Umgang mit einer Katastrophe: Als in Saiga Hans die Uhren stehen blieben
ST. JOHANN. Als vor fünf Jahren bei einem Zeltfest in St. Johann durch eine Sturmböe zahlreiche Menschen verletzt und zwei sogar getötet wurden, saß der Schock tief. Bei der Aufarbeitung der Katastrophe zeigten die „Saiga Hanser“ aber einen außergewöhnlichen Zusammenhalt. Diese gemeinschaftliche Resilienz rückten Margareta Strasser und Helmut Peter Gaisbauer in ihrem Buch „Als in Saiga Hans die Uhren stehen blieben“ in den Fokus.
Die gebürtige Saiga Hanserin Margareta Strasser, die das Sprachenzentrum an der Universität Salzburg leitet, erlebte das Unglück zwar selbst nicht mit, war aber in der Unglücksnacht nur drei Kilometer davon entfernt. Sie und ihre Eltern nahmen die enorme Druckwelle der Sturmböe wahr, kurz danach fielen das Strom- und Telefonnetz aus. „Wir hörten auch die Folgetonhörner der Einsatzfahrzeuge.“ Vom Unglück selbst erfuhr die Familie am Morgen und hörte die Schilderungen der Unglücksnacht immer wieder.
Gleichzeitig sah Strasser in der Folgezeit auch, wie bemerkenswert der Umgang mit den tragischen Ereignissen war. „Ich habe die Saiga Hanser immer schon als sehr starke Gemeinschaft wahrgenommen. Dennoch: Was hier im Anschluss passiert ist und aktiv gestaltet wurde, war in meinen Augen außergewöhnlich.“
Studie in Salzburg
Als in Salzburg am ifz, dem Internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen, das Thema „Was Gemeinschaften stark macht“ diskutiert wurde, brachte Strasser, die ehrenamtliches Präsidiumsmitglied im ifz war, das Thema ein. Ihre Idee: den Umgang mit dem Unglück als Teil eines größeren Forschungsschwerpunkts zu beschreiben. Die Saiga Hanser sollten im Idealfall eine Dokumentation ihrer Erfahrungen als Art Erinnerungsbuch und Stück Heimatgeschichte in Händen halten können.
Ausführliche Interviews
Daraufhin machte sie sich gemeinsam mit Helmut Peter Gaisbauer, dem damaligen Leiter des ifz, ans Werk, um mit den am Unglück wesentlich Beteiligten zu sprechen. Auf lange Interviews, etwa mit Personen, die sowohl Krisenmanager als auch Betroffene waren, folgte außerhalb der regulären Arbeitszeiten ein kurzer, aber intensiver Schreibprozess.
Das Ergebnis der Studie: Der Umgang der Gemeinschaft war von der ersten Minute an bemerkenswert. Es wurde rasch gehandelt, obwohl die Helfer gleichzeitig in der Rolle als Betroffene waren. In der Zeit nach dem Unglück versuchte das Führungsteam, allen voran Feuerwehrkommandant, Diakon und Bürgermeister, die Gemeinschaft durch aktives Handeln durch die Krise zu begleiten. In die beinahe unbegrenzte Solidarität, Hilfs- und Spendenbereitschaft brachte sich der ganze Ort ein. Der Bezirkshauptmann fungierte als Vermittler, die Führungspersonen übernahmen die Rollen der Verantwortung als Krisenmanager und Seelsorger. Die Unterstützung von außen wiederum wurde dankbar angenommen, während das Thema transparent besprochen wurde. „Besonders beeindruckend war die Koordination einer riesigen Spendenaktion, in deren Rahmen mehr als 440.000 Euro gesammelt werden konnten“, berichtet Strasser.
Die Trauer um die tödlich Verunglückten und die Sorge um Angehörige und Verletzte war groß. Diese habe man bei der Rückkehr in die Gemeinschaft sehr aktiv unterstützt. „Auch drei Jahre später konnten uns die Verantwortlichen noch sagen, wie es ihnen jetzt geht“, erzählt Strasser.
Gemeinschaftliche Resilienz
Die hier gezeigte gemeinschaftliche Resilienz fußt laut Gaisbauer auf einem lebendigen Netzwerk an Beziehungen zwischen wichtigen Personen in einer Gemeinschaft. Die Studie zeigte unter anderem, wie eine solche „Kerngruppe“, die das Vertrauen der Bevölkerung hat, zum Kraftzentrum einer überall „hervorquellenden“ Solidarität und gegenseitiger Hilfe wird.
„In dieser schwierigen Situation ist so vieles gelungen, was auch hätte ausbleiben können: so viel Tatkraft, Mitmenschlichkeit, Zusammenhalt, gemeinsame Trauerarbeit, selbstorganisierte Hilfe“, erklärt Gaisbauer. „Die Gemeinschaft ist in der Krisensituation noch weiter zusammengerückt und hat das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt“, sagt Strasser. Zuvor wurde diese Gemeinschaft über einen langen Zeitraum aufgebaut und durch viele Aktivitäten erhalten. Im Buch können die Leser nun am Gelungenen teilhaben und Mut aus dem Beispiel schöpfen, selbst auch tätig zu werden, wenn „Not am Mann“ ist.
Das Erstaunlichste für Gaisbauer: „Dass sich im Ort keine Schulddebatte entzündet hat und den Veranstaltern weiterhin vollständiges Vertrauen entgegengebracht werden konnte.“ Der Wissenschaftler ist überzeugt: „So ein grundlegendes Vertrauen lässt sich nicht erzwingen, sondern zeigt, dass Miteinander in Saiga Hans gelebt wird.“
Beteiligte kommen zu Wort
Im Buch kommen die Beteiligten möglichst unmittelbar zu Wort. Die geschilderten Ereignisse beginnen in der Unglücksnacht und reichen bis zu den weiteren Entwicklungen, drei Jahre nach dem Unglück. „Bei allem Leid ist es sehr berührend, wenn man sieht, wie eine Gemeinschaft eine derartige Tragödie bewältigen kann. Auch so kann man mit Krisen umgehen. Saiga Hans ist schon ein ganz besonderer Ort“, sagt Strasser. Im Herbst wird das Buch in Saiga Hans präsentiert. Es ist in Buchhandlungen und online erhältlich.
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