Die Welt im Postkartenformat: 21.580 Grüße aus aller Ferne
ST. FLORIAN. Was mit einer Schuhschachtel voller Ansichtskarten begann, ist heute ein digitales Archiv mit über 21.500 Schätzen: Seit mehr als 60 Jahren sammelt der Florianer Friedrich Reichl Karten sowie Fotografien und Tonträger aus aller Welt.
Am Anfang war da eine Schuhschachtel mit 267 Stück Postkarten aus weiten Teilen der Welt. „Als ich acht oder neun Jahre alt war, bekam ich vom Freund meines Vaters, der damals Obermeister bei der Voest war und aus der ganzen Welt Grußbotschaften bekommen hat, eine Kiste voller Ansichtskarten geschenkt“, erzählt Reichl. „Er wusste vermutlich nichts damit anzufangen, aber ich war fasziniert von den Geschichten, die die Bilder erzählen. Auch, was und wie sich die Leute gegenseitig geschrieben haben, fand ich spannend“, erklärt der gelernte Maschinenschlosser seine Sammelleidenschaft, die er nun schon seit mehr als sechs Jahrzehnten pflegt.
21.580 Karten archiviert
Pflegt – weil er sich die Mühe gemacht hat, jede einzelne Karte zu nummerieren, katalogisieren und digitalisieren. Sein technikaffiner Sohn hat ihm ein Programm am Computer installiert, mit dem der 75-Jährige sofort findet, nach was er sucht. „So behalte ich den Überblick. Das Einscannen der Karten ist eine nette Winterbeschäftigung.“ 21.580 Karten sind im digitalen System hinterlegt. Weitere fast 22.000 warten in Alben darauf, noch eingescannt zu werden. Fein säuberlich in Kisten, Regalen und sogar einer alten Sauna einsortiert und mit Nummern versehen, hat der Florianer nach eigenen Angaben von jeder oberösterreichischen Ortschaft eine Karte. Mit dem Computerprogramm kann er nach Namen, Bezirken, Gemeinden oder Jahrgang genau die Karte finden, nach der er sucht. Seine älteste Karte zeigt Schaffhausen, eine Stadt in der Schweiz, nähe der deutschen Grenze, im Jahr 1887. Die älteste österreichische Ansichtskarte ist von der Messestadt Wels aus dem Jahr 1889.
Bilder erzählen Geschichten
Unter den Post- und Ansichtskarten finden sich auch alte Fotografien. Zudem hat er eine Schallplatten- und Schellackplatten-Sammlung in seinem zweiten, untersten Kellergeschoss angelegt. „Ich finde es beeindruckend, wie viel man aus den Fotografien herauslesen kann“, erklärt der Pensionist, während er ein altes Klassenfoto in schwarz-weiß betrachtet: „Die Kinder sehen nicht besonders glücklich aus. Sie lächeln nicht und ihre Kleidung sieht ärmlich aus.“ Mittig im Bild, vor den sitzenden Kindern in der ersten Reihe, steht eine kleine Tafel, die das Wort „Nagyösz“ in schnörkeliger Schrift ziert. Es ist der ungarische Name für den rumänischen Ort Tomnatic. „Damals wie auch heute sind viele rumänische Orte keine wohlhabenden. Man sieht außerdem, wie sich die Gesellschaft damals in Klassen geteilt hat, oder teilen musste“, analysiert der Hobbysammler und deutet auf ein Mädchen am linken Bildrand, abseits stehend von der großen Gruppe: „Auch wenn die Aufnahme farblos ist, erkennt man, dass das Mädchen etwas anders aussieht als die anderen. Vermutlich war sie ein Kind der Roma und Sinti.“ Ein anderes Bild zeigt einen jungen Mann in Uniform und Barett – eine militärische Kopfbedeckung. Die Jahreszahl auf der Rückseite: 1943. „Wäre spannend, zu erfahren, was aus ihm geworden ist. Ob er heute noch lebt?“, fragt sich Reichl. Stunden könnte man damit verbringen, sich alle diese Karten und Fotos anzusehen.
Reichl: „Lustig muss es sein“
Schallplatten- und Schellackplatten sind es exakt 4.401 Stück, die er im Computersystem hinterlegt hat. Gehört hat er jede einzelne von ihnen. „Ich musste ja ausforschen, ob sie denn auch wirklich noch funktionieren.“ Seine Lieblings-Musikrichtung? „Jede! Ich höre alles, solange es lustig ist. Klassische Musik, Operetten – Hauptsache sie sind nicht zu 'schwer'“.
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