückfrage, warum so spät, bekommt man meist die Antwort: „Sie haben ja eh Dienst.“
Aspirin gegen Kopfweh mitten in der Nacht: Normalerweise sollte ein Schmerzmittel immer in der Hausapotheke vorrätig sein.
Lustige Episode: Eine Dame ruft an und verlangt Wurmtabletten für sich als Vorbeugung. Auf Nachfrage warum, erzählt sie, dass sie mit ihrer Katze gemeinsam zu Mittag Chicken Wings vom Teller gegessen hat und sie jetzt gesehen hat, dass die Katze Würmer hat.
Ein Klassiker: Auch das Lausshampoo, weil die Kinder in der Nacht aufwachen und starken Juckreiz verspüren oder die Pille danach, die für die Betroffenen durchaus Notfallcharakter hat, aber bis zu 72 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr noch wirkt.
Tips: Hat sich das neue Notdienstsystem im Bezirk Amstetten bewährt?
Hoyer: Ja, denn wir konnten die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und die wenigen Notfälle gut und schnell versorgen, bei gleichzeitig hoher Versorgungsqualität zu den Kernzeiten. Es hat bis jetzt nur eine Beschwerde bei der Behörde gegeben.
Tips: Gibt es schon Rückmeldungen von Patienten und Ärzten?
Hoyer: Viele Patienten verstehen die Gründe für die Änderungen und wir haben auch bemerkt, dass die Leute wieder mehr Eigenverantwortung aufbauen. Die gut sortierte Hausapotheke ist wieder im Kommen, auch deshalb weil vielen Patienten durch telefonische Beratung der diensthabenden Apotheke geholfen werden konnte bzw kann. Die wenigen notwendigen Zustelldienste funktionierten auch in der Grippezeit sehr gut.
Tips: Gibt es im Bezirk ein ausreichend dichtes Netz an Apotheken oder gibt es auch Regionen, wo es noch Apotheken bräuchte?
Hoyer: Die Anzahl der Apotheken ist ausreichend und wird laufend durch ein Bedarfsregelungsverfahren bei Neuansuchen überprüft. Es gibt aktuell Ansuchen um neue Apotheken im Bezirk Amstetten.
Tips: Unter welcher Telefonnummer erreicht man den Apotheken-Notdienst am ehesten?
Hoyer: In NÖ ist die neue Notrufnummer 1450 aufgebaut worden. Unter 1450 wird jede Frage zum Apothekendienst und Arzneimittel entweder sofort beantwortet oder an die zuständige Institution weitergeleitet. Dieses Service ist vom Land sehr professionell aufgebaut worden und soll die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen werden, das heißt auch der Ärztenotdienst ist unter dieser Nummer erreichbar.
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