Bertold Wöss erforscht Namen und ihre Bedeutung
ESTERNBERG. Woher kommt der Name Huber und welche Bedeutung steckt hinter dem Familienamen Fuchs? Mit der Beantwortung dieser Fragen beschäftigt sich Namenforscher Bertold Wöss aus Esternberg. Tips startet gemeinsam mit ihm eine Leseraktion, bei der interessierte Leser nach der Bedeutung ihres Familiennamens fragen können. Im Tips-Interview spricht Wöss über sein Interesse an Familiennamen.
Tips: Sie beschäftigen sich intensiv mit Familiennamen- und Ortsnamenforschung: Wie ist es dazu gekommen?
Bertold Wöss: Gegen Ende meines Studiums (Historische Sprachwissenschaft) in Salzburg hab ich in einem Kurs das Referatsthema Wirtshausnamen zugeteilt bekommen. Das war mein erster Kontakt zur Namenforschung. Ab da hat mich das Ganze nicht mehr losgelassen. Meine Diplomarbeit habe ich dann über die Familiennamen von Esternberg geschrieben, meine Doktorarbeit über die Familiennamen auf -müller (z. B. Schwarzmüller, Kropfmüller) in Oberösterreich und ihre Herkunft.
Tips: Was macht den Reiz aus?
Wöss: Was mich besonders an den Ortsnamen und Familiennamen reizt, ist auf der einen Seite der Blick in die Vergangenheit, den sie bieten. Auf der anderen Seite ist es die aktuelle Relevanz – fast jeder interessiert sich heute dafür, wo sein Familienname oder ein Ortsname in der Nähe herkommt und was er bedeutet. Und nicht zuletzt reizt mich die „Detektivarbeit“ beim Zusammentragen und Auswerten der Fakten, wenn man nach dem Ursprung und der Bedeutung eines konkreten Namens sucht.
Tips: Seit wann gibt es in Oberösterreich Familiennamen?
Wöss: Die Entstehung der Familiennamen war ein langwieriger Prozess, der schon im 12. Jahrhundert begann. Bei uns hatten etwa ab Mitte des 17. Jahrhunderts alle Menschen zwei Namen. Davor kamen die Menschen jahrhundertelang mit nur einen Namen aus, dem sogenannten Rufnamen (unser heutiger Vorname). Als jedoch die Stadtbevölkerung zu wachsen begann, der Handel und die schriftliche Verwaltung mehr wurden, mussten die Menschen in Steuerlisten, Bürgerbüchern, Kaufverträgen und auch Kirchenbüchern erfasst werden. Dafür benötigte man dann einen zweiten Namen, da es viel zu wenige Rufnamen gab, um die Menschen eindeutig voneinander zu unterscheiden.
Tips: Wie wurden Familiennamen gebildet?
Wöss: Es gibt fünf Gruppen von Familiennamen: Familiennamen aus Rufnamen, meist nach dem Vater benannt (Berndl von Bernhard, Max von Maximilian); Berufsnamen (Fischer, Tischler, Binder); Herkunftsnamen (Schrattenecker aus Schratteneck, Pöcherstorfer aus dem Ort Pehersdorf); Wohnstättennamen, hier war die Lage des Hauses innerhalb einer Siedlung ausschlaggebend (Ortner für ein Haus am „Ort“, also am Ende der Siedlung; Zauner für jemanden, der an einem Zaun wohnte); Übernamen, hier wurde eine äußerliche bzw. charakterliche Auffälligkeit herangezogen (Fuchs für rote Haare bzw. einen schlauen Menschen; Schoiswohl für jemanden, der gut schießt, also einen guten Jäger). Bis zum heutigen Familiennamen war es aber noch ein weiter Weg, diese Beinamen konnten sich nämlich anfangs noch ändern, sodass der Sohn oft anders hieß als der Vater. Erst als die Namen erblich wurden, kann man von wirklichen Familiennamen reden. Die Entstehung erblicher, fester Familiennamen war in Österreich mit der Einführung der Standesämter 1870 abgeschlossen.
Tips: Kann man Nachnamen eine bestimmte Bedeutung beimessen?
Wöss: In der Gegenwart haben Familiennamen keine konkrete Bedeutung mehr. In den meisten Fällen ist ein Herr Fischer kein Fischer mehr und eine Frau Dick kann heute auch dünn sein. Das liegt daran, dass sich die Namen vor langer Zeit herausgebildet haben. Während sich die Menschen über Generationen verändert haben, sind ihre Namen gleich geblieben. Zum Zeitpunkt der Entstehung hatte der Name aber sehr wohl eine Bedeutung. Wenn damals jemand den Beinamen Dick bekam, dann war er tatsächlich dick. Die Erforschung dieser ursprünglichen Bedeutung ist eines der Hauptziele der Namenforschung.
Tips: Wie läuft die Namenforschung ab?
Wöss: Zuallererst schaue ich mir an, wo ein bestimmter Name heute vorkommt. Wenn ich Glück habe, zeigt sich eine eindeutige Verteilung in einem bestimmten Bezirk. Dann kann ich dort weiter in die Tiefe bohren und die Quellen aus dieser Gegend nach Spuren des Namens in der Vergangenheit durchsuchen (Grundbesitzerverzeichnisse, Kirchenbücher etc.). Wenn ich Glück habe, finde ich die Gemeinde oder zumindest den Bezirk, wo der Namen seinen Ursprung hat. Um die sprachliche Herkunft zu erforschen, muss man verschiedene, teils sehr spezielle wissenschaftliche Wörterbücher benutzen, die oft einen historischen Bezug haben. Die Wörter, die den Familiennamen zugrunde liegen, sind nämlich inzwischen oft ausgestorben und können nur noch mithilfe dieser historischer Wörterbücher rekonstruiert werden. Dann gibt es auch noch einige spezielle Familiennamen-Lexika, in denen viele Namen bereits erklärt sind. Hier muss man aber aufpassen, weil diese Nachschlagewerke nicht immer zu 100 Prozent stimmen und eine kritische Bewertung nötig ist.
Tips: Worin liegt der Unterschied zwischen Namenforschung und Heimatkunde?
Wöss: Die Namenforschung ist eine wissenschaftliche Teildisziplin der Sprachwissenschaft. Um Namenforscher zu werden, benötigt man ein Universitätsstudium. Wenn jetzt in der Heimatkunde probiert wird, Namen zu deuten, dann ist das wie in anderen Bereichen, wo eine professionelle Berufsausübung einer Freizeitbeschäftigung gegenübersteht. Ich denke da z. B. an eine Gärtnerei, die von der Züchtung und dem Verkauf von Pflanzen lebt, und das private „Garteln“ als Hobby. Für den Beruf des Gärtners braucht es eine Meisterprüfung, für das „Garteln“ nicht. Ich bin auch dafür, dass man Heimatkunde und nicht Heimatforschung sagt, denn seriöse Forschung bewegt sich stets im universitären Bereich. Das soll jetzt nicht heißen, dass die Namenforscher besser oder gescheiter sind als die Heimatkundler. Die Stärken der Heimatkundler liegen darin, dass sie sich vor Ort in ihrer Region besser auskennen, über Geschichte und Menschen besser Bescheid wissen, einfach weil sie selbst von dort sind und sich vielleicht schon jahrelang damit beschäftigt haben. Viele Namenforscher beschäftigen sich nämlich oft zu wenig mit den Gegebenheiten und Menschen vor Ort, arbeiten nur mit ihrem sprachwissenschaftlichen Spezialwissen bei der Deutung von Namen und blenden dadurch wertvolle Informationen aus. Ich denke, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen wohl am besten wäre.
Tips: Wie lässt sich Ahnen- von Namenforschung unterscheiden?
Wöss: Bei der Genealogie, also Ahnenforschung, unterscheidet man ebenfalls zwischen der wissenschaftlichen Genealogie und dem privaten Erstellen von Stammbäumen. Das Private muss nur den eigenen Ansprüchen genügen. Meist genügen dafür die sogenannten „Kirchenbücher“. Eine wissenschaftliche Genealogie betrachtet ihre Arbeit mit wesentlich mehr Distanz zum Stammbaum. Wesentlich ist die Tatsache, dass die Wissenschaft auch die nichtkirchlichen Quellen heranzieht, wie Nachlassabhandlungen. Die Namenforschung unterscheidet sich nun von der Genealogie, da sie sich nicht für individuelle Verwandtschaften und die Erstellung von Stammbäumen interessiert. Sie konzentriert sich ganz auf die Namen und untersucht sie auf sprachlicher Ebene. Es ist wirklich faszinierend, wie sich ein Familienname im Laufe der Jahrhunderte verändern kann.
Leseraktion:
Wer gerne mehr über seinen eigenen Familiennamen wissen möchte, kann sich gerne unter e.auinger@tips.at oder unter 07712/60551-1633 melden.
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