Mobbing: „Wegschauen ist schlimm, mitmachen noch schlimmer“
PREGARTEN. Die beiden Medienpädagogen Sissi Kaiser und Tom Beyer erklären, was man gegen (Cyber-)Mobbing machen kann.
Tips: Wie erkennt und definiert man Mobbing/Cyber-Mobbing?
Sissi Kaiser und Tom Beyer: Wenn man einen Streit hat oder jemand nervt, ist das noch kein Mobbing. Das geht weiter, meist machen mehrere Personen einer einzelnen Person das Leben schwer. Ausgrenzen, ärgern, belästigen, beschimpfen, verletzen, falsche Dinge über eine Person verbreiten, schubsen: Jemanden verletzen mit dem Ziel, den anderen zu demütigen – und das über längere Zeit. Mobbing kann überall passieren: in der Schule, am Arbeitsplatz, im Verein – sogar in Familien. Neben Tätern gibt es noch Assistierende und Verstärkende, eventuell Unterstützende und Zusehende. Dabei gilt: Zuschauen ist auch Mitmachen! Bei Cyber-Mobbing wird mit Hilfe verschiedener Medien gemobbt. Gravierende Unterschiede sind: Cyber-Mobbing kann immer stattfinden, denn es läuft im Internet und auf Social Media ab – und die haben „immer geöffnet“. Außerdem können Mobber anonymer bleiben. Mit Cyber-Mobbing ist die Verbreitung gemeiner Nachrichten sehr schnell, an sehr viele Menschen möglich. Was einmal im Internet steht, lässt sich kaum löschen. Das alles macht es besonders schlimm.
Tips:Was können Jugendliche/Kinder selbst tun, wenn sie Opfer werden?
Kaiser/Beyer:Wenn du selbst das Gefühl hast, gemobbt zu werden, vertraue dich so früh wie möglich jemandem an. Freunde, aber auch eine erwachsene Person deines Vertrauens sind erste Adressen. Das können deine Eltern, Verwandte, deine Lehrkräfte sein. Was nie funktionieren wird, ist abwarten. Es wird nicht von alleine vorbeigehen. Der wichtigste Schritt ist, sich nicht selbst zu isolieren. Beweise sollten gesichert werden: Screenshots von Nachrichten, Kommentaren oder Beiträgen speichern, um sie bei Bedarf zeigen zu können. Die meisten sozialen Netzwerke bieten Möglichkeiten, Inhalte zu melden und Nutzer zu blockieren. Diese Funktionen sollten umgehend genutzt werden.
Tips: Was können Eltern tun, wenn ihre Kinder betroffen sind?
Kaiser/Beyer:Wenn das eigene Kind andere mobbt oder gemobbt wird, ist das für Eltern schlimm und meist auch komplett überfordernd. Jetzt heißt es trotz Schock: Ruhe bewahren und möglichst vorurteilsfrei Hintergründe klären – das heißt hinschauen, beobachten, zuhören, gemeinsam einen Ausweg suchen, um die Mobbing-Situation zu beenden. Sie können Ihr Kind wissen lassen, dass Sie die Handlung nicht gut finden – seien Sie aber dennoch unbedingt jemand, der es unterstützt, die Situation durchzustehen. Sie sind dabei nicht alleine: Nutzen Sie Beratungsstellen wie die Kinder- und Jugendanwaltschaft oder Schulpsychologen.
Wichtig ist auch zu wissen, dass Cyber-Mobbing laut Gesetz strafbar ist. Überlegen Sie miteinander, welche Form der Wiedergutmachung möglich ist. In einem Rudel sorgen die Führer dafür, dass Schwächere geschützt und Angreifer gestoppt werden. Eltern haben die Verantwortung, diese schützende Rolle einzunehmen und für eine klare Struktur und Sicherheit zu sorgen. Auch ist es Aufgabe der Eltern, mit Lehrkräften, Trainern und Jugendgruppenleitern Kontakt aufnehmen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Vermeiden Sie Vorwürfe, Kinder müssen wissen, dass sie nicht schuld an der Situation sind. Prüfen Sie gemeinsam mit ihrem Kind, wie es digitale Plattformen nutzt, und erklären Sie ihm, wie es sich sicher verhalten kann. Mobbing-Workshops und Filmworkshops haben sich gerade beim Thema Mobbing als Prävention methodisch sehr bewährt.
Tips: Was können Kinder tun, wenn sie merken, dass andere Kinder Opfer von Mobbing werden?
Kaiser/Beyer: Die Parabel des Hunderudels veranschaulicht auch hier eine wichtige Lektion: In einem funktionierenden Rudel unterstützen die Mitglieder einander. Wird ein Hund im Rudel immer wieder von einem anderen „gemobbt“, helfen die anderen Hunde dem gemobbten Hund. Kinder können davon lernen, wie wichtig es ist, nicht wegzuschauen, sondern aktiv einzugreifen, wenn ein „Rudelmitglied“ Hilfe braucht. Kinder können also viel bewirken, wenn sie sich gegen Mobbing solidarisieren. Je mehr nicht einfach wegschauen, desto leichter wird es. Zeigt, dass niemand allein ist. Haltet zusammen, auch dann, wenn es schwierig erscheint. Wegschauen ist schlimm, mitmachen ist schlimmer. Es gibt Menschen, die mitlaufen, mitmachen und wegschauen. Sei keiner von denen, dann hat ein Mobber kaum eine Chance. Beteilige dich nicht an Aktionen, die gegen eine Person gerichtet sind, auch wenn es am Anfang lustig erscheint – schnell gepostete Smileys können verletzen genauso wie Schweigen.
Tips:Welche Anlaufstellen und Beratungsstellen gibt es für Kinder und Eltern?
Kaiser/Beyer: In Österreich gibt es zahlreiche Organisationen und Einrichtungen, die Unterstützung bei Cyber-Mobbing bieten: Rat auf Draht (Tel. 147), Rat auf Draht Elternseite (elternseite.at/de/home), www.kija.at, www.schulpsychologie.at, Mobbingtelefon (www.dioezese-linz.at/mobbingtelefon), www.opfer-notruf.at
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