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Flüchtlinge im Schloss Aurolzmünster: „Auch ein Lächeln ist hilfreich“

Walter Horn, 26.06.2015 10:00

Aurolzmünster. Das Interesse und Informationsbedürfnis war groß: Als das Rote Kreuz am 23. Juni zum „Abend der Begegnung“ ins Schloss Aurolzmünster einlud, wo vorübergehend maximal 50 Flüchtlinge untergebracht sind, drängten sich zwischen 150 und 200 Besucher in den Saal.

  1 / 2   Christian Hrubes (rote Jacke) beantwortete mit dem Flüchtling Haidar (4. v. l., hellblaues Shirt) fast zwei Stunden lang die Fragen der Besucher. (Fotos: Thomas Streif)

Christian Hrubes, Leiter der Rotkreuz-Flüchtlingsbetreuung, erläuterte ausführlich, was im Schloss und mit den Flüchtlingen geschieht und nahm sich fast zwei Stunden lang Zeit, alle Fragen der Besucher zu beantworten – darunter auch etliche kritische.

Er erläuterte das Asylverfahren, wie viel Geld die Flüchtlinge bekommen (siehe unten) und informierte über Hilfsmöglichkeiten. Mit Kleidung sei das Rote Kreuz sehr gut ausgestattet, brauchen könne man beispielsweise Fahrräder oder große Kochtöpfe.

Im Anschluss an diese Informationen konnten die Besucher die Unterkünfte der Flüchtlinge besichtigen und sich davon überzeugen, dass diese keineswegs luxuriös sind. Dabei und beim Verspeisen der Spezialitäten aus der Heimat der Flüchtlinge (die diese trotz Ramadan zubereitet hatten) ergaben sich fast von selbst Gespräche mit den Männern, die das beste Mittel zur Überwindung von Vorurteilen sind. Zudem war auch die Sprachbarriere geringer als erwartet, weil einige der Flüchtlinge Englisch sprechen.

Rotkreuz-Bezirksgeschäftsleiter Josef Frauscher konnte sich am Ende des Abends über eine Reihe von Hilfszusagen freuen - von Sachspenden bis zum Fußballtraining.

Übergangsquartier

Das Schloss ist ein Übergangsquartier – am 31. Dezember 2015 wird es wieder geschlossen. Am Begegnungsabend waren hier 49 Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Pakistan untergebracht. Hrubes rechnet damit, dass die Flüchtlinge „vermutlich bis Anfang Dezember“ in permanente Unterkünfte verlegt werden oder nach Erhalt eines positiven oder negativen Asylbescheides aus der Grundversorung herausfallen.

Bürgermeister Walter Schneiderbauer gab zu, dass es ihn in den letzten zwei Wochen „durch Sonne und Mond geschleudert“ habe“. Ängste in der Bevölkerung ignoriere er nicht, aber man dürfe keine Wand aus Vorurteilen aufbauen, sondern müsse aus der Situation das Beste machen.

Als der Anruf von Landesrätin Gertarud Jahn kam, deren Ressort für die Flüchtlinge zuständig ist, habe er gleich gewusst, worum es geht. Der Schlossbesitzer habe eine alte Zusage wiederholt, das Schloss bis zum Jahresende als Flüchtlingsheim zu nutzen.

Auch einer der Flüchtlinge, der 26-jährige Haidar aus Bagdad, der gut Englisch spricht, stellte sich den Fragen. Im Namen seiner Kollegen bedankte er sich dafür, dass sie in Aurolzmünster Aufnahme fanden und sagte: „Wir wissen alle, dass viele Leute für die Flüchtlingsunterkunft sind, aber auch viele dagegen. Wir wissen auch, dass viele Leute denken, wir seien Diebe und böse Menschen. Aber wir sind nur Menschen wie Ihr auch, mit allen guten und schlechten Eigenschaften.“

Ein anderer Flüchtling meinte schlicht: „Wir sind dankbar für die Hilfe, aber auch ein Lächeln ist schon hilfreich.“Haidars Geschichte

Der 26-Jährige war Unteroffizier in der irakischen Armee – nach dem Schulabschluss ging der begeisterte Fußballer auf die Militärakademie und war dann nahe der syrischen Grenze stationiert, „an sehr gefährlichen Orten“, wie er sagt.

Haidars Flucht nach Österreich dauerte sechs Wochen. Die erste Etappe war ein ganz legaler Flug nach Bodrum in der Türkei. Dort musste er für eine 45-minütige Überfahrt auf einem Boot zur Insel Kos 1000 Euro zahlen. Von dort kam er per Boot, Lastwagen und zu Fuß, manchmal laufend und rennend, nach Österreich.

In Mazedonien wollten drei Männer sein iPhone stehlen, aber als Soldat „wusste er sich zu verteidigen“, wie er sagt. Andere Flüchtlinge hatten nicht sein Glück: Einigen wurde in Serbien ihr Fluchtgeld gestohlen, einer verlor auf der Flucht sein Kind.

Haidar: „Ich habe vor der Flucht gewusst, dass es nicht einfach wird, aber ich habe nicht erwartet, was dann kam. Aber wir hatten nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir sterben in unserer Heimat, oder wir riskieren die Flucht mit der Gefahr, auch dabei zu sterben.“ Haidar rechnet nicht damit, bald zurückkehren zu können: „Die Situation im Irak ist sehr kompliziert. Sobald es sich einmal beruhigt hat, eröffnet wieder jemand das Feuer.“

VOR DEM BESCHEIDDie Asylwerber befinden sich im Asylverfahren: Darin wird geprüft, ob ihre Fluchtgründe berechtigt sind oder ob ihre Geschichte stimmt.Im Schloss sind sie in der Grundversorgung: Sie haben ein Dach über dem Kopf, eine Dusche und die Möglichkeit, zu kochen.

EssensgeldSie erhalten 5,50 Euro Essensgeld pro Tag, das wöchentlich ausgezahlt wird (38,50 Euro). Davon müssen sie sich selbst versorgen – Essen ebenso wie Hygieneartikel. Sie erhalten auch keine Handys (die sie in den meisten Fällen auf die Flucht mitgenommen haben, um eine Kontaktmöglichkeit in die Heimat zu haben) oder Handygutscheine.Dazu gibt es noch Bekleidungsgutscheine (für Second-Hand-Shops) im Wert von 150 Euro pro Jahr. Kinder bis zur neunten Schulstufe müssen zur Schule gehen und erhalten einen Schulkostenbeitrag von 100 Euro pro Semester.

TagsatzDas Rote Kreuz erhält einen Tagsatz von 19 Euro pro Flüchtling, von dem außer dem Essensgeld auch die Miete sowie Betriebs- und Personalkosten und etwaige Investitionen zu zahlen sind. Im Schloss Aurolzmünster hat das RK den gesamten 2. Stock gemietet, zusätzliche Duschen, Toiletten, Kochstellen und Stromversorgung installiert und Stahlrohrbetten besorgt.

Keine ArbeitDen Asylwerbern ist nicht gestattet, zu arbeiten (eine Ausnahme ist Saisonarbeit in Mangelberufen, wo sie keinem Österreicher einen Job wegnehmen).

NACH DEM BESCHEIDWenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist, haben die Asylanten das Recht, ihre Familie nachzuholen. Das Geld dafür müssen sie sich (natürlich) selbst verdienen.

KernfamilieIm Gegensatz zu manchen Befürchtungen, dass Asylwerber ganze Großfamilien nachholen, betrifft das aber nur die „Kernfamilie“: die Frau bzw. den Mann und minderjährige Kinder unter 18 Jahren. Die Eltern dürfen nicht nachgeholt werden, nicht einmal volljährige Kinder. Das geht, wenn überhaupt, nur über den UNHCR (Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge).

HeimreisezertifikatBekommt der Asylwerber einen negativen Bescheid, wird er, je nach der Begründung der Ablehnung, prüfen, ob dagegen Rechtsmittel möglich sind. Ist der ablehnende Bescheid rechtsgültig, wird der Flüchtling zur Abschiebung ausgeschrieben (“Heimreisezertifikat“) und muss Österreich binnen zehn Tagen verlassen.

KONTAKT

Wer helfen möchte, ob durch Spenden oder Angebote für die Flüchtlinge wie gemeinsame Aktionen oder Gespräche, wendet sich an die Rotkreuz-Dienststelle Ried (Tel. 07752/818440).


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Manfred                   Feichtenschlager
Manfred Feichtenschlager
27.06.2015 13:56

Bürgermeister durch Sonne und Mond gejagt ???

Einerseits ist es doch sehr erfreulich, dass sich nun endlich auch der Bürgermeister Schneiderbauer, wenn auch widerwillig, dazu aufraffen musste in Aurolzmünster Flüchtlingen ein Quartier bereit zu stellen, andererseits sollte man seine Aussage, dass es ihn durch Sonne und Mond gejagt hätte und er bei dem Anruf von Sozial-Landesrätin Jahn sofort gewusst habe was zu tun sei, wohl eher als gewaltigen APRIL-SCHERZ verstehen. Tatsache ist, dass dem Herrn Bürgermeister seit November 2014 bekannt ist, dass es in Forchtenau die Möglichkeit gäbe ein besser geeignetes Quartier für 35 Personen umzusetzen, als die Unterbringung im Schloss es zulässt. Die Flüchtlinge sind im Schloss in Sälen, jeweils zu acht Leuten untergebracht und nur durch eine provisorische Abtrennung mit Leintüchern kann ein wenig Privatsphäre geschaffen werden?! Kann es denn sein, dass das der selbe, durch Sonne und Mond gejagte Bürgermeister ist, der seit unserem Ansuchen um Baubewilligung im Februar 2015 dem Baureferenten die Weisung erteilt hat, den Akt einfach liegen zu lassen und nichts zu tun?! Handelt es sich dabei etwa um den selben Bürgermeister, der beim Anruf der Sozial-Landesrätin sofort gewusst hat, was zu tun ist, jedoch auf unsere Fragen und Mails, warum er denn unser Bauansuchen nicht bearbeiten will, keine Antwort parat hat, sondern nur von einer "angespannten Situation" faselt. Wir haben in den Monaten in denen der Bürgermeister nichts getan hat, um den Flüchtlingen auch nach der befristeten Zeit im Schloss, eine gute Unterbringung zu ermöglichen, mit zahlreichen Einwohnern gesprochen. Viele haben uns bestätigt, dass die Lage und die Ausstattung des geplanten Quartiers in Forchtenau erheblich besser geeignet wären, als es das Schloss je sein kann und verstehen die Vorgehensweise des Bürgermeisters ebenso wenig wie wir. Aber, nichts zu tun oder nur „situationselastisch“ zu reagieren, ist auch eine Art zu zeigen, wie man als Bürgermeister mit berechtigten Anliegen von Bürgern oder dem Flüchtlings-Thema umgehen kann. Die Wahlen im Herbst werden hoffentlich zeigen, dass die Einwohner von Aurolzmünster mündige und verantwortungsvolle Bürger sind, die sich von einem abgehobenen „Ortskaiser“ nicht alles vorsetzen lassen. Wir sind zuversichtlich, dass die nachfolgende Bürgermeisterin von Aurolzmünster dann ein schnelleres Tempo bei der Beantwortung von Fragen und Ansuchen von Gemeindebürgern an den Tag legen wird!