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"Die Menschen in Österreich grüßen sich noch, und sie sind ehrlich"

Maya Lauren Matschek, 20.08.2025 09:23

ENNS/OÖ. Was passiert, wenn ein junger Mann aus einer 20-Millionen-Metropole zum ersten Mal das oberösterreichische Hügelland sieht? Wenn Schweinsbraten, Marillenknödel und sternenklare Nächte auf Bollywood, Straßenlärm und Mango-Lassi treffen? Aashish Dhandore aus Mumbai erlebte eine Woche lang mit mir, Redakteurin der Tips Enns, das Leben im Alpenland: ein bewegender Kulturaustausch, der mehr hinterließ als nur schöne Urlaubsfotos.

Maya Matschek und Aashish Dhandore (v. l.) beim Baumwipfelpfad in Gmunden. (Foto: Tips/Matschek)
  1 / 3   Maya Matschek und Aashish Dhandore (v. l.) beim Baumwipfelpfad in Gmunden. (Foto: Tips/Matschek)

Unsere Reise beginnt in Lambach. Dort lernt Aashish gleich eine erste österreichische Besonderheit kennen: die Stille. „Von so einer lauten Stadt mit ständigem Hupen und Verkehr hierher zu kommen, wo es einfach still ist – da müssen sich nicht nur meine Ohren, sondern auch mein Kopf erst daran gewöhnen“, sagt der 30-jährige Inder. Bei einer Fahrradtour zum Traunfall erlebt er die Natur in einer für ihn völlig neuen Intensität.

„Alle sind so freundlich“

In Gmunden auf dem Grünberg beim Laudachsee wird gewandert – und Aashish staunt. „Die Leute hier grüßen sich, auch wenn sie sich gar nicht kennen. Das ist so freundlich!“ Ein weiterer Unterschied fällt ihm auf: In Indien sind sonntags die Einkaufszentren voll – hier ist vieles geschlossen. „Man muss mehr planen – und früher essen gehen.“

„Österreich ist sehr historisch“

Am Montag schlendern wir gemeinsam die Mariahilfer-Straße in Wien entlang und besichtigen Stephansdom, Parlament, Hofburg und die imposanten Museen. „Man spürt hier, wie alt das Land ist – das sieht man an den Gebäuden“, bemerkt er. Besonders der Stephansdom mit seiner eindrucksvollen Architektur hat es ihm angetan. Den Tag darauf besuchen wir den Zentralfriedhof. Aashish ist Hindu, kennt also nur Feuerbestattungen: „Bei uns wird der Verstorbene auf einem Holzstapel verbrannt, die Asche kommt dann in einen heiligen Fluss, meist in den Ganges.“ Die Gräber, die Ruhe auf dem Friedhof, die „Behausung der Toten“, wie er es nennt – das ist neu für ihn. Im Hinduismus glaubt man außerdem an Reinkarnation, die Wiedergeburt der Seele in einem anderen Körper. Ein wildes Reh, das an Falcos Grabstein schnuppert, bestärkt seinen Glauben.

„Auch wenn niemand hinsieht“

Die Reise lebt aber nicht von Sehenswürdigkeiten, sondern von Begegnungen. Am Freitag geht es zurück nach Oberösterreich. Beim Spaziergang passiert eine Szene, die für Aashish zum Sinnbild für österreichische Ehrlichkeit wird: Ein Mopedfahrer steigt ab, weil er sonst ein Fahrverbot missachtet hätte, und schiebt sein Gefährt brav über den entsprechenden Abschnitt. „In Indien würde das niemand machen, wenn keiner zusieht“, sagt er. „Ich glaube, das liegt daran, dass der Staat hier für die Leute da ist. Man bekommt Hilfe in jeder Lebenssituation. Das macht die Menschen ehrlicher – und die Österreicher sind es definitiv.“

Am Abend wird gegrillt. Koteletts und Würstel treffen auf Papad, eine indische Knusperspeise aus Linsen, die Aashish mit Tomaten und Gurken würzt. Auch ein Mango-Joghurtdrink (Lassi) wird selbst gemacht – die Zutaten dafür hat er extra aus Indien mitgebracht. Nachts blickt Aashish in den Himmel: „So viele Sterne habe ich noch nie gesehen.“ In seiner Kindheit, bei der Oma an der Küste habe man sie noch beobachten können – heute verhindert die Luftverschmutzung über Mumbai den Blick auf den Himmel.

„Ich komme wieder“

Auch über das Vertrauen im Alltag spricht er. Fahrkarten für die Bahn etwa: „In Indien müssen wir jedes Mal durch eine Schranke, die sich nur mit gültigem Ticket öffnet. Sogar Gepäck wird wie am Flughafen durchgescannt.“ Dass man hier bei uns einfach ein Ticket kauft, ohne vorherige Kontrolle, sei für ihn „ein System des Vertrauens“ – und ein Zeichen gesellschaftlicher Reife. Am letzten Urlaubstag sehen wir in Lambach Schildkröten. Ob sie ausgesetzt wurden? Unklar – in Österreich gibt es nur eine heimische Art, die Europäische Sumpfschildkröte. Der 30-Jährige zieht Bilanz: „Ich komme wieder. Und nächstes Mal bringe ich meine Schwester mit. Ich möchte ihr zeigen, wie schön es hier ist.“


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